Erstellt am: 14. 2. 2013 - 19:35 Uhr
Der diskrete Charme
Sanft Weiterkommen in der Popmusik: Es hat sich einiges verändert bei Darkstar. Von außen und innen drin. 2010 noch war die englische Gruppe ein Produktions-Duo mit Wurzeln im Dubstep, Sänger James Buttery wurde nur als gedungene Gaststimme auf das bei Hyperdub erschienene Debüt-Album "North" geholt. Das Ergebnis war eine finstere und spröde Platte, die Ahnungen britischer Bass-Musik Richtung melancholischem Synthie-Pop drehte. "North" zitterte bisweilen vor industrieller Strenge, kostümiert als unterkühlte Minimal-Songs mit Wave-Eyeliner.

Darkstar
Heute sind Darkstar gesünder: James Buttery ist mittlerweile offizielles Bandmitglied und gleichberechtigter Mitmusiker, man hat die bequeme Strickjacke übergestreift und das eigene Leben in rosa Watte gepackt. Darkstar haben sich für ihr neues Album "News From Nowhere" im ländlichen Yorkshire in einem Haus eingemietet und an Laptop, Gitarre und Piano die neuen Songs geschrieben und erste Skizzen aufgenommen. Fertig geschliffen und üppig ausformuliert wurde die Platte dann im Studio von Produzenten Richard Formby in Leeds. Formby mag nun namentlich nicht rasend berühmt sein, hat aber schon Bands wie die Wild Beasts, Herman Düne oder Hood im Studio betreut, ihnen eine gläserne, zerbrechliche Klangarchitektur angegossen und als Musiker selbst in den Gruppen Jazz Butcher und Spectrum gewerkt.
Der Beitrag Formbys zu "News From Nowhere" ist jetzt ein gewaltiger: Zum einen verfügt der Mann über alte Tape-Maschinen aus der Zeit von vor der Erfindung des Internets - solche Geräte werden ja immer mal gerne von MusikerInnen zur Aufnahme herangezogen, wenn ihr Werk vielleicht so etwas wie ein noch wahres, altes Leben und morsche Athmosphäre atmen soll. Zum anderen hat er Darkstar, die alten Elektronik-Bastler, mit einem Fundus an richtig echten und akustischen Instrumenten sowie anderen komischen Klangquellen aus seinem Dachboden vertraut gemacht: Marimbas, Glockenspiele, ein Harmonium, die unverzichtbaren alt-alten Synthesizer aus der Spezialisten-Börse, diverses Gebimmel und Geplätscher und unerhörte Apparate, die allem Anschein nach die Beschaffenheit von Wolken und Regentropfen in Zauberklänge übersetzen können.

Darkstar
Es ist eine bekannte Geschichte: Dem elektonischen Wissenschaftler wird an seinem Laptop und der Drum-Machine ein bisschen langweilig und vor allzu viel Clubkultur und bösem Beat wird ihm ein wenig Angst und Bange. Man muss einmal durchlüften, die Wiese spüren und den Regenbogen reiten.
Natur und Technik
Was es auf "News From Nowhere" zu erleben gibt, ist also wieder einmal ein wunderbares Aneinandergeschmiege von Digital und Analog. Eine weiche, purpur fließende Popmusik, in der viel passiert, die aber trotzdem stets bescheiden bleibt. Da blubbern weitläufige Ambient-Flächen ohne Zwänge und Not vor sich hin und münden in kurze nervöse Pop-Momente, die in ihrer Hibbeligkeit das Animal Collective heraufbeschwören: Das Stück "Amplified Ease" ist ein schiefer, schön verbogener und vor Leben brummender Hit.
Dann schwelgen wieder Auslassungen und Leerstellen, die unerwartet von Harmoniegesängen im Andenken an die Beach Boys abgelöst werden: Der zweite sichere Hit, im Zentrum der Platte, "A Day's Pay For A Day's Work" ist die vielleicht größe Brian-Wilson-Gedächtnisarbeit seit Panda Bears "Comfy in Nautica" von dessen Jahrhundertalbum "Person Pitch".
Meistens bleiben Darkstar jedoch diskret. Die Stücke schmelzen und gleiten, Butterys Gesang ist oft nicht mehr als ein Flüstern, ein Hauchen und ein dünnes Jauchzen, das gedoppelt, zerdehnt und geschichtet wird. Einen Wortwitz bezüglich seines treffenden Familiennamens darf man sich an dieser Stelle selbst dazu ausimaginieren. Ob es nun Zithern, Xylophone, ein Akkordeon, singende Sägen oder doch bloß die Synthesizer sind, die hier in einer wunderlichen, psychedelischen Paste ineinander aufgehen, ist oft nicht mehr auszumachen.
Darkstar sind so mit ihrem neuen Albm bei Warp Records zwischen dem elektronischen Soul von Jamie Lidell, dem abenteuerlichen Folk von Grizzly Bear und den nostalgischen Beat-Schnitzereien von Boards of Canada nur bestens aufgehoben. Sie haben hier also auch durchaus mit Sounds und Klangideologien hantiert, die in den letzten fünf, sechs Jahren bis zum Anschlag en vogue gewesen sind: Das "Chillige", die Melancholia-Elektronik, die Beach Boys.
Trotzdem gelingt dem Trio eine kleine, großartige Platte, aus der weder Abnützungserscheinungen noch ein verkrampftes Suchen nach der Zukunft sprechen, sondern eine freundliche und einnehmende Naivität. Darkstar haben mit "News From Nowhere" ein mit gerade einmal vierzig Minuten Spieldauer angenehm schlankes Album aufgenommen, in dem der Mensch und die Maschine Frieden schließen - darum aber auch gar nicht groß Aufhebens machen.