Erstellt am: 23. 2. 2013 - 06:00 Uhr
Der bunte Teufel
"Österreich lag weit abseits von der Welt und schlief; in Österreich war noch Mittelalter und es sah aus, als sollte es ewig dabei bleiben."
Atak/Carlsen Verlag
Damit beginnt Mark Twain die Erzählung "Der geheimnisvolle Fremde". Eines seiner Spätwerke, von dem mehrere Versionen existieren und das erst posthum veröffentlicht wurde.
Twain wollte die Geschichte fernab von Amerika spielen lassen, angesiedelt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Und so befinden wir uns also in Österreich, in einem kleinen Dorf mit dem wenig schmeichelnden Namen "Eseldorf".
Ein Paradies jedoch für die drei Buben Seppi, Nikolaus und Theodor. Letzterer ist der Erzähler. Man plagte sie nicht übermäßig mit Schulbidung, erinnert sich Theodor. "Hauptsächlich wurden wir dazu erzogen, gute Christen zu werden, die Jungfrau Maria, die Kirche und die Heiligen über alles zu verehren. Darüber hinaus brauchten wir nicht viel zu wissen; und genau genommen durften wir es gar nicht."
Atak/Carlsen Verlag
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Umso merkwürdiger, als die drei beim Spielen im Wald einen geheimnisvollen Fremden kennenlernen, der sie mit seinem Charme, seiner Wortgewandtheit und mit unglaublichen Zaubertricks sofort in seinen Bann zieht. Der geheimnisvolle Fremde behauptet von sich, ein Engel zu sein. Allerdings hat er für einen solchen einen komischen Namen - er heißt "Satan".
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Natürlich gäbe es den bösen Satan, das sei sein Onkel. Aber dieser sei der einzige in der Familie, der je gesündigt habe, erklärt Satan.
Auch wenn das die Buben misstrauisch stimmt, sind sie dem Satan so verfallen, dass sie ihn immer wieder gerne treffen wollen und ihn auch für verschiedene Belange im Dorf um Hilfe bitten. Es sind harmlose Kleinigkeiten, die der Satan für die Buben erledigt und doch führen sie zu Neid, Hass und Gewalt. Satan amüsiert sich häufig über die Dummheit und Gehässigkeit der Menschen. Über deren ach so hohen moralischen Sitten, die doch nur geheuchelt sind. Er fasst die Menschheitsgeschichte anhand von Gräueltaten und Kriegen zusammen, die noch dazu häufig unter Gottes Namen geführt werden.
Atak/Carlsen Verlag
Mit dieser nihilistischen Erzählung übt Mark Twain nicht nur Kritik am Christentum und der Kolonialpolitik, sondern einmal mehr an der amerikanischen Gesellschaft. Und er lässt Satan Umstände benennen, die auch über hundert Jahre später an Aktualität nichts verloren haben.
"Als nächstes denken sich die Staatsmänner billige Lügen aus, mit denen sie die Schuld dem angegriffenen Volk zuschieben, und jedermann ist froh über diese Verdrehungen, die das Gewissen beschwichtigen und studiert sie fleißig und weigert sich auch, nur zu prüfen, was sie widerlegen könnte; und so redet man sich nach und nach selber ein, der Krieg sei gerecht, und dankt Gott für den ruhigen Schlaf, dessen man sich nach diesem Vorgang grotesker Selbsttäuschung erfreut."
Die Zeitlosigkeit der Neuausgabe von "Der geheimnisvolle Fremde" wird verstärkt durch die Illustrationen von Georg Barber, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Atak. Seine großflächigen, farbintensiven Bilder wirken mit ihrer kindlichen und naiven Art fast harmlos - kippen aber sehr leicht ins Bedrohliche und Unheimliche.
Wie die Erzählung spiegeln sie Verzweiflung ebenso wie Witz. Letzterer entsteht auch durch die vielen Referenzen in die Gegenwart. So findet man in dieser im 16. Jahrhundert spielenden Geschichte auch Donald Duck, Star-Wars-Figuren oder Robin, den Gehilfen von Batman. In die Stuben der Bewohner von "Eseldorf" hat Atak Bilder von Magrittes, Manet oder Mondrian gemalt.
Atak/Carlsen Verlag
Hinzu kommt, dass Atak einige Szenen übermalt hat, es scheinen also immer wieder Dinge durch. Die so entstandene visuelle Mehrschichtigkeit spiegelt die Vieldeutigkeit des Textes wider. So erzeugen diese gewaltigen Illustrationen eine fantastische Welt, die sich bestens mit der Erzählung ergänzt. Beides wird zu einem Traum. Das ist letztendlich auch das Leben, erklärt Satan am Ende der Erzählung: "Es ist alles ein Traum - ein grotesker und törichter Traum."
Atak/Carlsen Verlag
Punk-Professor Atak
Georg Barber ist in der ehemaligen DDR groß geworden, nach dem Mauerfall war der Punk einer der Wegbereiter der Berliner Comicszene. Damals spielte er in der Band Atak. Vom Stil her mit den Einstürzenden Einbauten vergleichbar, die Band gab allerdings nur drei Konzerte. Geblieben ist aber der Künstlername "Atak", den er zunächst vorwiegend zum Sprayen verwendete.
Atak/ Walde und Graf
Atak zeichnet Comics, macht Siebdrucke und illustriert Bilderbücher für Erwachsene. In Collagen und Montagen verarbeitet er Zitate aus der Popkultur. Spielsachen, Schnickschnack vom Flohmarkt, Verpackungen - all das sammelt sich in Ataks Atelier in Berlin. Das wirkt wie eine riesige Wunderkammer, ein Museum, eine Schatzkiste. Für ihn gibt es in der Kunst keine Unterscheidung zwischen high und low. Eine Plastikfigur könne ebenso wichtig sein wie etwa ein Matisse. "Die Wertigkeit ist aufgehoben."
Atak/ Walde und Graf
Atak ist radikal. Radikal bunt, radikal leuchtend, radikal kräftig. Hinzu kommen viele Details, die häufig wieder übermalt werden und so nur durchscheinen. Sein Stil erinnert an Kinderzeichnungen.
Atak
Atak/ Walde und Graf
In seinem Buch "Meanwhile ..." ist ein Schlachtenbild abgebildet, das Atak bereits als Zehnjähriger gemalt hat. Napoleon kämpft gegen die Österreicher. Der Galerist habe gar nicht bemerkt, dass es sich dabei um eine Kinderzeichnung handelte, lacht Atak.
Dabei sei genau das sein Ziel: so zu zeichnen wie ein Kind. Mit derselben Unbeschwertheit, Lockerheit und Freude am Tun. Das sei harte Arbeit.
Mittlerweile ist aus dem Punk ein Professor geworden. Er hat eine Professur für Illustration in Offenbach und war unter anderem Dozent in Hamburg, Berlin oder Halle.
Atak/ Walde und Graf