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13. 2. 2013 - 19:32

Die Polizei: dein Freund und Friseur

Die Polizei in Österreich bereitet ein umstrittenes Projekt vor: Haartests bei Drogenverdacht. Drogenverdächtige müssen dann nicht mehr nur - wie bisher - zum geläufigen 'Pinkeln zum Amtsarzt', sondern im Speziallabor ihre Haare abgeben.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fordert, schon bei Drogenerstverdacht Haaranalysen anzuordnen. Schon im November hat sie in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt ihre neue Anti-Drogenstrategie präsentiert. Vom Koalitionspartner SPÖ hat es damals Kritik an den geplanten Haartests und den Vorschlägen zur Substitutions-Therapie gegeben. Die Innenministerin will aber weiterhin an ihren Plänen festhalten und hat jetzt ein Pilotprojekt angekündigt.

Haartest - wie funktioniert das?

Wir haben unseren Reporter Paul Pant durchchecken lassen und ihn ins Forensisch-Toxikologische-Labor (FTC) in Wien geschickt. In einer ehemaligen Schokoladenfabrik hat er sich von Laborleiter Dr. Wolfgang Bicker zeigen lassen, wie so ein Haartest funktioniert.

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Polizei will Haare statt Urin

Überwachen und Strafen

Die neue Drogenstrategie des Innenministeriums zusammengefasst von Irmi Wurtscher.

Skeptiker jedenfalls halten die Haartests für nicht zuverlässig. Von Seiten der Polizei heißt es dazu: genau deshalb müsse man die Tests ausprobieren. Der Leiter des Bundeskriminalamts Franz Lang sieht die Vorteile von Haartests im Vergleich zu gängigen Urin-Schnelltest darin, dass man mehr und vor allem einzelne Substanzen feststellen kann. Beim jetzigen Urintest fände man viele Substanzen nicht und man könne sich nur ein Bild von den letzten 48 Stunden machen, sagt Lang.

dpa/Daniel Karmann

Wohin mit der Substitutions-Therapie?

Aber nicht nur Haartests stehen auf der Wunschliste der Kriminalisten. Auch die Substitutions-Therapie wird generell im Strategiepapier des Innenministeriums in Frage gestellt. "Ich glaube, es ist wirklich die Prüfung erforderlich, in welchen Fällen, vor allem in welcher Quantität und vor allem in welcher Frequenz man diese Medikamente verschreibt“, sagt Franz Lang dazu im Ö1-Interview.

Robert Zikmund zur aktuellen Diskussion zur Substitutions-Strategie: "Wenn das Innenministerium Gesundheitspolitik macht".

Warum sich das Innenministerium plötzlich in die Substitutions-Strategie und damit in eine Frage der Gesundheitspolitik einmischen will, verstehen viele Experten nicht. Dr. Hans Haltmayer, der ärztliche Leiter der Suchthilfe Wien ist einer der Kritiker, bei dem die Wünsche des Innenminsiteriums auf Unverständnis stoßen.

Interview mit Dr. Hans Haltmayer

Im Interview mit Andreas Gstettner erklärt Haltmayer, warum er die Pläne des Innenminsiteriums nicht nachvollziehen kann:

In wenigen Wochen sollen Pilotversuche mit diesen Haartests starten, wie aussagekräftig sind diese Tests?

Haartests haben einen beschränkten Platz in der Medizin. In der Gerichtsmedizin zum Beispiel sind sie gut geeignet. Außerhalb dieses Bereiches ist ihr Einsatz sehr kritisch zu sehen, da es eigentlich eine relativ ungenaue Methode ist. Es gibt genetische Unterschiede, je nach Haarfarbe werden die Substanzen unterschiedlich gut, unterschiedlich schnell in die Haare eingelagert. Also blonde Haare zum Beispiel speichern Substanzen viel schlechter als dunkle Haare. Also hier wären Bevölkerungsgruppen je nach ihrer Haarfarbe oder ihrer genetischen Disposition letztendlich diskriminiert und das kann man sich ja nicht wirklich wünschen. Außerdem ist so ein Haartest sehr aufwendig. Es muss ein ganzes Büschel von Haaren entnommen werden. Es ist so, dass man sich die Haare nicht kurz schneiden darf, man darf sich die Haare auch nicht färben, man darf sich die Haare auch nicht bleichen, der Haartest dauert mehrere Wochen, bis ein Ergebnis vorliegt und ist darüber hinaus auch noch sehr teuer.

Raus aus der Drogenspirale: das ist zusammen gefasst das, was sich die Innenministerin mit diesem Pilotprojekt erhofft. Die Innenministerin will vor allem jungen Menschen, Erstkonsumenten damit helfen, sagt sie. Kann mit diesen Tests jungen Menschen wirklich geholfen werden?

Ein Test hilft einmal primär gar nichts. Ich sehe auch wenig Sinn darin junge Menschen frühzeitig zu kriminalisieren, durch polizeiliche Methoden letztendlich zu verfolgen, sondern es geht in erster Linie darum präventiv junge Menschen zu erreichen bevor ein problematischer Suchtmittelkonsum stattfindet. Sie über Beratungs- und Betreuungs-Angebote zu informieren, das Vertrauen zu ihnen zu finden und so schlimmeres zu verhidnern.

Bei dem Drogenstrategiepaper des Innenministeriums geht es aber nicht nur um Haartests, sondern auch die Substitutions-Therapie ist Thema in dem neuen Paket der Innenministerin. Darin wird die Substitutions-Therapie generell in Frage gestellt. Dem Ministerium geht es vor allem um den Missbrauch von Substituten. Vor allem retardierte Morphine wie Substitol landet immer wieder am Schwarzmarkt. Süchtige initiieren dann die Tabletten und das ist sehr gesundheitsschädlich. Auf der anderen Seite ermöglicht Substitol vielen Menschen ein normales, bürgerliches Leben, wie schätzen Sie diesen Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein.

Aus ärztlicher Sicht kann man das nur entschieden zurückweisen und dem kann man gar nichts abgewinnen. Sucht ist eine chronische Erkrankung, die definitionsgemäß über einen langen Zeitraum verläuft. Die Substitutionsbehandlung ist die Therapie der ersten Wahl, eben dieser chronischen Erkrankung. Das heißt man muss schauen, dass man diese Patienten möglichst bald in Behandlung bringt, sie mit den entsprechenden Medikamenten behandelt und möglichst lange in Behandlung hält. Nur so kann man verhindern, dass es zu einer Verelendung kommt, dass es zu Begleiterkrankungen wie HIV oder einer Hepatitis-Ansteckung kommt. Und letztendlich diese Menschen soweit stabilisieren, dass sie auch wieder in die Gesellschaft integriert werden können und dort ein unauffälliges, akzeptiertes Leben führen können.

Welche Rolle spielt das "Volksempfinden" bei solchen gravierenden Strategieänderungen in der Drogenpolitik. Spielt das in der aktuellen Debatte eine Rolle?

Ich glaube nicht, dass das "Volksempfinden", so ist, dass die Behandlung dieser Patienten in Frage gestellt wird, im Gegenteil. Ich glaube, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehr daran interessiert sind, dass Suchtkranke gut behandelt sind, dass sie wegkommen von der Straße, dass sie sich nicht mit infektiösen Erkrankungen anstecken, dass sie wieder gut re-integriert werden, dass sie wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass da eigentlich jemand etwas dagegen haben könnte