Erstellt am: 13. 2. 2013 - 16:29 Uhr
Drogen-Substitution "überdenken"
Über zehntausend opiatkranke Menschen sind in Österreich derzeit in der sogenannten Substitutionstherapie.
Nach dem Prinzip der Schadensminimierung werden diese Personen im Rahmen dieser Behandlung medikamentös betreut. Damit will man einerseits einen Rückfall in den Konsum illegaler Opiate und zweitens Entzugserscheinungen vermeiden.
Für ein solches Programm in Frage kommen dabei allerdings nur Patienten, bei denen die Drogen-Abstinenz sehr unwahrscheinlich zu erreichen ist.
Geregelt werden diese Substitutionsprogramme in Österreich durch die Suchtgiftverordnung, wobei Paragraph 23c auch die Substanzen der Wahl ziemlich genau festlegt: „Methadon sowie auch Buprenorphin, jeweils in einer für die perorale Einnahme geeigneten und die i.v. Verwendung dieser Suchtmittel erschwerenden Zubereitung, Mittel der ersten Wahl. Nur bei Unverträglichkeit dieser Arzneimittel dürfen andere Substitutionsmittel verschrieben werden.“
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Doch exakt diese „anderen Substitutionsmittel“ sind der Stein des Anstoßes, warum das Innenministerium nun von einer „Verschärfung“ und „Neujustierung“ spricht.
Denn obgleich man natürlich anmerken kann, dass medizinische Belange wie etwa die Wahl der Medikation noch immer Sache der Ärzte und des Gesundheitsministeriums sind, macht die missbräuchliche Verwendung eines „anderen Medikaments“ – nämlich retardiertes Morphin, das als Substitol oder Compensan vertrieben wird – auch strafrechtlich relevante Probleme.
Verschrieben werden diese Morphin-Präparate allerdings eben nur in Sonderfällen, auch wenn es vereinzelt möglicherweise Ärzte gibt, die das lockerer handhaben als andere.
Im Unterschied zu den vorhin genannten Medikamenten wie dem billigen und lange erprobten Methadon oder auch dem neueren und vielversprechenden Buprenorphin (Subutex), stellt sich beim Substitol nämlich – vor allem bei missbräuchlichem intravenösen Konsum – doch genau jener „Kick“ ein, den Süchtige meist suchen.
Außerdem birgt der intravenöse Konsum des Inhalts dieser Kapseln auch ein massives, gesundheitliches Neben-Risiko: Der Wirkstoff ist nämlich mit einer dünnen Wachsschicht überzogen, und selbst die „geübtesten“ Junkies schaffen es nicht, das gesamte Wachs aus dem aufgelösten Mittel zu filtern.
Das Ergebnis sind oft lebensgefährlich Ablagerungen im ganzen Körper, die im schlimmsten Fall zu spontanen Todesfällen führen können, etwa wenn sich Wachs im Hirn ablagert.
Polizeilich liegt das Problem an der Attraktivität der Substanz, auch das reinste (und so niemals auf der Straße erhältliche) Heroin kann nicht die Wirkungs-Intensität von injiziertem Morphium erreichen. So ist es wenig verwunderlich, dass in der Szene diese Kapseln und Tabletten mittlerweile weit häufiger gehandelt werden als tatsächliche Pulverdrogen.
Der Umstand, dass mit den teils für eine Woche mitgegebenen Medikamenten gehandelt wird (am Hotspot Karlsplatz ging es in erster Linie um Substitol und dergleichen) bereitet der Polizei schon seit Jahren Kopf zerbrechen, nun ortet die Innenministerin also Handlungsbedarf. Ihre Argumentationslinie bewegt sich entlang zweier Hauptpunkte:
Erstens gibt es in Europa nur wenige Länder die im Substitutionsprogramm auch auf Morphin zurückgreifen.
Und zweitens schaffen nur etwa fünf von hundert Patienten den tatsächlichen Ausstieg aus der Sucht.
Diese Erklärung für den Vorstoß hat aber zumindest ein paar logische Schwächen, wie auch die meisten Suchtarbeiter bestätigen:
Denn nirgends, schon gar nicht in der veröffentlichten Debatte findet sich ein Hinweis darauf, dass sich die BM für Inneres auf ein „Überdenken“ der Substitol Behandlung beschränken möchte, die Rede ist immer von der gesamten Substitution.
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Dazu passt leider auch das zweite Argument über die mangelhafte Ausstiegs-Quote: Denn die Abstinenz steht bei den meisten Langzeit-Süchtigen niemals als Ziel im Vordergrund, es geht eben vor allem darum, den Schaden möglichst gering zu halten – was mit klinisch reinen Substanzen, wie Buprenorphin aber auch Substitol, tatsächlich möglich ist, sofern nicht missbräuchlich verwendet.
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu auch, dass Opiat-Erkrankungen eben zumeist chronisch sind und das Erreichen von Abstinenz nicht im Vordergrund steht.
Was wären also tatsächlich gangbare Methoden um das Problem von Missbrauch und Schwarzmarkt in den Griff zu bekommen?
Möglich scheint jedenfalls die Abgabe strenger zu kontrollieren – oder Substitol tatsächlich nur mehr in extremen Ausnahmefällen mitzugeben (Für täglich Berufstätige, etc.), vielleicht auch vermehrt auf Buprenorphin umzusteigen, falls möglich.
Oder wie in deutschen Pilotprojekten, Süchtige gleich kontrolliert mit der Substanz zu behandeln, die kürzere Entzugszeiten hat und von den Betroffenen auch gewünscht wird: medizinisches Heroin.
Jedoch alle zehntausend Opiatkranken, die teils auch mit geringsten Dosen an Ersatzdrogen ein ganz normales Leben führen können, arbeiten und Steuern zahlen, nun aber mit solchen Vorstößen elementar zu verunsichern scheint jedenfalls wenig hilfreich.