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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

17. 2. 2013 - 08:30

Angst, Action, Atmosphäre

"Dead Space 3" führt seine Spieler im Kampf gegen Weltraumzombies durch ein Best-of des SF-Splatter-Horrors.

Dead Space 3 Cover

Visceral/EA

Dunkle Maschinenräume, Boden und Wände bedeckt von Blut und Rost, trügerisch leere Raumschiffflure in flackernder Beleuchtung; das Zischen und Dröhnen von unsichtbaren Antrieben und riesigen Reaktoren irgendwo unter oder über uns, untermalt vom gleichförmigen Klang unserer schweren Schritte - würde man das Schlagwort "Triple A" in Hinblick auf "Dead Space 3" neu übersetzen, müsste man neidlos ein A für "Atmosphäre" stehen lassen.

Auch in Teil 3 der Weltraum-Horror-Serie bedient sich Visceral Games ausgiebig und effizient am Repertoire jener Subnische, die das oft sterile Science-Fiction-Genre mit dem blutigen Effektrepertoire des Horrors verbindet. Von der "Alien"-Reihe über John Carpenters "Ding aus einer anderen Welt" bis hin zu "Event Horizon" und vielen anderen reicht der filmische Referenzrahmen, und zumindest Teil 1 der "Dead Space"-Trilogie war ein definitiver Meilenstein in der Übertragung dieser Angstzustände ins Videospiel.

Als Ingenieur Isaac Clarke - schon der Name des Protagonisten verweist auf die SF-Urgesteine Isaac Asimov und Arthur C. Clarke - traten wir 2008 das erste Mal fast auf uns allein gestellt auf dem im Weltraum dahintreibenden Wrack des Raumschiffs USG Ishimura dem grotesken Horror der Nekromorphs entgegen, funktionierten Werkzeuge wie Schneidbrenner zu provisorischen Waffen um und genossen das schaurig-schöne Gefühl des Schreckens.

A wie Angst

Es war dieses Gefühl der Verwundbarkeit, des vorsichtigen Vorantastens und der Ungewissheit, ob aus den dreckigen Luftschächten nicht der "Body Horror" der mutierten Leichen der toten Besatzung auf uns hereinbrechen würde, das den Reiz - und den Horror - von "Dead Space" ausgemacht hat. 2013, bei Teil 3 der Serie angelangt, muss eines nüchtern festgestellt werden: Dieser Schrecken lässt sich nicht beliebig oft wiederholen.

Schon Teil 2 der Serie hatte den Fokus etwas vom Survival-Horror-Genre weg verlagert: Aus dem einsam gestrandeten Ingenieur und Kämpfer wider Willen, der mit improvisierten Waffen gegen ein unbegreifbares Grauen antritt, war irgendwie vom Gefühl her spielerisch ein waffenstarrender, schwer gepanzerter Protagonist wie viele andere geworden. Die "Jump Scares" waren altbekannt, der Shooter-Anteil etwas größer, doch all das war angesichts der meisterhaften Atmosphäre und der sinnvoll weiterentwickelten Spielelemente kein Grund, nicht nochmals im Horror-Universum zu versinken.

Dead Space 3

Visceral/EA

A wie Atmosphäre

Teil 3 schließt ohne großen Bruch an die Vorgänger an: Wieder liegt es an uns in Gestalt des traumatisierten Isaac Clarke, den wir wie gewohnt ohne störende Interface-Elemente aus der Schulterperspektive steuern, die Ausbreitung eines tödlichen Alienvirus zu verhindern. Die lineare Story ist in weiten Teilen banale Nebensache, dafür bietet "Dead Space 3" eine beeindruckende Abfolge von Szenenwechseln und kurzweilig unterschiedliche Aufgaben in den recht frei erkundbaren, allesamt mit viel Liebe zum Detail gestalteten Umgebungen.

Von den aus der Reihe bekannten riesigen Raumschiffwracks über Passagen in Schwerelosigkeit bis hin zu klirrend kalten Eisplaneten und unterirdischen archäologischen Ausgrabungsstätten reicht das Best-of der Schauplätze. Wie eingangs erwähnt, erschaffen Visceral Games hier mit beeindruckenden Set-Pieces, stimmiger Grafik und vor allem dem gewohnt fantastischen Sound ein Meisterwerk der Atmosphäre mit teilweise spektakulären Stimmungen.

Dead Space 3

Visceral/EA

A wie Action

Sporadische, simple Puzzles, zum Glück nur gelegentlich zum Einsatz kommende cinematische Quick-Time-Events und gewohnt gruselige Erforschungsgänge täuschen aber nicht darüber hinweg, dass weniger der Horror, als vielmehr der bewaffnete Kampf gegen die Monster die Hauptattraktion dieser Geisterbahn ist; das komplett umgebaute Waffensystem, das fast unbegrenztes Experimentieren und Umbauen des Schuss- und Schneidegeräts ermöglicht, unterstreicht diese stärkere Betonung des Actionanteils. Ein "Gears of War" wird dadurch aus "Dead Space 3" aber nicht - dazu ist der Kampf wie gewohnt zu langsam und deshalb eher taktisch geblieben.

Schon vor Release des dritten Teils meinten besonders puristische Fans des Franchise, die Alarmglocken läuten zu müssen: Der angekündigte Koop-Modus, der erwähnte stärkere Fokus auf Action und vor allem die Implementierung eines Online-Shopsystems, in dem Spieler gegen echtes Geld nicht nur DLC, sondern auch Gegenstände kaufen sollten, brachte besonders leicht erregbare Spielergemüter zum Überschäumen.

Dead Space 3

Visceral/EA

Popcorn auf Hochglanz

Entwarnung: Keine der aufgeregt kritisierten Neuerungen verdirbt Teil 3 der Serie - vor allem die Befürchtung, dass der Zusatzkauf von Items für das Spiel notwendig sein würde, stellt sich schnell als unbegründet heraus, und auch der neue Koop-Modus ist durchaus eine Bereicherung. Auch wenn sich durch die Stärkung des Action-Anteils der Charakter des Spiels ein wenig verändert, bleibt "Dead Space 3" ein atmosphärisch unglaublich dichter, technisch und spielerisch beeindruckender Beweis dafür, dass das Hochglanzsegment der Spielebranche seine Produktionsmillionen nicht nur in PR, sondern durchaus auch in seine Spiele steckt.

"Dead Space 3" ist soeben für WIndows, XBox360 und PS3 erschienen. Wie so oft ist auch hier die englische Originalfassung der deutschen Synchronisation auf jeden Fall vorzuziehen.

Vielleicht ist "Dead Space 3" für ein größeres Publikum abgeschliffen, vielleicht hat es weniger "Angst" und mehr "Action" in seinem Triple-A, vielleicht ist es sogar ein wenig seelenloser - und sicher weniger gruselig - als der erste Teil der Reihe. Doch wie gesagt: Der Survival-Horror-Schrecken des ersten Teils lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. "Dead Space 3" beweist, dass das auch nicht unbedingt nötig ist und geht, anstatt zu stagnieren, einen Schritt in eine andere Richtung.

So lohnt sich sowohl für Fans als auch Neueinsteiger der Besuch: "Dead Space 3" ist Hochglanz-Popcorn-Action mit fantastisch umgesetzter Horroratmosphäre.