Erstellt am: 11. 2. 2013 - 15:54 Uhr
Afrikacup-Journal '13. Eintrag 18.
Das ist das gewohnte Special innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Begleitung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft der Welt.
Das gesamte Journal '13 wird heuer thematisch die Versprechungen meines Twitter-Profils einlösen: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball.
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Das war der Afrika-Cup 2013: Nigeria gewann das Finale gegen Burkina Faso mit 1:0, im Spiel um Platz drei besiegte Mali Ghana.
Als MVP wurde Jonathan Pitroipa, als Top Scorer Emmanuel Emenike und als Fair Player of the Tournament (was immer das ist) Victor Moses ausgezeichnet.
Das offizielle Team des Turniers: Vincent Enyeama; Efe Ambrose, Bakary Koné, FerNando Neves; Seydou Keita,
John Obi Mikel, Jonathan Pitroipa; Wakaso Mubarak, Victor Moses, Asamoah Gyan, Emmanuel Emenike.
Einsprüche: links hinten (eine Position, die die Jury nicht kennt) war Elderson Echiejile der deutlich beste; und statt des pars-pro-toto (für die Leistung seiner Kapverden) ausgezeichneten Kapitäns wäre Oboabona zu prämieren.
Ich würde zudem Burkina-Kapitän Charles Kabore dem doch leistungs-schwankenden Pitriopa vorziehen und hätte da eher Mba als John Obi auf der Rechnung; vorne würde ich dafür Gyan nicht brauchen.
Enyeama; Ambrose, Bakary Koné, Oboabona, Echiejile; Seydou Keita, Kabore, Mba; Wakaso, Emenike, Victor Moses --> das wäre wohl das deutlich effektivste afrikanische Team der Stunde.
Lobende Erwähnungen für Mweene, Sangweni, Mbola, Romaric, Babanco, den kapverdischen Platini, die Achse Badu-Rabiu und den verletzten Alain Traore.
Aufällig: die meisten Klassespieler sah man bei diesem Turnier in der Mittelfeld-Zentrale. Früher waren es eher Angreifer, schnelle Außenspieler oder Risiko-Verteidiger, die Aufsehen erregten, jetzt sind es die Strategen.
Es wird also Stephen Keshis verstärkte Junioren-Auswahl sein, die diesen Juni Afrika im Confed-Cup, in einer Gruppe mit Spanien (Weltmeister) und Uruguay (Südamerikameister) vertreten wird.
Zurecht.
Nigeria ist die erste und bislang einzige große afrikanische Fußball-Nation, die aus der kontinentalen Stagnation und der Krise der letzten Jahre Schlüsse gezogen hat. Wo sich andere im Altersstarrsinn üben (Ägypten), vergangener Glorie nachjammern (Kamerun), Superstar-Pflege vor Teampflege setzen (Côte d’Ivoire), allzu stark Europa imitieren (Tunesien, Marokko, Algerien), nichts in den Nachwuchs investieren (Südafrika) oder zu schnell zu leichtsinnig werden (Ghana) hat Nigeria (in den letzten Jahren oft der fetteste Problembär, was korrupte Verbands-Strukturen, groteske Star-Egos, fehlendes Teambuilding und pampige Überheblichkeit anlangt) eine radikale Kehrtwende eingeschlagen.
Das Team um den autoritären Ex-Kapitän Stephen Keshi (mit Leuten wie Daniel Amokachi oder Ex-Goalie Ike Shorunmu) war mit null Erwartungshaltung in den diesjährigen Afrika-Cup gestartet, weil die Teamleitung praktisch alle Troublemaker, alle potentiellen Ego-Gefahrenherde aus dem Spiel genommen hatte. Nur noch (der kaum eingesetzte) Kapitän Yobo und Torhüter Enyeama sind über 25, der Rest teilweise deutlich darunter; die Anzahl der Talente aus der heimischen Liga ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Rausgefallen sind Stars wie Shittu, Taiwo, Etuhu, Ameobi, Martins, Joel, Obi, Kalu, Uche, Utaka, Odemwingie oder Yakubu - und die wurden im Vorfeld allesamt zumindest noch einmal erprobt (neben dutzenden No-Names aus dem heimischen Hinterland). Obinna, Obasi, Eneramo, Anichebe, Ayila, Akpala, Apam oder Haruna wurden gar nicht mehr erst in Erwägung gezogen.
Es war das Turnier von Keshi, Oboabona und Mba...
Stattdessen nahm Keshi Leute wie Godfrey Oboabona oder Sunday Mba mit. Oboabona (22) von den Sunshine Stars wurde mit Rookie Kenneth Omeruo (19), den Chelsea gerade an Den Haag verliehen hat, in der Innenverteidigung zusammengespannt. Mba (24) von den Enugu Rangers bekam im Verlauf des Turniers die Mittelfeldrolle vor Playmaker John Obi Mikel (Chelsea) aufgebrummt. Und beide wurden zu entscheidenden Figuren - Mba durch seine Tempoläufe und Tore, Oboabona durch seine Rettungstaten. Beide fielen gegenüber den international erfahrenen Stars nicht ab, im Gegenteil.
Natürlich lag es auch am hochflexiblen 4-3-3 von Keshi: fluide Strategie im Mittelfeld (Onazi und Mba oder zu Beginn Ogude und Nosa fanden gemeinsam mit Mikel immer eine matchplanorientierte Ordnung) und ein völlig unausrechenbarer echter Dreizack-Angriff (wo sich Moses, Ideye Brown, Emenike, Musa und Uche die ununterbrochenen Rochaden und Variationen gaben) machte jeden Gegner verrückt. Dazu kam die gediegene Flügelunterstützung durch Ambrose (rechts) und Echiejile (links) und die Sicherheit des besten Keepers im Turnier.
Ausgerüstet mit einem guten angriffigen System, einem effektiven Matchplan (im Halbfinale machte der als Quasi-Zehner zurückgezogene Victor Moses Gegner Mali völlig narrisch), ineinandergreifenden Formationen und der Gewissheit, in jedem Spiel Tore erzielen zu können, ging Nigeria in allen sechs Spielen 1:0 in Führung.
... und auch das von Moses, Emenike, Mikel und Enyeama
In den ersten beiden Gruppenspielen fehlte noch die Cleverness, nachzusetzen bzw. den verdienten Vorsprung über die Zeit zu bringen (gegen Burkina Faso fing man sich den Ausgleich in der 94. Minute ein, gegen das durchaus gleichwertige Zambia schon ein wenig früher) - danach war gegen die nigerianische Strategie kein Kraut mehr gewachsen.
Äthiopien wurde vergleichsweise spät, aber doch klar pflichtbesiegt; beim Sieg gegen den Top-Favoriten Côte d’Ivoire kam man nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich recht anstandslos wieder zurück; Mali wurde durch eine taktische Finte zerstört; und auch Burkia Faso hatte im Finale nie eine reelle Chance.
Die Gefahr, die der nigerianische Tempo-Gegenstoß in praktisch jede Phase aller CAN-Spiele ausstrahlte, war die größtmögliche. Und die Treffsicherheit von Turnier-Schützenkönig Emenike, Moses und eben auch Mba sorgte für die praktische Bekräftigung. Diese Mannschaft spielt, um Tore zu erzielen; mit drei echten Stürmern.
Im Juni wird sich die Mannschaft dann auf dem nächsthöheren Level beweisen können. In der WM-Quali für 2014 wird Nigeria wohl eine Runde weiterkommen, ehe es dann Ende des Jahres in die Play-Offs geht.
In der afrikanischen U20-Meisterschaft ist Nigeria Titelverteidiger und hat sich für die heurige Endrunde (im Mai) qualifiziert. Die vier besten spielen im Juli U20-WM in der Türkei.
Noch ein Wort zu den anderen Teams:
Für Burkina Faso ist schon das Finale ein historischer Erfolg. Für Teams wie Togo und vor allem die Kapverden ist das Tor fürs Größer-/Weiterdenken erstmals geöffnet worden. Etwas, was Zambia und auch DR Congo schon hinter sich haben - sie wurden bereits mit Stufe 3, dem kleinen Rückschlag konfrontiert.
Für die Teams aus Mali und der Elfenbeinküste könnte mit diesem Turnier eine Ära zu Ende gehen. Ohne Keita wird's schwer, ohne Drogba und Co. vielleicht aber leichter. An Südafrika ist auch die zweite große Chance, durch ein Turnier Input ins System reinzukriegen, vorbeigegangen. Nicht ganz, aber fast spurlos.
Dorthin, in die Spur werden bis 2015 wohl eher die Maghreb-Staaten finden: Marokko ist Ausrichter, Tunesien und Algerien werden viel Ehrgeiz entwickeln und vielleicht den Weg von Nigeria nachgehen.
Der am Montag verkündete Rücktritt von Trainer Keshi war, das wurde Dienstag dann deutlich sichtbar, nur eine strategische Finte um eine größere Machtfälle zu erlanger - sofern er jetzt nicht in die Politik wechselt.
Oder den von Ghana. Die waren nämlich auch bereits ähnlich weit. Und wurden unterbro..., nein, sie haben sich selber unterbrochen, unforced errors in der Berufungs-Strategie. Team Ghana verfügt womöglich über noch mehr Talent als Nigeria, auch in der heimischen Liga, war aber nicht in der Lage, das zu kanalisieren. Zudem ist die WM-Teilnahme 2014 schon in der Gruppenphase in Gefahr. Das ist ähnlich wie beim großen Abwesenden Kamerun; da hilft nur der große Umbruch nach dem Vorbild des Nachbarn. Sofern der dort überhaupt weiterentwickelt wird. In Nigeria weiß man ja nie.