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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

7. 2. 2013 - 16:35

Arcade-Games der Jetztzeit

Retro, Remix, Referenzen: Das niederländische Indie-Computerspiel-Duo Vlambeer definiert alte Tugenden neu.

Noch nie gab es soviel kreatives Schaffen wie heute. Hast du den Überblick über all die Romane, Sachbücher, Kunstprojekte, Theaterinszenierungen, Videospiele, Filme, TV-Serien, Architekturprojekte, Blogs, Party-Reihen, YouTube-Stars und Medienveranstaltungen der letzten paar Jahre? Eben. Ein Verstrudeln in all dem Angebot ist verständlich, aber nicht zielführend. Als Konsument ist die Auswahl auf das persönlich Wesentliche wichtiger denn je, und als Produzent muss man sich bewusst sein, dass das Schaffen von Aufmerksamkeit zur größten Herausforderung geworden ist.

Ein Großprojekt oder viele ambitionierte Versuche?

Als Kreativschaffender hat man die Auswahl zwischen zwei grundlegenden Methoden: Entweder du arbeitest an einem Langzeitprojekt, das du über die Monate und Jahre der Entstehung mediengerecht protokollierst, dokumentierst und präsentierst. Wenn das Produkt dann endlich erscheint und nur teilweise den Erwartungen gerecht wird, macht das auch nichts, denn du hast dich mittlerweile selbst als Gestalter/in erfolgreich inszeniert und bist bereit für diverse Angebote und Auftragsarbeiten.

Variante 2: Die eigenen Talente und Fähigkeiten destillieren, ein perfektes Arbeitsumfeld schaffen, ein paar wenige partner in crime suchen und drauf los designen. Musiker wie etwa Jonathan Mann schreiben seit rund vier Jahren einen "Song A Day". Videospielentwickler-Duos wie Vlambeer aus den Niederlanden sind rastlose Prototyper und Game-Jammer. Daraus entsteht manchmal übers Wochenende ein kurioses Kleinod, das nicht selten auch in etwas Großes mündet.

Weiße Projektile fliegen in der Luft, dazwischen ein kleines, schwarzes Kampfflugzeug. Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Luftrausers".

Vlambeer

Aus dem kleinen "Luftrauser" wird derzeit das große "Luftrausers"

Arcade-Kultur in den 2010er Jahren

Vlambeer haben neben ihrer kurzen Entwicklungsphasen auch ein Konzept: "Bringing back arcade since 1962" lautet der selbst gewählte Auftrag, und zur archaischen Arcade, die man in die Jetztzeit transferieren möchte, gehört für Vlambeer alles, das älter als ein Dutzend Jahre ist. So, wie ein elektronisches Musikstück von früher gerne für zeitgenössische Remixes hergenommen wird, nehmen Vlambeer bekannte Games-Versatzstücke und machen ihr eigenes, meist wesentlich durchgedrehteres Ding draus. So ist etwa der Hit "Super Crate Box" eine klare Referenz an das klassische "Mario Bros.", dessen Umgebung nur aus einem statischen Bild besteht. Wie bei fiesen, alten Spielen üblich, will auch Vlambeer nicht, dass wir es bei ihren Games zu einfach haben. Erst, wenn man einige Male eins auf die digitale Nase bekommen hat, heimst man nach und nach die ersten Erfolge ein.

Pixelige Gerüstplattformen mit gelben und roten Monstern. Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Super Crate Box".

Vlambeer

Ohne Mario, dafür mit mehr Wahnsinn: "Super Crate Box"

Rami Ismail und Jan Willem Nijman, die Namen hinter dem Duo Vlambeer, sind bestens in der honorigsten Ebene der Indie-Games-Community vernetzt und wollen ihrem guten Ruf zu jeder Zeit gerecht werden. Ähnlich, wie der subversive Videospiel-Alleinunterhalter Edmund McMillen, stehen auch Vlambeer in der Tradition des schnellen Flash-Spielchens, das wahlweise ein kritisches Kommentar, ein kleiner Klamauk oder die spielerische Grundlage für ein aufwändigeres Werk abgibt. Die augenzwinkernd als "Not-Vlambeer Games" ausgewiesene Ecke im hauseigenen Store ist der beste Beweis: da ist etwa ein verpixeltes Survival-Game ("Yeti Hunter"), ein Protestspiel bzw. eine Solidarisierung mit McMillen ("Super Puppy Boy"), ein frenetisches Game-Jam-Geschieße zum Jahreswechsel ("Techno King"), und mit "Luftrauser" und "Radical Fishing" findet man auch die Blaupausen für die zwei aktuellen Vlambeer-Projekte mit ähnlichen Namen.

Pixelige Karate-Kämpfer aus dem Computerspiel "KARATE".

Vlambeer

Das Ergebnis eines Game Jams: "KARATE"

Harte Pixelburschen

Die Flexibilität bei der Wahl der Spielegenres und -plattformen und die konsequente Verweigerung von zeitraubenden Darstellungsformen (detaillierte Grafik, umfangreiche 3D-Welten, usw.) machen aus Vlambeer eine digitale Dampfmaschine, die ständig aus allen Rohren pafft und schießt. Mit "Serious Sam: The Random Encounter" hat man die überdrehte First-Person-Shooter-Serie mit rundenbasierter Strategie vermählt. Das Klischée des typischen Macho-Spielehelden dekonstruiert Vlambeer durch massive Überhöhung des Protagonisten und seiner Spielewelt auch mit dem Gangsta-Rap geschwängerten "Gun Godz", einer eindeutigen Hommage an "Wolfenstein 3D".

Ein Bildschirm-Foto aus dem Computerspiel "Gun Godz".

Vlambeer

Die Technik von "Wolfenstein 3D", die Waffen von "Doom: "GUN GODZ"

Am 7. Februar war Rami Ismail von Vlambeer im Rahmen der Subotron-Veranstaltung "Indie Games Summit" zu Gast in Wien. Bilder und MP3s davon werden demnächst online gestellt.

Das aktuelle Projekt "Luftrausers" verspricht ein in Grautönen gehaltenes Dogfighting-Game, das, getreu dem Motto der niederländischen Entwickler, schnell, schwer und laut werden wird. Parallel dazu entsteht in Zusammenarbeit mit den Indie-Entwicklerkollegen Greg Wohlwend ("Gasketball", "Solipskier") und Zach Gage ("Spelltower", "Bit Pilot") gerade das skurril-böse Fischer-Spiel "Ridiculous Fishing", bei dem die Jagd nicht nur auf die Angel beschränkt bleibt, sondern auch die Handfeuerwaffe im Boot bereit liegt.