Erstellt am: 6. 2. 2013 - 19:16 Uhr
Afrikacup-Journal '13. Eintrag 16.
Das ist das gewohnte Special innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Begleitung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft der Welt.
Das gesamte Journal '13 wird heuer thematisch die Versprechungen meines Twitter-Profils einlösen: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball.
Klar, dominant ist die Freude über den Sieg der konstruktiven und nach vorne bemühten Spielanlage; die Zustimmung zur Belohnung für das rikante Jugend-Konzept; und natürlich auch das kleine Gefeixe über den persönlichen Geheim-Favoriten, der es aller Risken zum Trotz ins Finale schafft.
Trotzdem sind es nicht all diese (eh schon hier und davor bereits hier gewürdigten) Zutaten, die das erste Halbfinal-Spiel des Afrika-Cups so speziell gemacht haben, sondern die taktischen Unvorhersehbarkeiten, die das Match entschieden hatten.
Stephen Keshi hatte Nigeria für dieses Spiel gegen die als körperlich stark und inhaltlich schwer auszuspielend geltenden Maliens nämlich entscheidens umgestellt. Vor der Viererabwehr und des seit der Hereinnahme des jungen Mbas noch druckvolleren Dreier-Mittelfelds war bislang ein von seiner Wucht an den Dreizack des Neptun erinnerndes Angriff aktiv. Nigeria war die einzige Mannschaft des Turniers, die da mit drei echten (auch aktiv rochierenden) Center-Stürmern unterwegs war (im Gegensatz zu klassischeren Flügel wie Gervinho bei der Côte d'Ivoire).
Victor Moses, die Dame in Coach Keshis Schachspiel
Für das Semifinale löste Keshi diese Gewohnheit auf und stellte den versatilsten seiner Angreifer, Victor Moses von Chelsea hinter die dann nur noch zwei Spitzen (Emenike und Ideye Brown). Moses nützte den Freiraum um mit nicht nachvollziehbaren Vorstößen auf allen Fronten die Abwehr des Mali völlig wund zu spielen. Gleichzeitig blockierte Moses gemeinsam mit seinen Kollegen die zentralen Paßwege, mit denen die malischen Angriffe Seydou Keita in Stellung bringen sollten. Die Flügel wurden durch Moses' leichte Zurücknahme dafür frei für Vorstöße der Außenverteidiger, von denen vor allem Echiejile links trefflich Gebrauch machte. Das alles und ein hartes, recht frühes Pressing setzte Team Mali recht früh matt.
Allerdings kam Keshi auch eine Maßnahme seines Kontrahenten Patrick Carteron entgegen: der hatte aus dem bis dahin gut funktionierenden System mit recht zentriertem Mittelfeld (rund um Sissoko und eben Keita) zwei echten Flügeln und einem starken Centerstürmer für das Halbfinale halbgar umgebaut: der als linker Flügel vorgesehene Mahamadou Traore kam kaum über die Mittellinie, dockte eher an die Zentrale an, weshalb das System meist zu einem übervorsichtigen 4-4-2 verkam.
Das Ende des malischen Stoizismus und der Ära Keita
Das, was die Mannschaft in den bisherigen Spielen zu ausgezeichnet hatte (ihre stoische Defensive, ihr repetativ bis hin zur Ödnis vorgetragenes Spiel, ihre zielsicheren Vorstöße und das Vertrauen auf Standards und Keitas Killer-Instinkt) blieb allesamt in einem aus dem richtigen Rezept der nigerianischen Gegners gewobenen (und durch die eigenen Umstellungen gestärkten) Netz hängen.
Bereits nach einer Viertelstunde trug das Früchte (Ideye Brown hatte die Chance auf die Führung) - ein Doppelschlag in der 25. und 30. Minute entschied das Match dann bereits recht früh vor. Das erste Tor hatte Moses mit einem Genietrick über rechts vorbereitet und von einem Tiefflugkopfball von Echiejile abgeschlossen. Perfekter kann man eine strategische Umstellung nicht krönen.
Team Mali erholte sich danach nicht mehr. Die Wechsel kamen erst nach dem 0:3 und waren nicht weitreichend genug. Flügel Cheick Fantamady Diarra und Cheick Diabaté, der beste Center des Mali brachten noch einmal Leben in die Bude - an der Ausrichtung änderte das nichts.
Keshi konnte es sich sogar leisten Moses, diesmal die Dame seines Spiels, rauszunehmen und mit der Hereinnahme von Musa auf das gewohnte und vor allem sehr konterstarke pure 4-3-3 von davor zurückzustellen. Musa erwischte dann tatsächlich einen Konter und stellte auf 4:0. Sack zu.
Der Geheim-Favorit und der Generationenwechsel
Für den gefühlt ewigen Vierten Mali schaut also maximal wieder ein dritter Platz heraus. Und, nicht böse sein, das ist auch verdient so. Zu uninspiririert, zu sehr auf Boss Keita eingeschossen und zu wechselhaft was Personal (und schlußendlich auch Strategie) betrifft präsentierte sich der ewige Geheim-Favorit dieses Jahr.
Für Nigeria ist schon die Final-Teilnahme eine Sensation: das Gros der Mannschaft ist deutlich unter 25; erstmals seit Menschengedenken waren wieder Talente aus der heimischen Meisterschaft dabei (und nicht die anstrengenden Profi-Diven zweiter Ordnung, die die letzten Jahre für pampige Auftritte und grottige Leistungen gesorgt hatten). Und die Ausrichtung auf Tempogegenstöße, Pressing und präzises Kombinationsspiel zeigt, dass hier tatsächlich etwas für die Zukunft aufgebaut wird - allen sonst branchenüblichen Lippenbekenntnissen zum Trotz.
Egal wer im Endspiel wartet: die Super-Eagles haben die Erwartungen bereits übererfüllt und gehen ohne jeden Druck ins letzte Match.