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6. 2. 2013 - 13:10

Aufstand gegen Supermarkt-Konzern

Lagerhallen im Naturschutzgebiet, Großplantagen im Thermenort: Bürgerinitiativen organisieren sich gegen die Marktmacht eines Supermarkt-Konzerns.

Die Marktmacht von Supermarktketten ist in Österreich stärker ausgeprägt als in anderen EU-Staaten. Im Jahr 2010 kamen die drei größten Handelskonzerne (Rewe, Spar und Hofer) laut Marktanalysen auf einen gemeinsamen Marktanteil von über 83 Prozent. Neue Bauprojekte können diese Konzerne manchmal überraschend leicht durchsetzen. In den letzten Wochen haben sich Bürgerinitiativen und Plattformen von Betroffenen solcher Bauvorhaben formiert. In mehreren Bundesländern protestieren sie gegen verschiedene Großprojekte der Supermarktkette Spar.

24-Stunden-Betrieb im Naturschutzgebiet

Im niederösterreichischen Ebergassing will die Handelskette eines der größten Logistikzentren Europas errichten: 25 Meter hoch auf 44.000 Quadratmetern Fläche. Schätzungen zufolge würde der Betrieb 270.000 LKW- und PKW-Fahrten pro Jahr in die kleine Gemeinde mit 844 Einfamilienhäusern bringen - auch nachts und auch an Sonn- und Feiertagen. 24 Stunden Lärm und Abgase direkt neben und teils sogar in einem "Natura 2000"-Schutzgebiet, das für das geplante Logistikzentrum bereits teilweise umgewidmet wurde.

"Direkt neben dem Logistikzentrum hat die Gemeinde erst vor kurzem ein Freizeit- und Sportgelände für Kinder eröffnet", erzählt Reinhard Ertl von der Bürgerinitiative Kontra Logistikzentrum Ebergassing. Eine Berechnung seitens der TU Wien, wie stark durch das Logistikzentrum die Luft mit Schadstoffen belastet würde, lasse darauf schließen, dass "im östlich liegenden Grünareal ein dauerhafter Aufenthalt von Personen auszuschließen sei".

Geplantes Logistikzentrum

B.I. Kontra Logistikzentrum Ebergassing

Geplantes Logistikzentrum in Ebergassing: Unmittelbar daran angrenzend das Freizeit- und Sportareal für Kinder und ein Naturschutzgebiet.

Untätige Politik

Das Zulassungsverfahren für das Projekt erwecke den Eindruck einer fragwürdigen Allianz zwischen dem Unternehmen und der Regionalpolitik, so Ertl. Obwohl Flächenumwidmungen nicht anlassbezogen sein sollten, sei sie im Fall des Logistikzentrums ganz auf das Projekt zugeschnitten. So wurde unter anderem die zulässige Gebäudehöhe von bisher 15 auf 30 Meter angehoben. Zudem habe es angeblich ein Stillhalteabkommen zwischen Betreiber und Gemeindepolitikern gegeben. "Zuerst sagte uns der Bürgermeister: 'Es gibt kein Projekt. Es gibt erst ein Projekt, wenn es eingereicht wurde'. Und als das Projekt da war, sagte er: 'Die Behörden prüfen. Ich kann nichts machen.'" Der Bürgermeister Ebergassings, Roman Stachelberger (SPÖ), ist derzeit auf Urlaub und nicht erreichbar.

Kein Kompromiss

Alois Huber, Geschäftsführer von Spar in Wien und Niederösterreich, betont, dass er mit der Bürgerinitiative kommuniziere, diese aber jegliche Kooperation verweigere: "Es muss auch von der Bürgerinitiative ein Entgegenkommen geben. Nicht immer nur von uns. Die Auswirkungen des Logistikzentrums - das ist von Amts-Sachverständigen fix - sind nicht gegeben für die Bürger von Ebergassing. Aber wir sind trotzdem gerne bereit, darüber zu reden. Obwohl die Obfrau wortwörtlich gesagt hat: 'Wir wollen keinen Kompromiss, wir wollen euch verhindern'. Insofern tue ich mir schwer, hier weiteres anzubieten".

Übermaltes Werbeplakat

Bürgerinitiative Kontra Logistikzentrum Ebergassing

Kreative Umgestaltung eines Werbeplakates

Die Bürgerinitiative kritisiert, dass der Supermarkt-Konzern ausgearbeitete Verbesserungsvorschläge unberücksichtigt lasse: Flüsterasphalt, lärmdämmende Maßnahmen,Verlegung der Nachtwarteplätze für LKWs mit Kühlaggregaten oder ein permanentes Abschalten der akustischen Rückfahrwarner seien für den Konzern kein Thema. Für Geschäftsführer Huber ist ein Logistikzentrum im Naturschutzgebiet Ebergassing sogar sinnvoller als in einem Industriegebiet: "Es ist das einzige verfügbare Grundstück, wo wir auf dem Weg nach Wien durch keine einzige weitere Ortschaft fahren müssen". Zwar habe die Bürgerinitiative mehrere Alternativen vorgeschlagen, diese seien aber entweder nicht verfügbar, oder würden Autofahrten durch andere Ortschaften mit sich bringen.

Agrarindustrie im Thermenort

In der steirischen Thermengemeinde Bad Blumau unterstützt Spar ein geplantes Riesen-Gewächshaus seines Agrarpartners Futura. Das Gebäude soll einen Kilometer lang und 300 Meter breit werden - Dimensionen, die man eher aus Anlagen in Südspanien kennt. Alle österreichischen Filialen der Lebensmittelkette sollen aus dem riesigen "Mega-Glashaus" mit Gurken, Tomaten und Paprika versorgt werden. Für die Bewässerung der Anlage wollen die Betreiber das Thermalwasser des Ortes anzapfen - und damit mehr Wasser verbrauchen als alle steirischen Thermen zusammen.

Abgekühltes Wasser würde zum Teil ins Thermalwasserbecken zurückgeleitet. Geologen befürchten Schäden, die Bürger dramatische Einbußen im Thermentourismus. Nichtsdestotrotz erging diese Woche ein positiver Wasserrechtsbescheid seitens des Landes Steiermark. Ein dreimonatiger Probelauf wurde genehmigt. Daraus aber, sagt Karl Semmler von der Bürgerinitiative Schützt Bad Blumau, ließe sich nicht ableiten, ob die Therme bei jahrelangem Vollbetrieb des Gewächshauses gefährdet werde. Beim jetzt genehmigten Probelauf würde etwa gar keine Abkühlung des zurückgepumpten Wassers erfolgen.

Pflanzen im Gewächshaus

Pro Blumau

Arbeitsplätze?

Marie Perl, Tourismusvorsitzende von Bad Blumau, spricht von "Existenzängsten" der Bevölkerung: "Die kleinstrukturierten Betriebe haben hier 500 Arbeitsplätze geschaffen. Nun wird für das Gewächshaus damit geworben, dass es 200 Arbeitsplätze schaffe. Aber dass 500 Arbeitsplätze gefährdet sind, die hier im Tourismus existieren, wird immer wieder vergessen".

Der Agrarbiologe Clemens Arvay, Autor des Bestsellers "Der Große Bioschmäh - Wie uns Lebensmittelkonzerne an der Nase herumführen", hält ebenfalls wenig vom "Totschlagargument Arbeitsplätze". Dieses werde immer dann ins Spiel gebracht, wenn ein Projekt seitens der Agrarindustrie anstehe. "In Wirklichkeit ist es so, dass bei solchen Projekten weit mehr Arbeitsplätze zerstört werden, weil ja auch sehr viele Bauern aufhören müssen, die auch Arbeitsplätze schaffen könnten. Und zwar sehr gute Arbeitsplätze, wo die Menschen auch besser behandelt werden.

Die großen Agrar-Produktionsbetriebe stellen hauptsächlich Saisonarbeitskräfte an, die mit 6,40 € massiv unterbezahlt sind und einem sehr schlechten Umgangston ausgesetzt sind". Arvay habe mit Arbeitern im ungarischen Csardahof, einem Partnerbetrieb der Supermarktkette Hofer, gesprochen. "Die Arbeiter fühlen sich erniedrigt. Wüste Beschimpfungen stehen an der Tagesordnung".

Weinbauern unter Druck

Andernorts klagen Winzer über ein massives Weinbauernsterben: Spar würde Bauern immer wieder am Markt befindliche Landflächen wegschnappen. Die Strategie: Der Konzern bietet Bauern fixe Abnahmeverträge an, wenn sie später ihr Land an den Konzern verkaufen.

Die niederösterreichische Winzerin Anna Paradeiser hat mit dieser Art des Landgrabbing schon öfters Bekanntschaft gemacht: "Ein großes Weingut in der Nachbarschaft steht zum Verkauf. Zuerst heißt es, das Grundstück wird zum Verkauf für jeden angeboten. Ein Grundstück, das vielen kleinen Winzern oder mittelgroßen Betrieben geholfen hätte, wieder Vollerwerbs-Winzer zu werden. Und plötzlich heißt es dann: Nein, das Land wird doch nicht zum allgemeinen Verkauf angeboten, es kriegt nur einer. Und dann haben wir erfahren, dass es die Spar-Kette war". Deren Geschäftsführer Alois Huber weiß davon nichts. Er spricht von Kooperationen mit Bauern: "Die Landwirtschaft ist nicht unser ureigenstes Interesse. Sondern wir arbeiten mit den Landwirten in vielen Projekten zusammen".

Von 1999 bis 2009 hat sich die Zahl der Winzereien in Österreich von ungefähr 30.000 auf 20.000 reduziert - in nur zehn Jahren verschwand also ein Drittel der Betriebe. Für den Agrarbiologen Arvay ist dieses Weinbauern-Sterben typisch: Alle großen Supermarktkonzerne Österreichs würden sich immer mehr eigene Partner-Großplantagen heranzüchten, mit denen sie lokale Landwirtschaftsbetriebe in den Ruin treiben.