Erstellt am: 5. 2. 2013 - 11:52 Uhr
Dub in your ears

Bunfire
Wenn Lee "Scratch" Perry in die Stadt kommt, dann ist das eigentlich schon Grund genug, sich den Termin rot im Kalender anzustreichen. Der 76-jährige Exzentriker ist eine lebende Legende (in seinem Fall sind Superlative angebracht) und eine der wichtigsten Figuren der jamaikanischen Musikgeschichte.
Reggae- und Dub-Musik würden ohne Lee Perry anders klingen. Seit den Sechziger Jahren experimentiert er mit Musik, viele seiner Produktionen gelten als zeitlose Klassiker. Bob Marley und die Wailers haben sich durch Lee Perry kennengelernt und verdanken ihm einige ihrer größten Hits.
Sein "Black Ark"-Studio in Washington Gardens, einem Stadtteil von Kingston, war in den Siebziger Jahren Treffpunkt und Homebase für einige der besten Musiker Jamaikas. Hier entstanden Platten für Künstler wie Bob Marley, Max Romeo, U-Roy, Dillinger, Augustus Pablo und viele mehr.
Der Toningenieur als Künstler
In den späten Sechziger Jahren dominieren Ska und Rocksteady die so genannten Dances in Jamaika. Soundsystems sind die Helden der Nacht, mit meterhohen Boxentürmen und exklusiven Songs buhlen Sounds wie Treasure Isle, Downbeat oder King Tubby's Home Town Hi-Fi um die Gunst des tanzwütigen Publikums.
Dem Toningenieur King Tubby gelingt es, aus seinen Parties transzendentale Erfahrungen zu machen. Denn der talentierte Elektrotechniker versteht es wie kein anderer, Equipment zu manipulieren und die Wissenschaft von Akustik und Schall für sich und sein Soundsystem zu nutzen. Er baut Effektgeräte, Equalizer und Mischpulte um und sorgt dafür, dass sein Sound am besten von allen klingt. Man nennt ihn den "Meister am Lötkolben". In jeder Ecke wirken die Bassfrequenzen perfekt, die hohen Frequenzen kommen von Metallhörnern, die er in Bäumen aufhängt. Zeitzeugen berichten von einem Sound, den sie davor und danach nie wieder in dieser Qualität gehört haben.

king tubby
In den frühen Siebziger Jahren werden jamaikanische Toningenieure in den Studios zu Künstlern. Band-Aufnahmen von Musikern werden in Instrumental-Versionen neu gemischt, Schicht für Schicht neu arrangiert, mit Echo- und Delay-Effekten versehen und Schlagzeug und Bass ins Zentrum der Stücke gerückt. Das re-mixing der Songs ist gleichzeitig Geburtsstunde des Remixes, wie wir ihn heute kennen. Künstler wie Lee "Scratch" Perry, King Tubby, Errol Thompson oder Joe Gibbs experimentieren mit Sounds und ergänzen ihre Dub-Versionen mit Geräuschen von Explosionen, Tierlauten, Gewitter, Laser-Effekten oder Sirenen. Auch Loops, die sie mit ihren Bandmaschinen kreieren, sind eine Innovation. Das Album "Blackboard Jungle Dub" von The Upsetters wird zum Meilenstein, da es eines der ersten Dub-Alben ist.
It's a worldwide thing
Dub-Musik verbreitet sich in den Siebziger Jahren rund um den Globus. Vor allem in England ist der neue Sound sehr populär, zahlreiche Bands lassen Dub-Mixes ihrer Songs anfertigen. Auch Punk-Bands und Künstler, die auf den ersten Blick nicht viel mit Reggae zu tun haben.
Der britische Musikproduzent Adrian Sherwood beeinflusst in den Achtziger Jahren Dub-Musik mit seinen Produktionen für Künstler wie Judge Dread oder die Roots Radics.
Nachdem Lee "Scratch" Perry sein Black Ark-Studio abfackelt, weil er dort zu viele negative Geister und Vibes spürt, reist er nach Amerika und England, wo er mit Adrian Sherwood arbeitet. Der hat in der Zwischenzeit sein Label ON U-Sound Records gegründet und macht mit großartigen Produktionen auf sich aufmerksam. In der Folge wird er von Bands wie Depeche Mode, Simply Red, Einstürzende Neubauten und später Nine Inch Nails oder Coldcut für Remixes engagiert.
Dubbing in Vienna
In den Achtziger Jahren entsteht auch hierzulande eine kleine Dub-Szene, bestehend aus Menschen, die sich nicht mit Rock-Musik oder Austro-Pop identifizieren können, weil der Zeitgeist nach Grooves und tiefen Bässen schreit.
Im zweiten Bezirk von Wien richten sich Dubblestandart ein kleines Studio ein, in dem sie an ihren Skills feilen und sich mit der Produktion von Dub-Musik auseinandersetzen. Künstler wie Sugar B. sind dort häufig anzutreffen.
Dubblestandart sind heute, mehr als 20 Jahre nach ihrer Gründung, fixer Bestandteil der weltweiten Dub-Community. Die Wiener Band arbeitet regelmäßig mit Pionieren des Genres wie Mad Professor oder Adrian Sherwood zusammen und veröffentlichen ihre Musik mittlerweile über das deutsche Label Echo Beach.
Lee Perry hat einige Songs mit Dubblestandart aufgenommen, vor ein paar Jahren haben sie mit ihm gemeinsam im Central Park in New York gespielt. Regelmäßig treten sie als Backing-Band für ihn auf und werden das auch beim "Dub Champions Festival" im Wiener WUK tun. Ihr Sound wird live von Adrian Sherwood gemixt. Recht viel besser kann man es nicht machen.
Dub Champions Festival 2013
Heute Abend (5. Februar 13) kommen einige der oben genannten Künstler ins Wiener WUK, das an diesem Tag zum weltweiten Zentrum von Bass-Musik wird.
Der Grammy-Gewinner Lee "Scratch" Perry wird live auftreten und einige seiner großen Hits performen. Dubblestandart werden ihn live begleiten und Songs aus dem eigenen Repertoire spielen.
Wer einem der besten Dub-Mischer auf die Finger schauen möchte, kann das heute tun. Denn Adrian Sherwood wird hinter dem Mixer sitzen und die zahlreichen Kanäle und Effekte live bedienen.
Außerdem kommt das Subatomic Sound System aus New York. Zeitgenössische Vertreter von Dub-Musik, die in ihrer Heimatstadt mit Parties und Produktionen auf sich aufmerksam machen.
Weitere Künstler die im Rahmen des Dub Champions Festival zu sehen sind: Jazzmine Tutum, das Echo Bach Soundsystem, der Wiener Held Sugar B. (Dub Club), Treasure Isle und Baba Sound.
Am 6. Februar geben Stereotyp, Subatomic Sound und Dubblestandart einen Dub-Workshop in den Go!East Studios in Wien. Um dort mitzumachen, muss man sich bei RSVP@DubChampions.com anmelden.
Abschließend treten am 7. Februar Stereotyp, Disrupt (Jahtari) und divsere DJs in der Fluc Wanne in Wien auf.
Man sieht es am Line-Up, hier treffen Generationen aufeinander: Dub-Pioniere und Vertreter zeitgenössischer Bass-Musik, hoffentlich wird das "Dub Champions Festival" zu einer Tradition in Wien.