Erstellt am: 7. 2. 2013 - 13:16 Uhr
Nicht verhungern
Klei Entertainment
Wenn es Nacht wird im Spieleland, ist verlässlich Unheimliches angesagt: Von "Silent Hill" bis "Slender" birgt das Dunkel verlässlich gar grausige Überraschungen für Spieler. Den simpelsten, aber effektivsten Trick zur Spannungserzeugung hat sich "Don't Starve", das aktuell in spielbarer Beta vorliegende Survival-Sandbox-Game der Independent-Entwickler Klei Entertainment, aber vom großen "Minecraft" abgeschaut: In einem unbarmherzigen Tag-Nacht-Wechsel, komplett mit Dämmerung, verwandeln sich harmlose Wäldchen mit einbrechender Dunkelheit in furchterregende Monsterwälder, in denen man nur im Schein der Fackel oder des ängstlich am Flackern gehaltenen Lagerfeuers einigermaßen sicher ist.
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Dabei könnte es so schön sein auf dieser Inselidylle: Häschen laufen herum, Blumen und Gras wiegen sich im Wind und die Wellen umspülen malerisch die schroffen Strände. Es ist der unnachahmliche Stil von "Don't Starve", der der bitterbösen Überlebenssimulation von Anfang an den ärgsten Schrecken nimmt, denn die liebevollen Tuschkarikaturen, die uns die Welt in hübschen 2D-Illustrationen von schräg oben zeigen, erinnern mit voller Absicht an die düster-komischen Fantasiewelten von Tim Burton.
Oder aber, um noch genauer zu sein, an Burtons große Inspiration, das Werk des US-Illustrators Edward Gorey, dessen unnachahmliche Mischung aus rabenschwarzem Humor und vermeintlich kindlicher Naivität sowohl für Burtons Animationen als auch die grausame Welt von "Don't Starve" Pate gestanden hat.
Sterben für Fortgeschrittene
Von einem bösen Dämon in der Wildnis ausgesetzt, sind wir in der Figur des schüchternen Wissenschafters Wilson von Anfang an auf uns allein gestellt. Der Titel des Spiels ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, denn regelmäßige Nahrungsaufnahme ist essenziell - doch um zu verhungern, muss man erst einmal lange genug die anderen Gefahren überleben, die überall in hinterfotziger Niedlichkeit auf uns lauern: Böse Spinnen, Wer-Schweine (!), Geister, Waldbrände oder schlicht verdorbene Mahlzeiten führen mit absoluter Sicherheit früher als später zum Exitus des kleinen Wissenschaftlers, der sich mit fortschreitendem Überleben auch äußerlich durch Dreitagebart zum Westentaschen-Robinson verwandelt.
Vorsicht ist trotz aller Niedlichkeit geboten: Dank Permadeath-System steht man nach dem jeweiligen unrühmlichen Ende tatsächlich wieder ganz am Anfang des Abenteuers - nur die bis dahin erforschten Crafting-Rezepte bleiben erhalten.
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Schaffe, schaffe
Das ist auch gut so, denn das Sammeln und Kombinieren der auf der Insel zu findenden Rohstoffe ist die fordernde Hauptbeschäftigung in "Don't Starve". Ebenfalls wie in "Minecraft" lassen sich die gefundenen Materialien abbauen, sammeln und zu nützlichen Werkzeugen und Gegenständen neu kombinieren. In dieser schrittweisen Erforschung von Crafting und Umwelt liegt auch der Hauptreiz des schicken Inselabenteuers: Aus Stöckchen und Feuerstein basteln wir eine primitive Axt, mit der wir Bäume fällen können, aus den daraus gewonnenen Scheiten und Grasbüscheln bauen wir uns das für die Nacht essenzielle Lagerfeuer und so weiter - bis hin zu komplexen Gerätschaften wie Fallen oder alchemistischen Maschinen.
Die jedes Mal neu generierte Inselwelt bietet auch so einige bizarre Überraschungen und erstaunliche Interaktionsmöglichkeiten - vom Gemüseanbau über die Imkerei bis hin zu absurd-elaborierten Kochrezepten lässt sich mit zunehmender Überlebensdauer so einiges entdecken.
Dabei entwickelt der Überlebenskampf des kleinen Wilson eine erstaunliche Suchtspirale: Wie üblich in Spielen, die vom ewigen Underground-Klassiker-Genre der Rogue-likes inspiriert sind, ergeben Zufallsgenerierung und gestrenger Permadeath eine unwiderstehliche Mischung aus haarsträubenden, immer neu zufällig entstehenden Abenteuern und adrenalintreibenden Angstmomenten. Freispielbare alternative Figuren mit speziellen Fähigkeiten sorgen für die nötige Langzeitmotivation.
Klei Entertainment
Early Access als Erfolgsrezept
Die Entwickler Klei Entertainment, bis vor kurzem hauptsächlich durch den Cartoon-Brawler "Shank" und das großartige "Mark of the Ninja" bekannt, bedienen sich aber in ihrer wunderbar verschrobenen Survival-Sandbox nicht nur spielmechanisch beim ewigen Indie-Vorbild "Minecraft", sondern auch geschäftstechnisch: Auch "Don't Starve" lässt seine Spieler zu einem moderaten "Early Access"-Preis bereits in fortgeschrittener Betaphase ins Spiel.
Wie bei "Minecraft" haben Käufer der Beta nicht nur die Chance, schon jetzt im einwandfrei spielbaren "Don't Starve" auf Probe zu verhungern, sondern werden durch die nachverfolgbaren Updates und das konstante Feintuning enger an die Spielentwicklung gebunden, als dies bei anderen Titeln möglich ist.
"Don't Starve" ist via Steam oder als Browserspiel für Chrome zum reduzierten "Early Access"-Preis für Windows und Mac erhältlich.
Der einzigartige Erfolg von "Minecraft" wird sich aber wohl nicht so leicht kopieren lassen: Das Erbauen eigener Strukturen (bis hin zu ganzen Welten), das in "Minecraft" für schier endlose Langzeitmotivation sorgt, spielt in "Don't Starve" eigentlich gar keine Rolle. Es bleibt abzuwarten, wie Klei Entertainment seine sympathische Survival-Sandbox mit dem unnachahmlichen Stil auf längere Sicht spannend gestalten will; auf der Roadmap bis zum finalen Release stehen aber noch durchaus spannende Ideen wie ein "Sanity-Meter", Jahreszeiten oder ein Story-Modus.
Doch wie bei "Minecraft" steht auch schon jetzt, mehrere Wochen vor dem finalen Release, ein überraschend vollständiges und vor allem originelles Spiel bereit: Für den Preis, der aktuell für den "Early Access"-Zugang zur Beta verlangt wird, erhalten Independent-Freunde schon jetzt ein umfangreiches und charmantes Stück Überlebenstraining mit Stil und viel schwarzem Humor.