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8. 2. 2013 - 12:11

My Reality: Buch des Himmels

Künstler Qiangang Li erzählt, warum er sich in seiner Wahlheimat stärker allein fühlt, als in der Millionenmetropole Shanghai und berichtet über sein Coming Out und seine literarische Arbeit.

Mein Name ist Qiangang Li. Ich wurde 1980 als zweiter Sohn in Shanghai geboren. Glücklicherweise zu einer Zeit, als die Ein-Kind-Politik in China noch nicht sehr streng durchgeführt wurde. Da mein Vater wegen der Kulturrevolution in seiner Jugend keine Karriere als Künstler beginnen konnte, hat er seine Hoffnungen auf meinen Bruder und mich gesetzt.

Quiangang Li

Quiangang Li

So habe ich schon mit sechs angefangen zu malen und dann in Shanghai an der Kunstschule und später an der Kunstakademie studiert. Mit 17 Jahren habe ich ganz plötzlich begonnen Gedichte zu schreiben. Die Muse der Poesie beeinflusst seitdem die Ästhetik und die Perspektive meiner Kunst.

Es wird manchmal gesagt, dass das Schicksal unser Leben ändert. Im Jahr 2000 lernte ich meinen Lebenspartner Martin Mayr kennen, der damals als Sinologiestudent in meine Geburtsstadt gekommen war. Nach zwei Jahren gemeinsamen Lebens in Shanghai haben wir uns entschieden nach Österreich zu ziehen.

Im Jahr meiner Ankunft in Wien wurde ich in die Szenographieklasse von Erich Wonder an der Akademie der Bildenden Künste aufgenommen. Dort habe ich vier intensive Studienjahre verbracht, wodurch meine Augen für zeitgenössische Kunst, Theater, Film, Tanzperformances, Musik und Literatur weiter geöffnet wurden.

Rauchende Frau

Quiangang Li

Aller Anfang ist schwer. Der Spruch gilt natürlich auch für mich. Die ersten paar Jahre in Österreich waren lang und nicht leicht für mich. Martin arbeitete viel im Ausland, kam teilweise nur aller zwei Wochen nach Hause, und so fühlte ich im Leben zum ersten Mal starke Einsamkeit. Meine Kunst litt den Schmerz der Wiedergeburt. Ich habe mich aber nicht fallen lassen, stattdessen habe ich mich selbst in Ruhe konfrontiert, vertiefte meine Perspektive mehr in die Kunst und in die Worte.

My Reality: Buch des Himmels
Am Samstag, 9.2. von 12 bis 13 Uhr mit Riem Higazi

Zwischen 2003 und 2008 habe ich das "Buch des Himmels" auf Chinesisch verfasst. Der Titel war eigentlich zynisch gemeint, als ironische Anspielung auf unverständliche Geschichten von Kindern in der Umgangssprache Chinas. Meine Gedichtsammlung ist ein avantgardistisches Experiment, sie besteht aus dreißig sprachlichen und drei symbolischen Gedichten. Derek Jarman, Jeff Buckley, Francis Bacon, Jean-Michel Basquiat, M. C. Escher, David Cronenberg, Johnny Depp, John Cage, Nick Cave usw. Sie alle waren wichtige Bezugspunkte und Referenzen, sie bilden ein kulturelles "Kaleidoskop".

Quiangang Li, Buch des Himmels

Quiangang Li, Letter P

Vier Jahre später wurde das Buch unter meinem Künstlernamen Q. G. Li vom Verlag Letter P veröffentlicht. Als Illustrationen kamen viele meiner Zeichnungen aus einem Zeitraum von zehn Jahren hinzu. Jedes Gedicht wurde von zwei Übersetzern - Lea Pao und Alexander Ludwig - übertragen und interpretiert. So soll für meine Leser ein vielseitiger Zugang zum chinesischen Original möglich werden. Im Jahr 2013 habe ich vor, mein erstes Buch weiter zu präsentieren. Außerdem möchte ich meine Malerei mehr entwickeln. Ein neues Buch habe ich auch schon im Hinterkopf.

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