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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

4. 2. 2013 - 17:56

Sounds of the Universe

Das CTM Festival Berlin - das Schwesterfestival zur Transmediale - überzeugte wieder einmal durch großartiges Line-Up. Elektronik an allen Schnittstellen.

Dass das Berghain mit wie in der Bibel verankerter Sicherheit und schöner Regelmäßigkeit nicht nur zum besten Club Deutschlands, sondern auch gleich der ganzen Welt erkoren wird, hängt natürlich nicht bloß mit der wuchtigen Imposanz dieses Prachtbaus zusammen, nicht bloß dem sagenumwobenen Sound und dem Hype, der sich längst schon verselbstständigt hat, sondern klarerweise auch mit dem Programm. Es wird ja hier, das wissen Außenstehende oft nicht so genau, nicht nur tagelang hochhedonistisch abgeraved, sondern es werden auch feingliedrige Konzerte und Darbietungen von abstraktem Knistern abgehalten. Das CTM Festival, das Sonntag Abend zu Ende gegangen ist, vereint die Pole von experimentell zerbröselter Listening-Elektronik und nach vorne blickender Tanz-Musik perfekt und verwischt die Übergänge; einer der Hauptschauplätze dieses Abhörens von Musik aus der Zukunft war vergangene Woche das Berghain samt angegliedertem kleineren Nebenfloor, der Berghain Kantine.

Lee Gamble

CTN/Marco Microbi

Lee Gamble
Heatsick

CTM/Marco Microbi

Heatsick

Das CTM Festival ist das Schwesterfestival der zeitgleich in Berlin stattfindenden Transmediale, die sich tagsüber mit Medienkunst und digitaler Kultur auseinandersetzt; das CTM bietet dazu die Beschäftigung mit Musik, die sich dann naturgemäß eher des Nachts und in den Clubs abspielt. Das CTM Festival lief dieses Jahr eine Woche lang unter dem Schlagwort "The Golden Age", Unterzeile "Festival For Adventurous Music And Art". Dieses "The Golden Age" und das "Adventurous" mögen hier zunächst ein wenig hochtrabend anmuten, sind aber in Wahrheit keine Übertreibung. Das Line-Up des Festivals war reich und qualtitativ schon in einem besseren Morgen angekommen.

Christiane Rösingers alljährlicher Besuch der Transmediale

Einer der erwartbaren Höhepunkte des diesjährigen Festivals war die Label-Nacht der Berliner Labels PAN. Nicht umsonst hat das von Bill Kouligas betriebene Label in den letzten ein, zwei Jahren die Diskussion zu elektronischer Musik mitdominiert und sich Ende 2013 auch in nicht wenigen Jahresbestenlisten auf einem der vorderen Plätze wiedergefunden. Bei der PAN-Nacht im Berghain formten Produzenten wie Lee Gamble, Mark Fell, Keith Fullerton Whitman oder Heatsick mit ihren Auftritten eine verwunderliche, aber gleichzeitig komplett stimmige Klangwolke, in der waberndes Dröhnen, beatgewaltige Hardcore-Attacken, kaum tanzbares Fiepsen und Zischen und wie durch vierhundert Schichten Staub aufgenommen Restspuren von Techno zueinander fanden.

Party

CTM/Thomas Kaske

Ebenfalls fantastisch war der Auftritt von Holly Herndon tags darauf, ebenfalls im Berghain: Die amerikanische Künstlerin hat vergangenes Jahr mit ihrem Debüt-Album "Movement" beim ebenso sehr guten New Yorker Label RVNG Intl. eine Platte des Jahres vorgelegt. Eine Platte zwischen Cyborg-Kunstlied aus dem Äther und Techno-Minimalismus, eine Platte, für Menschen, denen Julia Holter und Laurel Halo noch zu sehr Pop sind.

Holly Herndon

CTM/Marco Microbi

Holly Herndon

Live konnte man Holly Herndon dabei zusehen - und hören wie sie in Symbiose mit ihrem Laptop und Mikrofon in der Hand atemberaubende Stimm-Manipulationen vollführte, die im Inneren des Clubs eine ganz und gar neue, nach dem Schillern einer Seifenblasenhaut klingende Welt errichteten.

Insgesamt schienen sich so einige der auftretenden Musikerinnen und Musiker darüber Gedanken gemacht zu haben, was das denn bedeuten kann und soll - oder eben auch nicht: "Live"-Spielen als Produzent von elektronischer Musik. Mark Fell und Florian Hecker beispielsweise waren gleich gar nicht auf der Bühne aufgetaucht, sondern versteckten sich auf der gegenüberliegenden Seite hinter dem Mischpult des Tonmanns und ließen von dort aus die Musik sprechen.

Der englische Produzent Forest Swords, ein Mann von dem in Zukunft wohl noch viel zu hören sein wird, setzt auf Platte in seinem verspukten Post-Step-Geklappere verstärkt auf in den Mix geschnittene Sounds aus Saiteninstrumenten und hölzern und morsch daherkommende Klopfgeräusche, was seiner Musik eine seltsame, ganz und gar einnehmende Ambivalenz aus weirder Science und angestaubter Kammer-Musik verleiht. Für seine Live-Performance beim CTM Festival bekam Forest Swords an seinen Maschinen Unterstützung von einem Mann mit echt umgeschnalltem E-Bass. Eine Duo-Besetzung, die man wahrscheinlich auch nicht alle Tage sieht.

Forest Swords

CTM/Marco Microbi

Forest Swords

Es war aber beim weitem nicht alles herrliches Gezischel und Gebrumm beim CTM Festival: Pantha Du Prince präsentierte mit dem Bell Laboratory im Hebbel am Ufer den Glockenwohlklang des Albums "Elements of Light", die dänischen Hardcore-Erneuerer Iceage zeigten bei ihrem Auftritt, dass sie in Hinblick auf Professionaliät und Arroganz vielleicht doch noch ganz einfach sehr junge Burschen sind. Am Samstag durfte im Stattbad Wedding zu DJ-Sets von Skream und Anika oder auch einem Live-Auftritt der Simian Mobile Disco an alten, ehrwürdigen Kisten noch äußerst solide der Dancefloor gewischt werden, am Sonntag führten die Doom-Futuristen von Sunn O))) mit ihren Drones dann noch eine gehörige abschließende Lautstärken-Vermessung durch. Falls man es wieder einmal vergessen hatte - nach dem CTM Festival durfte man es wissen: Es gibt keine Grenzen, bloß uns selbst.