Erstellt am: 4. 2. 2013 - 10:51 Uhr
Style ade?
Ein 41-jähriger schaut aus der Startluke des Air&Style-Kickers raus. Seit Jahren ist er keine so große Schanze mehr gesprungen und dennoch kann ihn nichts davon abhalten heute hier teilzunehmen. Der Tiroler Max Plötzenender ist ein Snowboard-Urgestein, schon beim ersten Air&Style Contest im Jänner 1994 war er am Start. Jetzt, fast zwanzig Jahre später, brüllt ihn das Publikum schier nach unten, gespannt, was er ihnen diesmal zeigen wird.
"Die jungen Snowboarder sind gut, aber Style ist was anderes. Wenn man Max Plötzeneder sieht, wie der da waagrecht rausschießt! Er steht nicht alles, aber das ist einfach was anderes. Er fährt Kamikaze, hat keinen Helm auf, versucht irgendwie über die Schanze runterzukommen, aber es schaut einfach cool aus."
Max Plötzeneder ist übrigens der Fahrer mit der gelben Hose bei 1:57
Max Plötzeneder ist einer von 23 ehemaligen Air&Style Fahrern, die von den Veranstaltern am Vorabend des großen Contest zu einer "Style Session" eingeladen wurden. Mit dabei sind auch Snowboard-Legenden wie Terje Håkonsen, Jamie Lynn oder Stefan Gimpl, der einzige Fahrer, der den Air&Style bisher dreimal gewinnen konnte. Im direkten Vergleich kann man sie mit den aktuell besten Snowboardern sehen, die Minuten zuvor einige ihrer Tricks ausgepackt haben. Old-School-Style oder State-of-the-Art-Snowboarding? Oder, wie es Reto Lamm formuliert, der Sieger des allerersten Air&Style und Präsident der World Snowboard Tour: "Die Jungs sind heutzutage Spitzensportler, früher waren wir eher Lifestyle-Propheten". Das Publikum, das sich an diesem Abend auch über mehrere Generationen erstreckt, wird sich heute nicht einig.
Was ist Style?
Fast keine Frage im Snowboarden ist so schwer zu beantworten und so umstritten wie die, was Style eigentlich ausmacht? Der Vorarlberger Gigi Rüf, dem immer wieder der Beiname "Style Master" angehängt wird, zweifelt daran, dass Style überhaupt messbar ist. Wenn, dann wäre Style im Erfinderischen zu verorten. Aber hat ein ewig langer 180er mehr Style als perfekt getimte, technisch schwierige Rotations?

Air&Style
Detail am Rand:
Dass die einzige Rolle, die Frauen bei diesem Event spielen dürfen, die der Models ist, die neben den Fahrern gut aussehen sollen, ist nicht nur stillos, sondern sexistisch. Dass man über das Aussehen der Frauen dann auch noch live abstimmen kann, setzt dem noch die Krone auf.
Betrachtet man die Arbeit der Judges, scheint die Antwort klar. Ausgehend davon, dass sie Style in ihren Wertungen nicht komplett ignorieren, muss man feststellen, dass immer die Fahrer mit den technisch schwierigsten Tricks ganz oben vom Siegertreppchen lächeln. Alle großen Big Air Contests dieser Saison wurden mit einem Triple Cork 1440 gewonnen, der Air&Style in Peking, der Evolution Contest in Davos und die X-Games in Aspen.
"Aber bei Contests sei das noch nie anders gewesen", winkt Terje Håkonsen ab, der beim Air&Style 1995 die ZuschauerInnen mit einem gestreckten 360er in Erstaunen versetzt hat. Um hohe Wertungen zu bekommen müsse man technische Tricks zeigen, am besten mit viel Style. Dass bei Contest die technischen Tricks dominieren würden, liege einfach am Format. Wenn nur ein Sprung in die Wertung kommt, sei es logisch, dass die Fahrer sich für den technischen und nicht für den stylischen Sprung entscheiden. Ein anderes Contestformat könne aber den Style wieder mehr zurückbringen.
Jede Runde Vollgas
Beim Air&Style in Innsbruck ist das Format Head-to-Head. Die 24 weltbesten Rider werden einander schon in Runde 1 als direkte Gegner zugelost, Zurückhaltung ist hier fehl am Platz. Mark McMorris, einer der aktuellen Snowboard-Shooting-Stars, richtet sich auf "a lot of flipping and spinning" ein und hält einen Backside 1260 oder einen Cab 1260 in seiner Trickpocket bereit. Dass hier Triple Corks fallen werden, bezweifelt er, denn dafür wäre die Schanze, die einst die größte in der Snowboard Szene gewesen ist, einfach zu klein.
Dass man auch mit Double Corks, 1260ern oder 1440ern weit kommen kann, davon ist auch Werni Stock überzeugt, der Zillertaler, der wegen einer Verletzung noch nicht rechtzeitig fit für den Contest geworden ist. Bezüglich Triple Corks widerspricht er allerdings McMorris: "Ich glaube, wenn einer mit einem Triple Cork anfängt, dann werden natürlich die anderen nachziehen und das wird am Samstag sicher der Fall sein."
Ståle Sandbech öffnet Pandoras Kiste
Der Fahrer, den Werni Stock im Vorfeld besonders stark eingeschätzt hat, eröffnet dann auch den Triple-Cork Reigen, und zwar schon in Runde 2, Ståle Sandbech aus Norwegen. Den ersten Versuch kann er noch nicht landen, den zweiten stellt er dafür ganz sicher in den Schnee und erzielt die erste Wertung über 90 Punkte. Wie prophezeit halten sich jetzt auch die anderen Fahrer nicht mehr zurück und sogar Clemens Schattschneider, von dem ich bisher noch keinen Triple Cork gesehen habe, versucht ihn in den Schnee zu setzen, stürzt allerdings.
In Runde drei kommt es dann zum großen Showdown der beiden Favoriten Mark McMorris und Ståle Sandbech, wo beide ihre Triple Corks perfekt landen können. Sandbech zieht allerdings den Kürzeren, weil er seinen Bonus-Trick am Downrail versemmelt.
Schneefall verdirbt das Finale
Alle Videos vom Contest gibt es hier.
Nach all dem Hype um die Triple Corks ist die Ausgangssituation im Finale fast schon kurios: Nur einer der Finalisten hat während des Contests überhaupt einen Triple Cork probiert, nur einer über 90 Punkte erzielt. Vorteil Mark McMorris.
Doch der starke Schneefall in Innsbruck macht dem 19-jährigen Kanadier einen Strich durch die Rechnung. Zweimal kann er den Trick, den er bis jetzt so souverän hingesetzt hat, nicht landen, und muss deshalb auf den bereits angekündigten Cab 1260er zurückgreifen, mit dem er allerdings keinen der anderen Finalisten mehr vom Podium stoßen kann.

Air&Style
So gewinnt Eric Willett, mit 25 bereits der älteste Fahrer im Feld, mit einem Switch Backside 1260er den Air&Style vor dem Big Air Champion der WST Sebastian Toutant und Aleksander Ostreng.
Das Ende des Triple Hypes?
Ein Podium ohne Triple Cork bedeutet nun nicht, dass andere Tricks die Judges mehr überzeugt hätten. Einzig die beiden Triples von Sandbech und McMorris haben Wertungen über 90 erzielt, während selbst Willetts Finalsprung knapp darunter gelegen hat. Interessant sind aber die Aussagen von Sebastian Toutant bei der Pressekonferenz nach dem Contest. Angesprochen, warum er in seinem letzten Versuch, bei dem es um den Sieg gegangen ist, denn keinen Triple versucht hat, antwortet er.
"I just didn't feel like trying a triple cork. I thought the jump was too small, and to be honest it's nice to have a podium that doesn't include a triple cork," und weiter "I think they're going to be a big part of riding from now on, so it was nice to just try a style trick instead."
Mit dem Style Trick, den er zum Schluss nicht landen konnte, meint er einen Double Cork 1260 Melon, also auch ganz am hohen Ende der Technikskala. Bei Ansagen wie diesen muss ich daran denken, was mir Air&Style-Gründer Andrew Hourmont vor drei Wochen erzählt hat: Die Entwicklung des Sports könne man nicht so einfach aufhalten und die Style-Diskussion ist für sie schon auf einem ganz anderen Level.
Die beste Antwort auf die Frage, was Style ist, hat an diesem Wochenende wohl Marko Grilc, Sieger der Style-Session am Freitag: "Style for me is what you saw here today, snowboarding from the beginning till now."