Erstellt am: 29. 1. 2013 - 14:30 Uhr
Der Wind mit seiner Antwort
NASA / Radio FM4
Clean, Green & Forever
Die Woche der erneuerbaren Energien auf FM4.
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Die Leiter - hunderte Metallzinken gerade so breit wie ein Fuß und direkt entlang zentimeterdicker Stromkabel, der Lift - ein kleiner Käfig.
Um ein Windrad zu besichtigen, heißt es, ich müsse schwindelfrei sein. Kein Problem, meine ich, bereue meine Worte allerdings schon, als ich am Fuß der Windkraftanlage Potzneusiedl 7 stehe. Vor mir ragt ein 114 Meter hoher Betonturm in die Luft, oben drauf sitzt eine Gondel, an der wiederum drei Rotorblätter mit einem Durchmesser von 70 Metern befestigt sind und sich leise surrend im Wind drehen.
Martin Fliegenschnee-Jaksch / IG Windkraft
Ich blicke gen Himmel, der Turm scheint sich zu neigen, doch ich weiß, das ist nur eine optische Täuschung. Schlimmer ist es, von oben nach unten zu schauen. Also beschließe ich, das nicht zu tun, lasse Richard Distl, der für den Betrieb der Anlage verantwortlich ist, noch einmal meine Sicherheitsgurte prüfen und steige auf die erste Sprosse.
Als wir ein paar Schweißausbrüche später die Dachluke der Gondel öffnen, fühle ich mich für alle Mühen und Ängste entlohnt. Es ist neblig, wir sehen keinen Kilometer weit, aber ich weiß, im Westen müsste irgendwo Bruck an der Leitha liegen und im Süden der Neusiedlersee.
Martina Stoll / ImWind GmbH
Von hier aus sollten sich nun ein paar Grundsatzfragen zur Windenergie klären lassen. Sie gilt als sauber, gratis und unerschöpflich, doch wieviel von ihren Kapazitäten sind tatsächlich nutzbar? Kann sie unseren Strombedarf je auch nur annähernd decken? Wie funktioniert ein Windrad überhaupt? Fallen ihr wirklich Vögel zum Opfer? Und ab wann rentiert sich der Betrieb eines Windrads?
ImWind GmbH
Martina Stoll, ImWind GmbH
Wie funktioniert's
- Österreichweit drehen sich derzeit 763 Windräder, und versorgen 787.404 Haushalte mit Strom. Bis 2020 soll diese Leistung verdreifacht werden.
Vereinfacht ausgedrückt wird der Wind über die Turbine in Rotationsenergie umgewandelt und ein Generator erzeugt daraus Wechselstrom, der ins öffentliche Netz eingespeist werden kann. Auf diese Weise produziert die 2-Megawatt Windkraftanlage in Potzneusiedl im Jahr etwa 4 Millionen Kilowatt-Stunden Strom und versorgt damit fast 1150 Haushalte.
Damit gehört sie mittlerweile zu den kleineren Anlagen. Nicht weit entfernt stehen zwei 7-Megawatt-Windräder, die bis zu 4000 Haushalte erleuchten können. Die Entwicklung geht also dahin, dass immer weniger Windräder immer mehr Elektrizität erzeugen.
In Österreich deckt die Windenergie derzeit knappe 5 Prozent des gesamten Strombedarfs. Langfristig können etwa 15 Prozent erreicht werden. Mehr werden die windreichen Standorte im Osten Österreichs aber nicht hergeben. Selbst Betreiber von Windkraftanlagen wie der Geschäftsführer der ImWind Group Johannes Trauttmansdorff sagen, dass Windenergie niemals eine alleinige Stromversorgung sicherstellen können wird.
Strommix und Systemwandel
"Wir brauchen Strom auf Knopfdruck und nicht nur dann, wenn der Wind geht", so Trauttmansdorff, "daher wird Windenergie immer nur im Strommix mit anderen Energieformen wie Wasserkraft, Photovoltaik und Biogas, Biomasse bereitgestellt werden können, und solange das Energiesystem im Wandel ist eben auch auf kalorischer Basis mit Öl, Kohle und Gas."
Um diesen Strommix zu ermöglichen, sind mit der Novelle des Ökostromgesetzes 2012, genaue Mengen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien festgelegt worden. Für die Windenergie sind das bis 2020 plus 2000 Megawatt Leistung, was der Windindustrie nach langer Zeit wieder etwas mehr Planungssicherheit gibt.
Gegenwind für die Windkraft
- Diese Landkarte verzeichnet alle Standorte von Windrädern in Österreich.
Obwohl diese Form der Energiegewinnung auch in der Bevölkerung ein gutes Image hat, gibt es gegen sie immer noch Vorbehalte. Windräder seien zu laut, heißt es von GegnerInnen, und sie verschandelten die Landschaft. Windparkbetreiber müssen daher genaue Grenzwerte für Schallemissionen einhalten - im Burgenland z.B. muss der Abstand zwischen Wohngebiet und Windpark mindestens 1000 Meter betragen - und ohne Zustimmung des zuständigen Gemeinderats darf ohnehin kein Windrad errichtet werden.
ImWind GmbH
- Auch für Fledermäuse stellen Windkraftanlagen eine Gefahr dar. Oft können sie die Druckunterschiede in der Umgebungsluft nicht ausgleichen und sterben daran.
Ein weiteres Argument gegen Windräder ist, dass sie eine Gefahr für Vögel darstellen, bzw. generell Einfluss auf die umliegende Tierwelt nehmen. Auf den Feldern unter dem Turm sehe ich zwar jede Menge Rebhühner im Schnee sitzen und Feldhasen hoppeln durch den Schnee, doch Richard Distl erzählt, dass er hier schon mal einen toten Vogel gefunden hat, der mit einem der Rotorblätter kollidiert sein muss. Es sei allerdings ein Singvogel gewesen, der - so hart es auch klingen möge - nicht populationsrelevant sei.
Organisationen wie Birdlife können zahlreiche Studien zum sogenannten Vogelschlag vorlegen. Gleichzeitig gilt es als erwiesen, dass jeder Handymast sowie jede Hochspannungsleitung und Autobahn, angeblich sogar jede Hauskatze jährlich mehr Vögel tötet als ein Windrad. Bei gefährdeten Arten wie Kaiseradler oder Großtrappe bedeuten aber schon geringe Zahlen große Verluste. Daher werden in Österreich für jeden geplanten Windpark Gutachten zu Umweltverträglichkeit und anderen Faktoren wie militärische Radarüberwachung oder Luftfahrt erstellt.
Kosten und Nutzen
Bei Erneuerbaren Energien stellt sich zudem immer die Frage nach Kosten und Effizienz.Anders als bei fossilen Großkraftwerken rentiert sich der Betrieb eines Windrads energiemäßig bereits nach kurzer Zeit. Die Energie, die für Herstellung, Transport und Installation einer Anlage verbraucht wird, ist je nach Standort innerhalb von 4 bis 15 Wochen wieder hergestellt. Um die Investitionen auszugleichen, muss ein Windrad dagegen etwa 15 Jahre laufen.
- Ein österreichischer Haushalt zahlt für Windstrom durchschnittlich 5 Euro im Jahr.
Für jede Kilowatt-Stunde Windstrom erhalten Betreiber in Österreich aktuell knapp 9,5 Cent. Konventionell erzeugter Strom liegt bei 5 Cent. Würden allerdings Öl-, Kohle- oder Gas-Kraftwerke die Kosten für ihre CO2-Emissionen und Abfälle einberechnen, wäre Strom wesentlich teurer.
Im Tarif für Windstrom sind die Kosten für den Abbau einer Anlage dagegen schon eingerechnet. "Man muss nur ein paar Schrauben drehen, und weg ist es", sagt Trauttmansdorff, "es gibt keinerlei langfristige Auswirkungen auf die Umwelt".
Im Gegenteil. Allein der Windpark Potzneusiedl spart im Vergleich zu Energiegewinnung auf kalorischer Basis jährlich mehr als 36.000 Tonnen CO2.