Erstellt am: 31. 1. 2013 - 12:30 Uhr
Flying High
Gefühlt jahrelang hing in der Vogelweiderstraße in Salzburg ein Werbeplakat, dass behauptete „Sie fahren besser mit Denzel Salzburg“. Irgendwann hatte jemand eine ziemlich gute Idee und einen wasserfesten Stift, strich „Salzburg“ durch und malte „Washington“ drüber. Ab sofort kann man auch noch „fahren“ durch „fliegen“ ersetzen, denn nach „Crimson Tide“ (U-Boot) und „Unstoppable“ (Zug) , nachdem er also Verkehrstüchtigkeit unter Wasser und zu Lande bewiesen hat, geht Denzel Washington in "Flight" in die Luft und wurde mit einer Oscar-Nominierung bedacht. In Robert Zemeckis reumütigem Läuterungsdrama schlüpft er als Whip Whitacker in eine schneidige Pilotenuniform, nicht aber ohne zuvor im Flughafenhotelzimmer einen draufzumachen.
constantin
Des einen Freud, des anderen "Flight"
In der Anfangsszene von "Flight" stecken wahrscheinlich mehr Drogen und Nacktheit als in Zemeckis' bisherigem Oevre. Nicht nur entsteigt dem zerwühlten Lakenberg eine nackte Frau und quert die Leinwand - eine Seltenheit im amerikanischen Mainstreamfilm, wo eigentlich beim Sex der BH angelassen wird - der schummrig beleuchtete Raum ist auch ein Suchtmittel-Diorama. Whiskeyreste, Joints und Kokain umgeben den noch (schlaf)trunkenen Whip. Nach zwei Lines Kokain und einer großen Sonnenbrille auf der Nase schaut die Welt aber gleich anders aus und Whip schwebt mit der Verve eines "Ocean's Eleven"-Gentlemengauners den Hotelgang entlang.
Constantin
Der Flug, der ihm bevorsteht, wird sein Leben ändern. Ein technischer Schaden der Maschine zwingt Whip zu einem spektakulären Manöver, er dreht zunächst die Passagiermaschine auf den Kopf und notlandet dann - wieder "richtig" gedreht auf einem Feld. Eine brilliante Schnapsidee. Atemberaubend inszeniert Zemeckis die Katastrophe, um dann mit langem Atem zum eigentlichen Kern seines Films zu kommen, der persönlichen Bruchlandung und Selbstfindung des Piloten. Auf den Crash mit dem Flugzeug, folgt die berufliche und persönliche Demontage. Er wird, als er im Krankenhaus erwacht, als Held gefeiert, doch es ist ein Heldentum auf Zeit. In seinem Blut wurden Alkohol und Drogen festgestellt und auch, wenn er vielen Menschen das Leben gerettet hat, so verlangt ein Flugzeugabsturz mit sechs Todesopfern nach einer genauen Klärung der Sachlage. Und eventuell einem Sündenbock, weil Piloten ist eben doch einiges verboten.
Constantin
Die virtuos inszenierte Katastrophe in der Luft zeigt Zemeckis Talent für Timing und fast altmodisches Balancehalten zwischen Drama, Action und dem genau portionierten Einsatz von Spezialeffekten. Während dieser Sequenz wartet man geradezu darauf, dass einem Sauerstoffmasken vor dem Gesicht zu baumeln beginnen. Es ist Denzel Washingtons wunderbarem Spiel zu Verdanken, dass einem "Flight" (zunächst) nicht vollends mit einem moralinsauren Valiumcocktail betäubt. Washington packt Arroganz, Überheblichkeit, Wut, Angst und Verzweiflung in seine Darstellung eines alkoholkranken Mannes. Weniger nuancenreich als Washingtons Spiel ist über weite Strecken allerdings das Drehbuch von John Gatins und die Regie von Robert Zemeckis.
Kelly Reilly bemüht sich nach Kräften, ihrer Figur der heroinabhängigen Nicole Leben einzuhauchen, doch allzu eindeutig ist Nicole nur Figur am Schachbrett eines nicht allzu einfallsreichen Dramaturgie-Schachbretts. Genaugenommen ist sie keine Figur, sondern bloß eine Funktion in einem Film, der treuherzig einer klassischen Drei-Akt-Struktur folgt. Nicole, die der Film mit Dringlichkeit einführt, um sie dann beiseite zu schieben, spritzt sich dieses Filmheroin, das die Haare seidig und glänzend und den Teint strahlend macht.
Constantin
Eigentlich verspricht Nicole dem schmierigen Pornoproduzenten, der ihr das Zeug verkauft, die Finger von der Nadel zu lassen, doch das manchmal recht ungeschickte Drehbuch will es, dass ihr in der Wohnung die kleine Drogenzubehörkiste runterfällt und die Nadel aus der Kiste springt und geradezu bettelt, benutzt zu werden. Das ist nur eine von zahlreichen patscherten Szenen, die vielleicht gar nicht so schlimm auffallen würden, wenn sich Robert Zemeckis bei der Songauswahl nicht wie Captain Ovious himself aufführen würde.
Captain Obvious on the decks
Weniger Soundtrack als Audiokommentar für Sehgeschädigte werden die Szenen, in denen Nicole Heroin spritzt mit "Sweet Jane" und "Under the Bridge" unterlegt, Whips kokaingeschwängerter, selbstbewusster Marsch über einen Hotelgang passiert zu "Feelin' Alright" und wenn John Goodman, Whips Freund und Dealer, auftaucht, so bitten uns die Rolling Stones um "Sympathy for the Devil". John Goodman, das wohl verlässlichste Nebenrollenpferd im Hollywood-Stall nimmt die Aufgabe als Drogen und comic relief liefernder Mann für die coolen Sprüche ("See you all on the dark side of the moon") mit Leichtigkeit und Bravour. Doch auch das - wie alles in "Flight" - hat man schon so oft gesehen, dass einem während "Flight" sehr oft ein anderer Denzel-Washington-Film einfällt: "Déjà Vu".
constantin
"Flight" läuft bereits in den österreichischen Kinos
Ähnlich undezent wie seine Musikauswahl ist auch Zemeckis' Art, religiösen Symbolismus ins Trinkerdrama einzuweben. Aufdringlich stellt "Flight" Whip, stets die Gretchenfrage, sag wie hast dus mit der Religion. Er ist umgeben von gläubigen Piloten, Stewardessen und Krebs-Patienten, er selbst aber verlacht die Idee von Gott und Glauben. Bei dem riskanten Landemanöver köpft ein Flügel des Flugzeugs auch noch einen Kirchturm, der tief religiöse Co-Pilot meint God landed the plane und meint damit nicht Whip. Irgendwo in diesem Wrack aus Klischees, einem allzu bekanntem Geschichtenverlauf um Sucht, Entzug und Läuterung und so ungeschickt platziertem Symbolismus, dass er ab und zu in unfreiwillige Komik abdriftet, liegt die Blackbox von Denzel Washingtons schauspielerischer Leistung.