Erstellt am: 28. 1. 2013 - 12:54 Uhr
Afrikacup-Journal '13. Eintrag 10.
Das ist das gewohnte Special innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Begleitung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft des Planeten.
Das Journal '13 wird heuer thematisch wohl die Versprechungen in meinem Twitter-Profil einlösen: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball.
Wenn die zweite unwiderrufliche Entscheidung dieses Turniers das zweite große nordafrikanische Team heimschickt, dann müsste eigentlich das die Schlagzeile des Tages sein.
Ist es auch.
Aber wohl nur implizit.
Denn im Vordergrund wird stehen, wem das gelungen ist. Weil es dem Zwerg gelungen ist, einem einwohnerschwachen Insel-Völkchen, dem Außenseiter schlechthin.
Immerhin hat genau dieser Außenseiter verhindert, dass einer der All-Time-Big Names überhaupt teilnehmen darf, beim Africa-Cup in Südafrika: in der Qualifikation hatten die kleinen Kapverden schon das große Kamerun überwunden. Und jetzt blieben die einstmals unbewohnten und 15. Jahrhundert portugiesisch besiedelten Inseln an der Westspitze des Kontinents dreimal hintereinander (zurecht) unbesiegt: gegen Südafrika, den Hausherrn, dann gegen Marokko, den Ausrichter von 2015 und gestern auch gegen Angola (den Ausrichter von 2010), das man trotz eines lange währenden Rückstands schlußendlich auch noch besiegen konnte.
Der vielfache Schlagzeilenbringer vom grünen Kap
Und vielleicht ist das die eigentliche Schlagzeile: die winzige Ex-Kolonie des einst großen portugiesischen Imperiums besiegt die große und vergleichsweise wirtschaftsmächtige, das blühende Angola; eine halbe Million schmeißt 20 Millionen raus.
Es spielen nämlich weder Gold noch Ressourcen Fußball, sondern immer nur gleich viele Menschen, die neben individuellen Fähigkeiten auch noch so etwas wie Teamplayer-Skills brauchen.
Aber der Reihe nach.
In der Gruppe A, die im bisherigen Verlauf des Turniers als die vielleicht schwächste galt, war vor dem letzten Spieltag noch alles möglich. Wer gewinnen würde, war klar im Vorteil. Angola hatte die schlechteste Ausgangs-Position, Südafrika die beste.
Gordon Igesund hatte für das letzte Gruppenspiel der Bafana Bafana das Erfolgsteam des (hoffentlich knopflösenden) Sieges gegen Angola belassen, ließ also in einem 4-1-3-2 mit dem kleinen weißen Wühler Furman als Sechser beginnen.
Der 2. nordafrikanische Ausfall und ein glücklicher Hausherr
Gegner Marokko - unter deutlich höherem Druck - präsentierte sich völlig neu. Innenverteidiger El Adoua gab einen klugen Sechser (im dritten Spiel war er nach Hermach und El-Ahmadi schon der dritte Versuch...), die Flügelzange Amrabat-Assaidi wurde durch zwei eher zentral orientierte Zuarbeiter ersetzt und Barrada sollte im offensiven Zentrum hinter El Arabi die Rolle des gesperrte Belhanda übernehmen. Das ergab ein wenig flügelorientiertes 4-2-3-1, eine eher knieweiche Variante.
Die frühe Führung (Kopftor von El Adoua) belohnte die gute marokkanische Anfangsphase, verleitete aber Coach Traoussi zu allzuviel Vorsicht. Er wechselte in weiterer Folge dreimal deutlich zu spät: beide nominell an den Flügelpositionen hingesetzten Spieler waren zu lange zu blass; und die zweite Spitze für den aufopferungsvollen Barrada, den einzigen Ideenhaber zu bringen, war dann der finale Knieschuss.
Die Südafrikaner waren zwar von Beginn an mit im Spiel, zeichneten sich allerdings durch erstaunliche Ineffektivität aus. Selbst Phala und Parker, die in den bisherigen Spielen überzeugten, ließen aus. Die Hereinnahme von Ajax-Talent Serero (die eine etwas seltsame Umstellung auf ein 4-1-4-1, mit dem verloren wirkenden Parker als hängender Spitze nach sich zog) brachte mehr Unruhe in die marokkanische Hintermannschaft - der Ausgleich kam trotzdem durch eine Einzelleistung, einen meisterhaften Schlenzer des sonst blassen Mahlangu zustande.
Wer System und Personal dauerändert, kriegt Probleme
Danach stellte Marokko auf das erwähnte regielose 4-4-2 um, ein guter Chip von El-Arabi und ein Hafidi-Zufallschuss durch die Beine von Tormann Khune brachten die nochmalige Führung - und zehn Minuten vor dem Ende war Marokko Gruppensieger.
In der 86., als ausgerechnet der nach einem Standard zufällig noch vorne anwesende südafrikanische Innenverteidiger Sangweni bei einem Tempogegenstoß klug freigespielt wurde und ausglich, war Marokko als Gruppenzweiter immer noch im Viertelfinale.
Wieder 4 Minuten später waren sie - durch ein Tor im Parallelspiel weg. So kanns gehen.
Dabei hatte Marokko dreimal ganz okay gespielt - es waren ja auch drei Unentschieden, alle durchaus verdient. Wahrscheinlich hat die hohe System- und Personal-Fluktuation verhindert, dass aus einem Kader auch ein Team wird. Jedes Match mit einer gänzlich anderen Philosophie, einem gänzlich anderen Zentrum zu bestreiten ist eben kein Zeichen von Selbstsicherheit.
Die war bei Team Südafrika nach dem ersten Sieg durchaus vorhanden. Und führte dann letztlich auch zum zweimaligen Ausgleich. Dass es auch im dritten Match wieder an Kombinatorik und Spielplan mangelte, macht allerdings wenig Hoffnung auf mehr als nur das Viertelfinale.
Der unspektakuläre Sinkflug des Kurzzeit-Mitspielers Angola
Dort war Angola, trotz den fast 50 Minuten lang währenden Führung gegen die Kapverden interessanterweise nie - rein rechnerisch. Auch das Team von Gustavo Ferrin ging mit dem dritten System ins dritte Match: nach einem 4-4-2 und einem 4-2-3-1 sollte es diesmal ein 4-3-3 rechtmachen. Und zugegeben, das sah lange Zeit nicht so schlecht aus. Djalma kam linksaußen durchaus zur Geltung, Gilberto definierte die Mittelfeld-Zentrale recht gut, die zwei neuen Außenverteidiger erfüllten ihre Doppelrolle Defensive/Offensive recht gut und Mateus verursachte das Führungstor.
In der zweiten Habzeit ordnete man sich aber zu sehr dem Resultathalten und dem Gegner-Kontrollieren unter, was sich im bisherigen Turnier noch selten als gute Idee erwiesen hatte, und opferte Gilberto in der 80. Minute einem taktischen Wechsel.
Lucio Antunes, der jugendliche Feldherr der Kapverden hielt hingegen an seiner Marschroute fest: er brachte im dritten Spiel zum drittenmal sein gewagtes aber gelungenes 4-3-1-2, mit seinem Platini hinter den Spitzen. Neu waren nur die Außenverteidiger, aber da probierte er schon seit Beginn an herum. Die Mittelfeld-Zentrale hingegen bliebt stabil; und es war sein Sechser Babanco (mit der Rückennummer 5), der mir in jeder seiner vielen Szenen von Anfang an das Gefühl von Aufstiegssicherheit vermittelte. Wichtigster Teil des kapverdischen Rezepts: das scharf angebratene Pressing der Mannschaft.
Erlösende und zerstörerische Schlußminuten
Nach dem Halbzeit-Rückstand legte Antunes einen Zahn zu, nahm Platini raus und stellte auf 4-2-1-3 um, mit dem wuscheligen Ryan Mendes in der zentralen Rolle hinter dem nun drei echte Spitzen umfassenden Angriff. Damit setzte er Gegner Angola von Beginn an unter Druck - was sich erst in Minute 81 auszahlte. Das Kopftor von Innenverteidiger Fernando Varela brachte seine Mannschaft wieder ins Spiel. Und weil es dann rechnerisch wurscht war ob das Parallelspiel mit einem Sieg von Marokko oder einem Remis abgepfiffen würde, weil nur ein Sieg Cabo Verde weiterbringen würde, spielte es dann Hollywood. Und Stürmer Hnuck Heldon gelang dann, in der 90. Minute das Verdiente und durchaus auch Erwartbare, letztlich aber immer noch zutiefst Unerwartete: 2.1 für Kap Verde, zweiter Gruppenplatz und Aufstieg.
Und die Auswahl der möglichen Schlaglichter und Schlagzeilen war somit so hoch wie sonst nie. Womit wir wieder am Anfang wären.