Erstellt am: 30. 1. 2013 - 15:19 Uhr
Die großen Energie-Mythen
NASA / Radio FM4
Clean, Green & Forever
Die Woche der erneuerbaren Energien auf FM4.
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Wie grün ist Ökostrom? Kann man Energiesparlampen ohne schlechtes Gewissen verwenden oder nicht? Findet die Energiewende überhaupt statt oder steht das Comeback von Öl und Gas bevor?
Quecksilber in Energiesparlampen
Es stimmt, vor allem alte Energiesparlampen enthalten kleine Mengen Quecksilber. Wenn die Lampe zerbricht, ist das mindestens ein Ärgernis: Quecksilber ist hochgiftig und verdampft bei Zimmertemperatur. In neueren Energiesparlampen ist das Quecksilber in Amalgam gebunden, das ist zumindest beim Zerbrechen weniger gefährlich. Im Ernstfall sollte man dennoch das Zimmer eine Viertelstunde lüften und dann die Scherben luftdicht verpacken – und ab damit in den Sondermüll. Dort gehören auch unzerbrochene Energiesparlampen hin, wenn sie nicht mehr funktionieren und der Händler sie nicht zurück nehmen will. Landen sie im normalen Hausmüll, dann gelangt das Quecksilber beim Verbrennen in die Atmosphäre.
DPA
Auch Kohlekraftwerke setzen Quecksilber frei. In Österreich wird zwar nicht so viel Strom durch die Verbrennung von Kohle produziert wie etwa in Deutschland, trotzdem hilft der hohe Wirkungsgrad von Energiesparlampen im Vergleich zur Glühbirne, Strom und auch Quecksilber-Emissionen einzusparen.
Eigentlich ist die Leuchtstoff-Energiesparlampe nur eine Übergangstechnologie, die Zukunft gehört der LED. Die hat einen noch höheren Wirkungsgrad, ist langlebiger, und kann jede erdenkliche Lichttemperatur hervorbringen. Einziger Wermutstropfen: der Rebound-Effekt.
Der Rebound-Effekt
Autos verbrauchen heute im Durchschnitt deutlich weniger Treibstoff als noch vor 20 oder 30 Jahren. Insgesamt haben sich der Verbrauch und damit auch die Emissionen seit damals aber deutlich erhöht. Wie kommt's? Wenn Autos weniger verbrauchen, dann fährt man einfach mehr damit. Und zwar nicht nur mehr mit jedem einzelnen Auto – man schafft sich auch schneller ein Zweitauto an, wenn es nur dreieinhalb Liter verbraucht.
Beim Licht fällt dieser Rebound-Effekt deutlich geringer aus. Während eine Glühbirne nur 5% ihres Energieverbrauchs in Licht umwandelt, den Rest in Wärme, sind es bei der Leuchtstofflampe immerhin 35%. Diesen Unterschied kann man durch längeres Brennenlassen der Lampe nur recht wenig abschwächen. Wenn die LED sich durchsetzt, könnte allerdings eine andere Form von Rebound auf uns zukommen: die LED ermöglicht ganz andere Beleuchtungskonzepte, meint Gerfried Jungmeier von Joanneum Research in Graz: Man kann LED-Licht an Stellen einsetzen, an die man jetzt noch gar nicht denkt, zum Beispiel jede Treppenstufe einzeln beleuchten. Richtig schlimm sollte das allerdings auch nicht werden: Auf die Beleuchtung entfallen in einem durchschnittlichen Haushalt schon heute nur 10 bis 15 Prozent des Stromverbrauchs, vom Gesamt-Energieverbrauch ganze 2 bis 3 Prozent.
Wasserkraft
Bleiben wir beim Strom, denn da können wir einer österreichischen Lieblingsbeschäftigung nachgehen: stolz auf uns sein. Österreich hat keine Atomkraftwerke und Wasserkraft stemmt rund zwei Drittel der heimischen Stromproduktion. Berge und Wasser sind einfach eine unschlagbare Kombination. Leider ist dieser Stolz wie so oft etwas übertrieben. Zwar stammen zwei Drittel der heimischen Stromproduktion aus Wasserkraft, der Strom aus Wasser deckt allerdings nicht einmal die Hälfte des heimischen Verbrauchs. Mehr als ein Viertel wird importiert, ein weiteres gutes Viertel kommt aus der Verbrennung fossiler Stoffe wie Öl, Gas oder Kohle, die großen Kohlekraftwerke in Dürnrohr und Mellach sind da nur zwei Beispiele. Und durch den Import gibt es auch einen signifikanten Anteil an Atomstrom in Österreich: Global 2000 hat knapp fünf Prozent errechnet, ungefähr viermal so viel, wie das AKW Zwentendorf geliefert hätte.
Und auch die Wasserkraft ist ja nicht immer die pure Nachhaltigkeit, wie ein Blick in die Geschichtsbücher zum Stichwort Hainburg verrät. Gerade weil wir schon so viel Wasserkraft nutzen, ist es heute kaum noch möglich, neue Wasserkraftwerke zu errichten, die nicht auch wertvolle Landschaften zerstören. Deswegen empfiehlt Global 2000 etwa, vorhandene Kleinkraftwerke zu modernisieren, anstatt mit Großspeichern wie dem jetzt auf der Koralm geplanten die Landschaft zuzubetonieren. Allerdings spielen bei solchen Entscheidungen oft auch ganz andere Argumente eine Rolle. Großbaustellen garantieren schließlich auch Umsätze und Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft.
APA/Gindl
Ein anderes oft gehörtes Argument entpuppt sich dagegen als Mythos: dass Pumpspeicherkraftwerke als "Waschanlagen" für sogenannten Graustrom, also Strom unbekannter oder undeklarierter Herkunft, dienen. Pumpspeicherkraftwerke nutzen die billigen Strom-Überkapazitäten in der Nacht, um Wasser in hoch gelegene Speicher zu pumpen. Tagsüber wird dieses Wasser dann wieder zur Stromproduktion abgelassen. Immerhin 75% des zum Hinaufpumpen benötigten Stroms kann so später wieder zurückgewonnen werden. Der so produzierte Strom darf allerdings nicht, wie manche meinen, als Strom aus Wasserkraft verkauft werden, sondern bleibt Graustrom.
Heizen mit Holz
Es war ein richtiggehender Hype vor ein paar Jahren: die Holzpellets-Heizung. Statt Öl hat man zu Hause im Tank kleine Würstchen aus Holzresten wie Sägemehl, Ästen oder krummen Bäumen - das, was bei der Holz- oder Papierproduktion nicht verwendet werden kann. Komplett nachhaltig sei das, hat es damals geheißen – bald aber wurden Zweifel laut: wenn zu viele auf Holzheizung umstellen, dann würde der Abfall aus der Holzverarbeitung nicht mehr ausreichen. Und wäre es dann wirklich nachhaltig, Bäume zu fällen, um sie in die Luft zu blasen? Hören wir nicht immer, dass die Abholzung des Regenwaldes einer der größten Klimakiller ist?
Die Antwort ist überraschend: Die Verbrennung von Holz ist – zumindest in unseren Breiten – nach wie vor die klimafreundlichste Art, zu heizen – das bestätigt auch Tobias Pröll vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik der Wiener Boku. In Europa und in Nordamerika wächst nämlich immer noch mehr Wald nach, als verbraucht wird. Der Wirkungsgrad und die Umweltstandards von modernen Holzheizungen (gemeint sind sowohl zentrale Fernwärmekraftwerke, als auch Holzpelletsanlagen) sind sehr hoch.
Ein bisschen anders schaut es bei älteren Holzöfen aus. Die haben keine ausgefuchsten Verbrennungskonzepte, um Kohlenmonoxid und Stickoxide zu reduzieren, und natürlich auch keine Filteranlagen, um Ruß und Feinstaub auszusortieren. Ruß und Feinstaub sind aber laut Tobias Pröll höchstens in der Stadt ein Problem, wo Holzheizungen eher unüblich sind. Der größte Feinstaubproduzent ist hier der Autoverkehr. Der Holzofen ist also alles in allem klimafreundlich – solange man auch wirklich mit Holz, und nicht mit leeren Milchpackerln heizt.
Biokraftstoff
Es könnte so schön sein: wir produzieren Benzin und Diesel einfach nicht mehr aus Erdöl, sondern aus Pflanzen, zum Beispiel Raps oder Mais. Die nehmen beim Wachsen CO₂ aus der Atmosphäre, wobei Sauerstoff frei gesetzt wird. Beim Verbrennen zur Energienutzung wird dann wieder die gleiche Menge CO₂ abgegeben. Daher gilt die Nutzung von Biomasse im Energiesektor als klimaneutral. Allerdings ist der Anteil an Biodiesel oder -ethanol im Treibstoff immer noch sehr gering, in Österreich liegt er derzeit etwa bei 6,5%. Bis 2020 sollen es nach EU-Vorgaben 10% werden - viel mehr vertragen die meisten Autos auch gar nicht. Und klimaneutral ist die Produktion auch nur dann, wenn (heimische) Überkapazitäten genutzt werden.
Außerdem: das Prädikat Bio ist in diesem Zusammenhang irreführend: Raps und Mais werden für die Ethanol- und Biodieselproduktion nämlich keineswegs in biologischer Landwirtschaft angebaut, sondern wie alle konventionell angebauten Nahrungs- und Futtermittel, auch in langjährigen Monokulturen unter intensivem Einsatz von – aus Erdöl produziertem – Kunstdünger. Die Biotreibstoff-Produktion lediglich als geschickt vermarktete Förderung der heimischen Landwirtschaft zu sehen, geht wohl zu weit, ist aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Wie viel Biotreibstoff zur nachhaltigen Energienutzung beitragen kann, ist umstritten. Denn bei der Bewertung wird der landwirtschaftliche Verdrängungsprozess nicht berücksichtigt: Je mehr Flächen für die Produktion von Treibstoff verwendet werden, desto weniger stehen für Nahrungsmittel zur Verfügung. Man kann darüber diskutieren, ob das in einer Gesellschaft, die 30 bis 50% ihrer Lebensmittel wegwirft, nicht auch anders lösbar wäre. Sicher ist jedenfalls, dass es das Gegenteil von nachhaltig wäre, würde sich das Beimischen von Biotreibstoffen so auswirken, wie das eine Studie des Institute for European Environmental Policy befürchtet: laut der Untersuchung könnte ein Biotreibstoff-Anteil von 10% in der EU dazu führen, dass weltweit zusätzliche landwirtschaftliche Anbauflächen von etwa 70.000 qkm benötigt werden. Nimmt man die Zahlen der Studie in die Berechnung mit auf, wäre Biokraftstoff deutlich klimaschädlicher als herkömmlicher.
Andererseits stammen zumindest hierzulande die meisten Rohstoffe für Biodiesel und -ethanol aus heimischer Landwirtschaft; außerdem wird nicht die ganze Pflanze für Treibstoff genutzt, ein Teil wird zu Futtermitteln verarbeitet – was wiederum den Import von Soja aus Übersee reduziert. Und: bereits heute wird ein Drittel des Biodiesels in Österreich aus Altöl und Tierfetten hergestellt. Biotreibstoff der zweiten Generation wird in Zukunft aus Stroh, Holzresten und anderen Abfallstoffen produziert und belastet damit weder die Klimabilanz noch den Lebensmittelmarkt.
Umweltfreundliches Tanken wird es aber auch in Zukunft nicht geben, denn egal, wie man es rechnet: Autoverkehr produziert immer Treibhausgase, und Autos nutzen nur ein Drittel ihrer Energie zur Fortbewegung, der Rest ist Abwärme. Steigen wir also einfach auf Elektroautos um?
Elektroautos
Klingt doch verführerisch: In ein paar Jahren, wenn die Batterie-Entwicklung ein Stück weiter gekommen ist, bewegen wir uns blitzsauber, leise und emissionsfrei in Elektroautos fort. Leider ist auch das nicht die Lösung. Denn beim Auto fallen ja nicht nur jene Emissionen an, die direkt aus dem Fahrzeug kommen. Auch das, was bei der Produktion des Fahrzeugs und des Treibstoffs bzw. des Stroms verbraucht wird, muss man hier mitrechnen. Zum Bau von Elektroautos benötigt man derzeit zum Beispiel fast doppelt so viel Energie wie zum Bau eines herkömmlichen Autos. Und auch der Betrieb ist nur dann emissionsarm, wenn das E-Mobil komplett mit Ökostrom betankt wird. Das führt dazu, dass zum Beispiel ein Elektroauto, das mit dem in Deutschland herkömmlichen Strommix betrieben wird, mehr Emissionen produziert, als ein sparsamer Diesel, mit dem typischen chinesischen Strommix sogar mehr als ein durchschnittlicher Benziner.
APA
Deswegen empfehlen Umweltorganisationen in Deutschland derzeit auch noch die Anschaffung von Hybridfahrzeugen oder kleinen und sparsamen Dieselautos, wenn es denn unbedingt ein Neuwagen sein muss.
Aber taugt das Elektroauto wenigstens als Zukunftskonzept, nach der weltweiten Energiewende, und wenn die technischen Konzepte weiter entwickelt sind? Höchstwahrscheinlich schon, aber auch nur mit Einschränkungen: In Österreich, meint Global 2000, könnte man den für E-Autos benötigten Strom zwar nachhaltig produzieren. Ob das aber weltweit gilt, wenn irgendwann auch in den Entwicklungsländern so viele Autos pro Einwohner fahren wie bei uns, darf bezweifelt werden. Und ganz abgesehen vom steigenden Stromverbrauch: Individualverkehr verbraucht auch andere Ressourcen, zum Beispiel enorme Flächen. An mehr öffentlichem Verkehr wird also kein Weg vorbei führen.
Am Mittwoch in FM4 Connected
Wie grün ist Ökostrom? Kann man Energiesparlampen ohne schlechtes Gewissen verwenden oder nicht? Findet die Energiewende überhaupt statt oder steht das Comeback von Öl und Gas bevor? Zu diesen und anderen Fragen ist zwischen 17-18 Uhr Energie-Experte Georg Günsberg live bei uns im Studio.
Welche Energie-Mythen sind euch schon untergekommen? Habt ihr Fragen?
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