Erstellt am: 27. 1. 2013 - 21:14 Uhr
Schüsse in den Ofen
Bereits, als ich zum ersten Mal von diesem Projekt höre, habe ich gemischte Gefühle. Natürlich weckt es Vorfreude, dass sich da ein Film vor den zentralen Klassikern des modernen Gangsterkinos verneigen will, aber auch vor düsterer Hard-Boiled-Literatur und schundigen Pulpromanen. Und dann tauchen dazu noch Typen wie der allseits verehrte Ryan Gosling, Josh „American Gangster“ Brolin oder auch Sean „Carlito’s Way“ Penn auf der Besetzungsliste auf.
Der Blick auf den Regiesessel stimmt mich bei „Gangster Squad“ allerdings von Anfang an skeptisch. Denn Ruben Fleischer zählt zu den großen Scharlatanen in Hollywood.
Bereits mit seinem Debütstreifen „Zombieland“ gelingt es dem jungen Filmemacher, sich als Innovator des Genrekinos zu verkaufen, der frech und ungestüm harte Gewalt und wüsten Humor vermischt. Unter der stilisierten Oberfläche der zugegeben großartig besetzten ZomCom lauern letztlich aber nur perfider Zynismus und cleveres Vermarktungsdenken.
Auch Fleischers verblödelter Nachfolgefilm „30 Minutes or Less“, der auf glorreiche Komödianten wie Danny McBride oder Aziz Ansari zurückgreift, täuscht die lässige Respektlosigkeit nur vor. Wo in den derbsten Momenten im Judd-Apatow-Universum stets eine Liebe zum Menschen aufflackert, demonstriert Ruben Fleischer nur Verachtung für seine Charaktere.
Warner Bros
Aufgelegte Vorlage
In den ersten Minuten von „Gangster Squad“, wenn greller Art-Deco-Glamour, übertriebene Film-Noir-Symbolik, schnittige 40er-Jahre-Looks und heftige Action aufeinanderprallen, versuche ich, meine Vorurteile trotzdem zu verdrängen. Warum nicht einfach dem Strom der knalligen Bilder folgen und sich wegspülen lassen von einer wahren Sturmflut der Referenzen?
Aber der euphorische Kick hält nicht lange an. Schon bald erweist sich das ganze heftige Geballere als einziger Schuss in den Ofen und „Gangster Squad“ enttäuscht auf allen Linien.
Dabei hätte die Story prinzipiell einiges zu bieten. Denn die geheime Spezialeinheit des Los Angeles Police Department, auf die sich der Filmtitel bezieht, gab es in den späten 40er Jahren wirklich. Ins Leben gerufen, um einen versteckten Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu führen, agierte die Undercoverpolizisten-Truppe weit am Rande der Legalität.
Neben dieser extrem auflegten Vorlage, um tief in die Grauzonen von Gut und Böse einzutauchen, schreit auch der zentrale Ganove dieser Ära nach einer eindringlichen Leinwand-Annäherung. Mickey Cohen, Schlüsselfigur der Kosher Nostra, terrorisierte einerseits halb Los Angeles mit seinen kriminellen Aktivitäten. Auf der anderen Seite zog der Mobster-Boss mit Hollywoodstars durch die Nächte und wurde von den Boulevardmedien geliebt.
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Blutig und dennoch blutleer
Die Geschichte des monströsen Mickey Cohen, die sich etwa gespenstisch durch viele Romane von James Ellroy zieht, reduziert Ruben Fleischer zu einer Kasperliade des Grauens. Wie einen Widergänger aus längst verdrängten „Dick Tracy“-Tagen legt Sean Penn den illustren Schwerverbrecher an. Und fügt sich mit seinem massivem Make Up und dem penetranten Overacting perfekt in die stylische Schmierenkomödie.
Mehr als Karikaturen sind aber leider auch die anderen Figuren nicht, vom grimmigen Vorzeige-Cop, den Josh Brolin runterspult bis zum einsamen jungen Polizei-Wolf, den der fesche Goslinger fast schon zu locker aus dem Handgelenk schüttelt oder gar Emma Stones klassischem Gangster-Groupie.
Ausschließlich an filmischen Oberflächen interessiert, verwandelt der Regisseur den Krieg des LAPD gegen den jüdischen Mafiaboss in ein blutleeres Comicspektakel. Damit bei dem letzten Satz keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich überzieht ein roter Sprühnebel erwartungsgemäß den ganzen Film. Die extremen Defizite in Sachen Charakterzeichnung und Ernsthaftigkeit versucht Fleischer mit Hektolitern Filmblut, oft auch auf der Festplatte generiert, wettzumachen.
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Ungebrochene Glorifizierung
Die übertriebene Gewalt, die schon bei seinen Vorgängerfilmen aufgesetzt wirkte, sorgte auch für Probleme im Vorfeld. Der ursprüngliche Showdown des Films, eine heftige Schießerei im legendären Grauman's Chinese Theater am Hollywood Boulevard, bekam nach dem Kino-Amoklauf in Aurora einen kontroversen Beigeschmack. Mit einem beträchtlichen Aufwand wurde der Shootout neu gedreht.
Solche kosmetischen Eingriffe ändern aber nichts an der reaktionären Attitüde, die in dem urbanen Klischeedschungel regiert. Während etwa „Django Unchained“, die diametrale Antithese im aktuellen Kinoprogramm, seine wüsten Splattereffekte in den Dienste einer überfälligen politischen Provokation stellt und das Tabuthema Sklaverei aufrollt, zelebriert „Gangster Squad“ bloß das endlose Blitzen der Mündungsfeuer. Und glorifiziert die waffenschwenkenden Gesetzeshüter so ungebrochen, dass die National Rifle Organisation wohl ihre rechte Freude haben dürfte.
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Auch wenn man jetzt den ideologischen Zeigefinger einmal beiseite lässt und sich auf Vergleiche mit dem subversiven Spirit des Tarantino-Spätwerks nicht einlässt: Der völlige Mangel an Ambivalenz rückt diesen Actionthriller auch weit weg von sämtlichen spannenden Genre-Vorbildern eines Martin Scorsese, Brian De Palma oder Curtis Hanson.
Fazit: Kann man sich wegen einiger Schauspieler ansehen, der schönen Mode wegen oder als sinnentleertes Brachial-Entertainment. Als modernes Film-Noir-Update erweist sich „Gangster Squad“ als aalglatter Reinfall.