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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

28. 1. 2013 - 04:49

Sei ein Scientist

Monochrom macht Wissenschaft zum Spektakel und Geektum zur Performance.

"Embrace it!" hat ein guter Freund zu einem Gamer-Kollegen geantwortet, als dieser mal wieder seine eigene, intensive Computerspielleidenschaft abstreiten wollte. Man hört das im Alltagsgespräch ja oft: immer sind die anderen die Nerds, aber man selbst doch nicht! Trotz "nerd chic" und aufdringlichen Brillenmoden assoziert man mit dem Typus Geek selten die Attribute sympathisch verschroben und wissbegierig, sondern immer noch eher: zurückgezogen, unsozial, fragwürdig obsessiv. Schuld sind oft die Betroffenen selbst, die auch in selbstsicheren Erwachsenenjahren keine Öffentlichkeitsarbeit für Ihresgleichen machen.

Johannes Grenzfurthner hält mit manischem Blick eine Ausgabe des monochrom-Magazins in der Hand.

monochrom

Grenzfurthner mit monochrom-Magazin, circa 1997

Die jungen Jahre des Geeks sind nie einfach, doch ab einem gewissen Alter wird man sich der eigenen Rolle, der persönlichen Fähigkeiten und Talente besser bewusst und lernt seine Umgebung einzuschätzen. Ob Johannes Grenzfurthner von monochrom je ein gebeuteltes Kind oder ein zurückgezogener Jugendlicher war, bezweifle ich zwar, jedenfalls ist bei ihm das Geektum schon recht früh mit geschwelter Brust in die Welt getragen worden. Das von ihm gemeinsam mit Franky Ablinger gegründete Cyberpunk-Fanzine war schon Anfang der 90er ein Sammelsurium an Kuriositäten, in dem Anekdoten aus der eigenen Jugend mit Science Fiction, Computerkultur, Philosophie und Pop gemischt wurden. Dass das alles auch Kunst ist, war damals vielleicht noch weniger bewusst als es heute für die Gruppe monochrom selbst relevant ist. Es gibt einfach sehr viele Ideen und alles ist interessant. Grenzfurthner war schon früh ein Meister des Hinterfragens, alle Dinge, Tätigkeiten und Dynamiken wurden und werden durchleuchtet, auf alle Seiten gedreht, analysiert, in der monochrom-Metamaschine geschleudert und in neue Projekte gegossen. "Alles hat 2 hoch 19 Seiten" war lange Jahre hier auf FM4 Herrn Grenzfurthners eigene Personenbeschreibung in seinem Userprofil.

Neue Kulturtechniken

Das Wissen, dass nichts bloß eine Banalität oder ein vermeintlich unwichtiger Zeitvertreib ist, ist der Schlüssel zur Selbstsicherheit. Du musst dir nur Gedanken drüber machen! Monochrom seziert mit Wonne Subkulturen und ihre schrulligen Vorlieben, holt schmollende Community-Vertreter/innen aus ihren Nischen, weil sie sich von der Welt missverstanden fühlen. Alle sollen euch sehen, und alles ist gleichzeitig absurd, aber auch super. Und eigentlich sollten wir alles nicht zu bierernst nehmen. Es ist symptomatisch, dass die Reaktionen und Interpretationen auf monochrom-Projekte oft negativ ausfallen. Hier, so hört man oft, kommen irgendwelche Typen und machen sich über etwas lustig oder wollen Teil von etwas sein, das ihnen gar nicht zusteht. Tatsächlich drängt sich monochrom mit der eigenen Handschrift überall hinein, seien es Hacking-, Theater-, Gaming- oder Film-Communities. Ungeschriebene Konventionen der jeweiligen Szene und über die Maßen pietätvolle, "ernste" Annäherungen an die jeweilige Ausdrucksform werden allerdings oft bewusst negiert. Frechheit!



Die blanke Blödelei und das Reflektieren von Kulturtechniken und ihren Vertreter/innen ist aber nur ein Zugang. In Sachen Netzpolitik, Technikfolgenabschätzung und die Vergänglichkeit digitaler Medien bietet monochrom Aufklärung ebenso wie aufgeklärte Nostalgie. Letztere reicht von durchaus harmlosen Beschäftigungen wie Retrogaming-Veranstaltungen bis hin zu unkonventionellen Unterfangen wie einer Ejakulation auf einen Overheadprojektor zwecks Rettung seiner Relevanz.

Weil man sich Dinge am besten merkt, wenn sie in unterhaltsamer Form präsentiert werden, kommuniziert monochrom gerne und oft über die Performance - sei es über Musik und Gesang, Aktionen mit lautem Gebrüll oder beidem, vereint in beschwingten Vorträgen. Johannes Grenzfurthner, der die monochrom'sche Theorie- und Medienkritikarbeit als anarchische Rampensau, euphorischer Entertainer und wild gestikulierendes Stehaufmännchen verkauft, hat eigentlich immer einen Aufmerksamkeitsvorteil. So wurde etwa schon rund um den Jahrtausendwechsel die damals noch junge WLAN-Technik besungen, ebenso wie ein Protestsong über die Unsichtbarkeit von RFID-Chips geschrieben worden ist. Creative-Commons-Gründer Lawrence Lessig wurde ein positives Lied gewidmet, auch wenn darin klar gemacht wird, dass weder Lessigs politische Gesinnung noch die Reparaturarbeiten am Copyright monochrom so richtig zu gefallen wissen.





Die Lieder und Lustigkeiten sind die Einstiegsdroge, die schnell dazu führen, dass man sich mehr und mehr mit den vielen Querverweisen und Anspielungen beschäftigt, mit denen (fast) jedes monochrom-Projekt gespickt ist. Keiner weiß alles und nicht nicht kommunizieren gilt nicht. Also einfach learning by doing, und zwischendurch ist es dann irgendwann mal gar nicht mehr so schwer, auch komplexere Kost in Form von Theorietexten und fortgeschrittener Politik- und Geschichtskunde zu verdauen. Interdisziplinarität will gelernt sein - aber nichts muss. Mit den sehr dicken monochrom-Lesebänden kann man ebenso gut Fliegen erschlagen wie Briefe beschweren oder endlose Lesestunden am Klo verbringen.

Be a better geek

Monochrom fasziniert seit 20 Jahren durch Rastlosigkeit und beweist mit einer bemerkenswerte Dichte an Werken und Ideen, wie tief man aus den kreativen Vollen schöpfen kann. Die Inspiration dafür kommt immer aus den Kleinigkeiten des Alltags, aus den scheinbar belanglosen Details unser aller Lebenswelten. Dementsprechend zugänglich, niederschwellig und einladend kommt das endlos verzweigte Gesamtwerk von monochrom daher. Es wird darin ebenso schonungslos offen kritisiert wie herzlich umarmt. Ein bisschen Mut und Selbstironie gehören schon dazu, aber wenn man das mal geschafft hat, wird man nie wieder seine Schrullen und kuriosen Obsessionen verleugnen. Monochrom hilft gerne dabei.