Erstellt am: 26. 1. 2013 - 22:57 Uhr
Unser Zuhause ist die Welt
Radio FM4
Das fantastische FM4 Geburtstagsfest
- Das Line-Up im Detail
- "Eispiratenparty" - Die Open-Air-Bühne mit Gin Ga, Friska Viljor, Delphic und Marsimoto (Andreas Gstettner)
- "Unser Zuhause ist die Welt" - Die Große Halle mit Theme Park, Jake Bugg, Toro y Moi, Jeans Team und Bauchklang (Katharina Seidler)
- "Think thermal!" - Warm anziehen fürs FM4 Geburtstagsfest
- Alle Stories im Überblick
Doc Martens Stiefel zerstören, wie geht sowas überhaupt? Kollegin Daniela Derntl hat es für uns herausgefunden. Man muss aus begründeter, oft erprobter Angst vor der Kälte nur so viele paar Socken übereinander anziehen, dass der Zippverschluss reißt. Wahrscheinlich stößt man bei weiterer FM4-interner Recherche auf noch mehr solcher Geschichten von kaputtem Winterequipment, denn einer Sache kann man sich sicher sein: Es mag warm werden zu Weihnachten, Schneeglöckchen mögen im Februar wachsen, der Frühlingsanfang sich für nächste Woche ankündigen - in dieser einen Nacht im Jänner können wir uns auf die Kälte verlassen, den fast schon liebgewonnenen Headliner aller unserer Geburtstagsfeste. Ohne sie geht es ja gar nicht mehr.
In der großen, warmen Halle hat es sich, während draußen noch Delphic in die Synthesizertasten greifen, der Ombudsmann gemütlich gemacht. Er erzählt Columbo-like davon, wie er seine Frau Ilse kennengelernt hat ("Du hast so ungleiche Brüste"), spricht von Kotzen zum Hochzeitstag und bringt am Schluss doch viele Menschen im knallvollen Saal dazu, einander zu küssen. Auf den Mund, versteht sich.
Theme Park
Schmusen, Trampolinspringen, Fahrradfahren. "I can´t feel anything", singen die, klar, jungen, klar, Briten Theme Park in ihrem Song "Two Hours": aber hey, das stimmt doch gar nicht! Was es da alles zu fühlen gibt. Große Verzweiflung vielleicht, aber erste Liebe, Feiern, Partybusfahren, das hat auch alles Platz in der Musik von Theme Park. "Milk", ihre eindeutigste Talking Heads/Tom Tom Club-Nummer, eröffnet das Set, danach geht es mit Synthesizertropfen und Gitarrenlinien direkt aus der Südsee munter weiter. Bei aller Cuteness wird das nie klebrig und will und soll in seiner Unschuldigkeit ebenso ernstgenommen werden. Ein Sommerregen, ein Windhauch mit Meeresduft, und komme er auch vom Ärmelkanal.
Jake Bugg
Jake Bugg spielt am 21.3. im Wiener Flex
Ernst nehmen soll man auch und vor allem den Herren Jake Bugg, der kurz danach auf die Bühne kommt. Alleine, traurig und mit Gitarre möge man ihn sich aber bitte nicht vorstellen, denn er hat zwei Begleiter mit und schrammelt recht ordentlich dahin. Jake Bugg, so will es die Legende, hatte bis vor ein paar Monaten die britischen Inseln noch nie verlassen. Umso beeindruckender ist es, wie eingespielt das Trio zusammen musiziert, wie mutig und auf den Punkt, ja, perfekt er seine Stimme einsetzt und wie unprätentiös er sich an den großen Themen und Stilen der Popgeschichte abarbeitet.
Es nervt ihn wahrscheinlich schon, immer auf sein Alter - achtzehn, sieht aus wie siebzehn - angesprochen oder vielleicht sogar reduziert zu werden, aber es ist nun mal nicht alltäglich, dass sich jemand wie er, anstatt auf Partys rumzuhängen oder am Macbook verhatschte Beats zu bauen, die Gitarre umschnallt, sich auf große Songwriter-Künstler wie Bob Dylan oder Simon and Garfunkel bezieht und von diesen, oder zumindest ähnlichen Kalibern ihrer Zunft, auch anerkannt wird. Bei "Country Song", das Jake Bugg dann doch alleine mit seinem Instrument bestreitet, wird es still in der Halle, ein Fan kann alle Texte. "I've seen it all", singt Jake Bugg, und am Ende glaubt man ihm das irgendwie.
Toro y Moi
Chaz Bundick, das ist bekannt, ist kein Mann der großen Worte. Weltruhm, die Quasi-Begründung eines eigenen Genres, drei wunderbare Alben haben nichts daran geändert, dass der Amerikaner mit der großen Brille noch immer schüchtern hinter seinen roten Synthesizern hervorlächelt. Im Interview hat er gesagt, er würde gerne mit Bon Jovi zusammenarbeiten, "because he gets all the girls". Dass man die auch ohne Jeansjacke mit Rosen drauf kriegt, wenn man lieb und bezaubernd ist, hätten wir ihm gleich sagen können.
Chaz Bundick ist dein bester Kumpel. Er trinkt Limonade. Live wird die Funkiness seiner Songs noch mehr als auf Platte herausgekehrt; sie leben in Wirklichkeit, das darf man guten Gewissens so behaupten, von der Luftigkeit ihrer Basslines und der Bandhaftigkeit ihrer Arrangements. Zum Ende hin dürfen sie ausfransen und instrumental aufblühen. Die Stimme fügt sich als zusätzliches Instrument ins Klanggeschehen ein.
Es ist eine Sehnsucht (wonach eigentlich?), die hier in den Saal geatmet wird, und sie bedeutet weder Rückzug noch allzu große Sentimentalität noch Resigantion, natürlich nicht. Neu und ganz aktuell immer mehr, wenn auch natürlich auf seine Art, im R'n'B verortet, enthält Toro y Moi das Versprechen nach etwas Glühendem, Glosenden, das dich an der Hand nimmt und auf dich wartet mit einem verlegenen Lächeln.
Jeans Team
Ey, Alter, wir sind da! Das rote Bomberjäckchen haben die Berliner Wahnsinnigen für ihre Anfangsnummer sogar mitgebracht. Im Grunde sollen wir im Laufe dieses Konzerts vermutlich verstehen, dass der Grat zwischen Technoclub und Schihütte ein verflucht schmaler ist, aber verdammt nochmal, so genau will man das vielleicht gar nicht wissen.
Natürlich ist das alles doof, wir rennen auf Partys und Vernissagen, haben prinzipiell keine Zeit und suhlen uns in unserer Artyness und genau dafür - besser dagegen singen Jeans Team auf ihrem in Kürze erscheinenden Album vehementer und plakativer an denn je. Das ist ihr gutes Recht. Die vollkommene Quatschhaftigkeit des modernen Seins, die Formelhaftikeit des (Electro-)Pop und die Absurdität des reinen Hedonismus führen einem andere Acts wie, sagen wir, H.Gich.T, Helge Schneider oder, immer schon, DAF, aber deutlicher und, man wagt es kaum zu sagen, subtiler vor Augen.
Was das Jeans Team schafft, ist, einem eine Unsicherheit einzupflanzen, ob man das alles vielleicht nicht versteht. Früher war das alles anders, da gab es keine Melodien, da war das alles nicht so verblödet, aber jetzt ist alles egal, so weit kommen wir noch mit. Trallali trallala, ihr wisst jetzt, wohin die Reise geht.
Bauchklang
Bauchklang, diese menschgewordene Beatmacht, sind ja bekannterweise Geburtstagsfest-Veteranen. Vor zwei Jahren haben sie uns um Mitternacht noch die Kerzen auf der Geburtstagstorte ausgeblasen, heute dröhnen ihre Bässe spät nach Mitternacht durch die große Halle. Man kann tatsächlich die Hose flattern fühlen, und falls es jemanden in unseren Breiten geben sollte, der Bauchklang, mittlerweile Beatbotschafter von Scheibbs bis Mumbai, noch nicht gesehen haben sollte, kann man ihm nur versichern: es geht durch Mark und Bein. Die uhrwerkhafte Menschmaschine, wenn auch durch Kraftwerk vor dreißig Jahren vielleicht etwas anders herbeigespielt, hier ist sie. Die Halle bebt, als wäre sie ein einziges Zwerchfell.
Weiter geht es im Beisl, im Dreiraum oder in der kleinen Halle. Bis zum nächsten Jahr, tapfere Winterkriegerinnern und -krieger!