Erstellt am: 26. 1. 2013 - 12:44 Uhr
Afrikacup-Journal '13. Eintrag 8.
Das ist das gewohnte Special innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Begleitung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft des Planeten.
Das alles im Rahmen des Journal '13, das heuer thematisch wohl dem Twitter-Profil entspricht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball.
Das Durchschnittsalter dieser Mannschaft ist 23,0 Jahre. Wenn man Vincent Enyeama, den 30jährigen Keeper rausnimmt, dann beträgt es gar 22,4 Jahre. Die nigerianische Innenverteidigung wurde gestern von einem 19jährigen Nachwuchs-Talent von Chelsea und einem 22jährigen, der noch daheim bei den Sunshine Stars spielt, gebildet, 18 der 20 von Stephen Keshi nominierten Feldspieler sind Jahrgang 87 und jünger. John Obi Mikel, der Leader in Mittelfeld, ist schon mit der Älteste.
Nigeria ist also die Aktie schlechthin für die Zukunft. Die satten Stars, deren Hauptbeschäftigung der Streit, die Intrige und die Beschwerde war, sind von Keshi, einer veritablen Respektsperson, allesamt entfernt worden. Der Begriff des Neuaufbaus wird offenbar ernst genommen; nach Jahren des stetigen Niedergangs war das auch dringend nötig. Nigeria verfügt über genügend Talent in allen Jahrgängen, also kann man sich diesen Schnitt leisten.
Wie man den Klischeebegriff "Neuaufbau" erst nimmt
Einiges klappt noch nicht so recht. In Spiel 1 versuchte die junge Truppe, ein 1:0 zu halten und wurde in letzter Sekunde bestraft. In Spiel 2 gestern zeigte man sich geläutert, drückte nach der Führung weiter, und scheiterte diesmal an einem wenig clever eingefangenen Elfmeter. Wieder ein Unentschieden, wenn auch gegen einen diesmal starken Gegner. Eine gereifte Mannschaft hätte zweimal gewonnen; das ist der Preis eines Neuaufbaus.
Ich halte trotzdem eine Menge vom Projekt "Nigeria neu". Keshi hat ja nicht alle Brücken abgebrochen, er spielt weiter das klassische 4-3-3, er vertraut weiter (als einer von ganz wenigen) drei echten Spitzen und einem System des Tempogegenstoßes; steckt also inmitten des modernen Fußballs. Es gibt wohl nur eine einzige Bedingung für den Fortbestand dieses Projekts: die Qualifikation für die nächste Runde. Dafür muss Nigeria den nächsten Gegner, Äthiopien, schlagen.
Der gestrige Kontrahent, Titelverteidiger Zambia, hat ein anderen, auch sehr wichtiges Projekt am Laufen. Man hat aus der Personalsituation eine Tugend gemacht und sich auf die große Kunst des Teambuildings verlegt. Zambia ist das, was viele (auch heuer in Südafrika) nicht sind: eine gewachsene Mannschaft.
Wie man den Klischeebegriff "Teamgeist" ernst nimmt
Das zeigte sich in den Umstellungen, die Trainer Renard für das Nigeria-Spiel vornehmen konnte. Er wechselte seine komplette linke Seite nach rechts und die rechte nach links, bzw. sogar in die Innenverteidigung. Und mitten im Spiel nahm er diese Maßnahme dann teilweise wieder zurück. Die Akteure auf dem Platz hatten merkbar nicht das geringste Problem damit. Sie sind eine Mannschaft, die ihre Egos zurückstellt, keine Positionsansprüche stellt. Wie unmurrig sich die Führungsspieler Katongo und Chansa jedes Spiel auswechseln lassen, das sucht seinesgleichen. Nur so konnte sich Zambia in den letzten Jahren vorne etablieren, nur so sind sie im Vorjahr an die Spitze gekommen. Und nur so schaffte man es nach einem Rückstand gegen diesen exzellenten Gegner, wieder zurückzukommen. Zwar mit einem glücklichen Elfer, aber doch auch verdient: durch erhöhten Druck.
Beide Teams profitieren natürlich auch von ihren Torhütern, den vielleicht besten des Turniers. Der bereits erwähnte Enyeama ist ebenso wie Kennedy Mweene nicht nur Co-Kapitän, sondern massiver Rückhalt; Enyeama durch seine Gelassenheit und Sicherheit, Mweene durch seine Ausstrahlung und Verantwortungs-Übernahme. In einem Spiel zuerst einen Elfer halten und dann einen verwerten, das zeugt von Mut, Bewusstsein und Klasse.
Mein Vertrauen in die Zukunft ist ungebrochen
Zambia trifft im letzten Gruppenspiel auf Burkina Faso, das gestern Äthiopien 4:0 überrollte, nachdem es lange nach einem knappen Spiel ausgesehen hatte, nachdem man den Tormann wegen einer übertriebenen roten Karte verloren hatte. In der Schlussphase setzte sich das (wie schon in Spiel 1) von Pitroipa und Alain Traore gelenkte Spiel der Burkiner dann doch durch. Mannschaft war da noch immer keine zu sehen, zu sehr verließen sich die meisten auf die Stars, zu sehr profitierte man von den Fehlern des Gegners. Äthiopien, von einigen schon als die echte Sensation des Turniers abgefeiert, ist dann doch die erste Mannschaft, die hier zusammenbricht, die dem Druck nicht standhalten kann, die sich dem Klasse-Unterschied ergeben muss, Lehrgeld zahlt bei dieser ersten Afrikacup-Teilnahme seit Ewigkeiten.
Äthiopien wird es gegen Nigeria entsprechend schwer haben. Burkina Faso würde gegen Zambia ein Remis reichen, der Cupholder braucht einen Sieg. Mein Vertrauen in die Zukunft ist ungebrochen.