Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mehr Mitgefühl, Rotzbremse."

Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

26. 1. 2013 - 11:39

Mehr Mitgefühl, Rotzbremse.

Vorfinale zum Protestsongcontest angeschaut. Koche vor Wut.

So eine erbärmliche Schande. Wer braucht diese Jury? Die verknappen doch nur künstlich das reiche Angebot an gesungenen Gesellschaftsanalysen.

In vier Stunden haben die vier Jury-Verknapper nur zwei Meldungen abgegeben, die ich hier verknappt wiedergeben mag: "Ekliges Pathos" und "Das ist kein Protestsong! Das ist Resignation!" Genauso überflüssig wie die "Jury" waren diese riesigen Visuals auf der Bühne. Bilder wie von einem ohnmächtigen Konsumopfer auf Psylo-Horrortrip erbrochen. Hat voll abgelenkt, das!

Die besten 25 Protestsongs 2013 zum Reinhören inklusive 10 Finalisten.

Andererseits

Es gibt keinen schöneren Ort, Schmerz, Wut und Zeitdiagnostik von den aufgewecktesten Wesen Mitteleuropas in künstlerischer Form mitgeteilt zu bekommen als das Veranstaltungszentrum Rudolfsheim bei der Protestsongcontest-Vorausscheidungs-Gala. Der repressive Mief sozialdemokratischer Bezirkskulturbürokratie in faschingsgirlandenbehangener Gewerkschaftsarchitektur bietet den perfekten Hintergrundkontrast für zeitgemäße Gesten des Aufbegehrens. (Wären nicht diese Visuals gewesen.)

Das Haus der Begegnung im 15.Wiener Bezirk bei der großen Protestsongcontest-Big-Time-Gala.

www.protestsongcontest.net

Hier passiert es.

Den Hauptpreis in der Kategorie bestes Kostüm bekommt die Moderatorin des Abends, Gerlinde Lang, die mit süffisanten Bonmots den Protest-Wettkampf in eine Fashion Show umzuorganisieren versucht hat.

Weil die Jury-Verknappung paradox und willkürlich ist, erlaube ich mir meine eigene Willkür:

In der Kategorie "was is jetzt mit der realness?" hat Max Schabl Gold geholt, er singt darüber, was die Macht aus dir macht.

In der Kategorie Trinkfestigkeit, Zwischenrufe aus dem Publikum und bester Track vom Band trotz Anwesenheit räumt Anstaltskinda aka Kapitano Chaotico ab.

In der Kategorie wahrhaftigster weil konkretester Protestsong geht je einmal Gold an Laura Rafetseder - ihre Ballade erzählt vom Polizeimassaker an kasachischen Ölarbeitern - einmal Gold ans Nonntaler Gymnasiumsbandprojekt gegen die Abschiebung eines Mitschülers (youtube) und einmal Gold ans refugee camp vienna, die ihren Hungerstreik unterbrochen haben und mit unterstützenden MusikerInnen (Gustav et al) an ihre Forderungen eine Liebeserklärung knüpfen. Letztere werden beim Finale noch einmal singen.

In der Kategorie Ideologiezertrümmerung und Vokalperformance gibt es Gold für die atemberaubende, bezaubernde und vor Witz triefende Benedikta Manzano: Mehr Mitgefühl für Märkte.

Dutschke mit Das Comeback der Revolutionen waren auch gewaltig. (Mir fällt gar keine Kategorie ein, die diesem Werk entspräche!)

Und in der Kategorie häufigstes Trendinstrument auf der Bühne gewinnt - Pok, Pok, Pok - das Cajón!

Dass unsere Zeit Protest in allen Formen nötig hat, herausgeschrien als Anklage, Schmähung, Aufbruch oder Verheißung, hat dieser Abend demonstriert. Selbstbefreiung, wo in früheren Jahren oft nur Jammern war. Jammern ist kein Protest!

Flüchtlinge protestieren und zeigen ihre Forderungen

Michael Fiedler

Jammern war vorgestern.

Die Top-10

Hier sind sie also, jene zehn Protestlieder, die im Finale aufeinander treffen, zum durchhören in voller Länge:

Anstaltskinda aka Kapitano Chaotico - Befrei Di

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Benedikta Manzano - Mehr Mitgefühl für Märkte

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Birds in Trees - Ich hoff, du schläfst beschissen

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Fargo - I tram ned

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Johnny V-Ausschnitt - Rotzbremsn san wieder in

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Linksabbiega - Dankbar

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Matatu - Guerrabanana

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refugees of the vienna refugee camp - We love Vienna/Je t'aime Vienne

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Tiefsinntaucher - Vater Staat

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wosisig - Finganeglbeissa

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Am 09. Februar wird im Rabenhof mit namhaften Protestbands die zweite Protestsongcontest-Compilation vorgestellt.

Das Protestsongcontest-Finale 2013 findet am Dienstag, 12. Februar 2013 im Rabenhof Theater statt sowie live auf Radio FM4 und im Videostream auf fm4.orf.at. Die Competition nicht zu ernst nehmen!