Erstellt am: 26. 1. 2013 - 12:12 Uhr
Erleuchtung garantiert!
Carlsen
160.000 Seiten umfasst das Werk von Osamu Tezuka. Damit ist der Japaner der mit Abstand produktivste Manga-Autor aller Zeiten. Aber nicht nur das: viele seiner Werke gelten als absolute Meilensteine der japanischen Comic-Kunst. Jetzt ist eines davon zum ersten Mal in deutscher Sprache erschienen. Das Mammut-Werk "Buddha" erzählt vom Leben des Siddharta Gautama, dem Begründer des Buddhismus.
Der Walt Disney Japans
Dessen Geburt findet sich allerdings erst ganz am Ende des ersten Bandes. Zuvor breitet Autor Osamu Tezuka eine komplexe Hintergrundgeschichte aus. Es geht um Diebe, Mönche und Sklaven, darum, wie ein kleiner Junge mit Tieren kommuniziert und wilde Abenteuer erlebt; und auch darum, wie die Angehörigen der niederen Klassen einem brutalen Armeegeneral das Handwerk legen.
"Buddha" ist das längste zusammenhängende Werk, das Osamu Tezuka jemals verfasst hat. Von 1972 bis 1983 ist es in einem japanischen Manga-Magazin erschienen. Und es markiert einen entscheidenden Einschnitt in der außergewöhnlichen Karriere des Autors. Seine Frühwerke - am bekanntesten sicherlich "Astro Boy" und "Kimba, der weiße Löwe" - orientieren sich stark an jener "runden" Comic-Ästhetik, die Walt Disneys Comic-Imperium nachhaltig geprägt hat. Tatsächlich hat Disney selbst einmal versucht, Osamu Tezuka zum Einstieg in sein Unternehmen zu bewegen.
1963 Tezuka Productions Co., Ltd. / Mushi Production
Aha! mit Bruhaha
"Buddha" weist jedenfalls noch viele Ähnlichkeiten mit Tezukas früher Schaffensphase auf: die kugeläugige Hauptfigur Datta aus dem ersten Band des Manga sieht Astro Boy zum Verwechseln ähnlich. Und auch die Stop & Go-Dramaturgie hat er beibehalten: auf kurze inhaltsintensive Passagen folgen Action-orientierte Kapitel.
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Auch wenn "Buddha" auf den ersten Blick sehr altmodisch anmuten mag, verstecken sich innerhalb der simplen Panels dennoch Innovationen: meisterhaft ist es etwa, wie Tezuka seine Panele dynamisiert, indem er sie anschrägt und so eine Hochgeschwindigkeitmontage baut. Zweckmäßige Ästhetik, nicht selten durchzogen von Pausenhof-Humor und derben Schmähs, wechselt sich ab mit traumhaften Vistas der die Handlung umgebenden und durchdringenden Natur.
Es ist dann auch vor allem die Grundierung dieser Erzählung auf dem Leben Buddhas, die Tezukas Werk eine neue Stoßrichtung verleiht, die schon auf die Düsternis seiner letzten Arbeiten deutet.
Tezuka Productions
Eine klassische Adaption von Buddhas Leben ist das Mammutwerk allerdings nicht: Osamu Tezuka liefert eine ganz eigene Interpretation davon. Das ist für westliche Leser zunächst gewöhnungsbedürftig: die für Tezuka typischen Kulleraugen der Figuren und der häufig einfache Humor scheinen schwer mit der Geschichte zusammenzugehen. Ein Trugschluss, denn das Geheimnis von "Buddha" liegt in den vielschichtigen Figuren und damit im Menschen selbst begründet. Über den Sklavenjungen Chapra, den General Budai und all die anderen taucht man tief ein in die spirituelle Realität der Erzählung.
Die Geburt von Siddharta Gautama Buddha steht am Ende des ersten Bandes. Die 250 Seiten davor handeln von Selbstlosigkeit und Eigennutz, von kindlichem Übermut und Klassenkampf. "Buddha" ist ein humanistisches Hauptwerk der Literatur; ein bewegendes, intelligentes und – im besten Sinne - kindisches Epos, das die ganz großen Themen auf Augenhöhe mit dem Menschen verhandelt.