Erstellt am: 24. 1. 2013 - 19:54 Uhr
Schlag gegen Neonazi-Szene
"Objekt 21" - hinter dieser Bezeichnung vermutet man etwas anderes, als 200 Neonazis. Ein schlichtes Bürogebäude vielleicht. Allerdings keine Gruppe, die Dreh- und Angelpunkt einer kriminellen, rechten Organisation im Salzkammergut ist. Hauptquartier: das idyllische Desselbrunn in Oberösterreich.
APA/PHILIPP WIATSCHKA
Seit zwei Jahren ist die Neonazi-Vereinigung "Objekt 21" eigentlich verboten. Ihr "Wappenzeichen" ist der Schlagring. Der Gruppe werden unzählige Straftaten vorgeworfen: 23 Einbrüche, Raubüberfälle, Brandanschläge, illegale Prostitution und Körperverletzungen sowie ein Gesamtschaden von 3,5 Millionen Euro. Außerdem wurden bei Hausdurchsuchungen auch 10 Kilogramm Sprengstoff und illegale Faustfeuerwaffen sichergestellt. Kleines Bonmot nebenbei: Auch ein Buntmetall-Diebstahl steht auf der Liste. Ein "Geschäfts-Bereich", der in der Regel eher anderen Gruppen zugeordnet wird.
Interview mit Andreas Peham
Bei der Liste der angeführten Straftaten und dem äußerst brutalen Vorgehen, das den Beschuldigten vorgeworfen wird, stellt sich natürlich die Frage, ob das jene "neue Qualität" von rechtsextremem Terror ist, den wir in den vergangenen Jahren auch in Deutschland gesehen haben. Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) sieht Parallelen dazu, aber auch Unterschiede.
Herr Peham, in Oberösterreich meldet die Polizei, dass in den Bezirken Ried und Vöklabruck ein rechtsradikales Netzwerk ausgehoben wurde. 24 Verdächtige sind festgenommen worden. Der Verein soll 200 Mitglieder haben. Wie ist diese Dimension einzuschätzen?
Für uns ist das nichts Überraschendes. Wir kennen über 300 Namen von Menschen aus der Neonaziszene, die in Oberösterreich unmittelbar zu diesem Milieu zu zählen sind. Also die Größe ist weniger das Überraschende. In anderen Bundesländern sieht es auch nicht viel anders aus. Wobei Oberösterreich, Vorarlberg und Teile von Tirol sicherlich noch einmal hervorstechen. Aber das Besondere und natürlich auch das Besorgniserregende ist die Unmenge an mutmaßlichen Delikten, Waffen und Sprengstoff - das ist das Neue. Wobei es auch nicht der erste Waffenfund bei Neonazis ist. Gerade in letzter Zeit häufen sich die diesbezüglichen Meldungen.
Wenn man die Diskussion zu der Meldung in Internetforen verfolgt, sieht man, dass sich viele die Frage stellen, ob die Gruppe bei dieser Anzahl von verschiedenen Strafdelikten überhaupt noch in erster Linie als rechtsextreme Organisation anzusehen ist. Einige Stimmen meinen, dass die Gruppe hauptsächlich eine kriminelle Vereinigung ist. Ist es da zulässig eine Unterscheidung zu machen?
Die Grenze zwischen krimineller Vereinigung und Neonaziszene existiert nicht, der Neonazismus ist von sich heraus kriminell. Es gibt keinen Neonazismus ohne Gewalttätigkeit, ohne Drohung, ohne Übergriffe, ohne Waffensammeln. Es sind verschiedenste Delikte, die nicht erst in diesem Fall, sondern schon seit langem von Neonazis gesetzt und vorbereitet werden. Insofern kann man das tatsächlich nicht trennen. Für uns im Dokumentationsarchiv überwiegt natürlich der politische Aspekt. Aber nicht erst in diesem Fall stoßen wir immer wieder auf Kontakte, Verzweigungen in andere Milieus, Zuhälterei, Drogen. Das ist nichts Neues für uns.
Polizei
Wenn wir diese Vorwürfe hören: Waffenhandel, Sprengstoff... Da fallen einem die Anschläge der rechten Terrorzelle NSU (Abk. für Nationalsozialistische Untergrund) ein, die im November 2011 entdeckt worden sind. Lassen sich dorthin auch Verbindungen ziehen und Muster erkennen?
Ja unbedingt. Vor allem wenn man weiß, dass es genau von dieser Gruppe "Objekt 21" bzw. auch von der Vorläufergruppe mit dem bezeichnenden Namen "Kampfverband Oberdonau" Leute gibt, die über beste Kontakte nach Deutschland verfügen, auch nach Thüringen. Leute aus dieser Gruppe waren wiederholt in Jena beim sogenannten Fest der Völker. Das ist eines der größten Neonazitreffen in Europa, mit weit über 1000 Teilnehmern und weit weniger Teilnehmerinnen. Kontakte bestehen auch ins benachbarte Bayern zum "Widerstand Süd", wo ja Anschlagspläne gefunden wurden. Einer der Verantwortlichen wurde verurteilt, wegen einem versuchten oder vorbereiteten Anschlag auf eine erst im Bau befindliche Synagoge in München. Also da gibt es seit Langem einen regen Grenzverkehr und insofern ist auch das für uns nicht überraschend. Genausowenig wie die Ähnlichkeit in der Organisationsform und natürlich auch in der Gewaltbereitschaft.
Das Beschriebene erinnert ein wenig an die 1990er Jahre, wo es verschiedene Anschläge von Rechtsextremen gegeben hat. Ist diese große Gewaltbereitschaft ein Phänomen, das jetzt wieder gehäuft auftritt, oder eigentlich nichts Neues?
Vielleicht ragt dieses Ereignis wegen der Anzahl der Inhaftierten heraus, aber grundsätzlich reiht es sich in eine ganze Reihe von aufgeflogenen Gruppen ein, von Urteilen und einschreitenden Behörden. Wir haben im gesamten Bundesgebiet in unregelmäßigen Abständen immer wieder derartige Gruppen, die auffliegen. Ich darf auch an den Alpen-Donau-Prozess erinnern, der ja unlängst mit Schuldsprüchen geendet hat (Anm. in Berufung). Auch hier gab es gute Kontakte nach Oberösterreich. Auf Alpen-Donau.info war wiederholt auch Solidarität mit einem der Hauptverdächtigen gefordert worden - allerdings wegen eines anderen Falls. Das ist einer der Anführer, der Rädelsführer der aktuellen Gruppe.
Welche Verbindungen gibt es zu Gottfried Küssel (Anm. Hauptangeklagter im Alpen-Donau-Prozess)?
Da gibt es von uns ganz viel gut dokumentiert. Küssel ist nachweislich in engstem Kontakt zum "Bund Freier Jugend" (BFJ) gestanden, eine Neonazi-Gruppierung in Oberösterreich, die 2007 aufgeflogen ist. Die war nie als Verein angemeldet. Leider muss man sagen, ist das Verfahren gegen den BFJ mit Freisprüchen beendet worden. Allerdings nicht, weil die Angeklagten keine Neonazis gewesen wären, sondern - wenn man so will - wegen Fehlern der Anklage. Diese Kontakte setzen sich dann zur Alpen-Donau-Info fort. Dort finden sich Solidaritätsaufrufe für den Anführer und Mitbegründer von "Objekt 21". Der musste ja bereits im Herbst 2010 für 28 Monate in Haft, er ist also mehrfach vorbestraft wegen schwerer Körperverletzung. Dieser Hauptverdächtige und einige andere ziehen schon seit 2005 richtiggehend eine Spur der Gewalt durch Oberösterreich. Wie gesagt, mit Kontakten nach Deutschland und zur Alpen-Donau-Seite.
Wenn diese Dinge und diese Gruppe "Objekt 21" schon so lange bekannt waren, warum ist erst jetzt etwas passiert? Kann da auch nicht der Eindruck entstehen, dass von den Behörden bei reiner Wiederbetätigung eher weggesehen wird und erst dann aktiv eingegriffen wird, wenn andere kriminelle Handlungen dazukommen, wie zum Beispiel Zuhälterei oder Drogenhandel?
Jein. Also da kann ich nicht zustimmen. Und ich bin bekannt dafür, dass ich auch die Polizei oder die zuständigen politischen Stellen kritisiere, wenn es notwendig ist. In dem Fall muss man aber die Polizei aber ein bisschen in Schutz nehmen, gerade in Oberösterreich. Denn genau gegen diese Gruppe wird schon sehr lange ermittelt. Ich darf erinnern, dass "Objekt 21", also der Verein, Anfang 2011 rechtmäßig verboten wurde. Es gibt bereits Verurteilungen der Haupttäter. Die fallen halt dann immer wieder zurück, von Sozialisierung ist in diesem Fall nichts zu merken gewesen. Das sind also alles keine Unbekannten und es dürfte hier eine SOKO (Anm.: Sonderkommission) gegeben haben. Das heißt, man hat hier gründlich und schon länger daran gearbeitet. Und wie bereits gesagt: Schon in der Vergangenheit gab es behördliche Schritte gegen die Verantwortlichen. In diesem Fall und mit dem jetzigen Wissenstand kann man der Polizei nichts vorwerfen.