Erstellt am: 24. 1. 2013 - 18:21 Uhr
Liebes Programmkino!
Freitag Abend ist es schon zum dritten Mal so weit: In ganz Österreich findet die Nacht der Programmkinos (hier geht's zur Seite der IG Programmkino, die hinter der Nacht der Programmkinos steht) statt. Bei freiem Eintritt wird das Publikum eingeladen, Filme abseits des Mainstreams, was immer das auch im Jahr 2013 zu bedeuten hat, zu entdecken - und gleichzeitig auch dem Charme der Programmkinos zu erliegen.
In letzter Zeit waren die unabhängigen Lichtspielhäuser Österreichs häufig in den Schlagzeilen: Die Kino-Digitalisierung und das Problem mit illegalen Film-Downloads ließen einige schon vom Tod des Kinos reden. Aber wie steht es wirklich um die traditionsreichen Häuser? Wie bereiten sie sich auf die Zukunft vor? Und wird es in zehn, fünfzehn Jahren überhaupt noch Programmkinos geben?
mediabiz.com
Arthouse statt Programmkino
Peter Zawrel, langjähriger Geschäftsführer des Filmfonds Wien, hat die heimische Kino-Szene über Jahrzehnte hinweg beobachtet und mitgestaltet - und weiß natürlich auch, was ein gutes Programmkino ausmacht: "Der Name Programmkino kommt vor allem daher, dass es sich um Kinos handelt, die autonom ihr eigenes Programm gemacht haben, die sich nicht programmieren ließen, die nicht von Majors und einem Verleihmarkt abhängig gemacht haben, sondern die sich selber ihr eigenständiges Programm gemacht haben."
Programmkinos gibt es in Österreich keine mehr. Die Zeit hat aus allen Arthouse-Kinos gemacht. Der Unterschied liegt nicht im Auge des Betrachters, sondern auf der Leinwand, und damit auf der Hand: statt einem autonom gebauten Programm irgendwo zwischen Mainstream und Avantgarde, bedienen die Programmkinos jenen Arthouse-Markt, der längst zum alternativen Mainstream geworden ist.
Hertha Hurnaus
Wieso das Gefühl, dass immer dieselben Filme in den österreichischen Programmkinos landen, gar nicht so falsch ist, das weiß Michael Stejskal. Er führt seit vielen Jahren den wichtigsten unabhängigen Filmverleih des Landes, den Filmladen, sowie das daran angeschlossene Votivkino: "Österreich ist als eigenständiger Verleihmarkt für die meisten internationalen Vertriebe nicht existent oder nur bedingt existent, weil die Weltvertriebe, die die Filme im Auftrag der Produzenten international verkaufen, sich's am liebsten einfach machen und die Rechte für den gesamten deutschsprachigen Raum verkaufen. Das heißt, die Rechte für Österreich, die deutschsprachige Schweiz und Deutschland werden an einen deutschsprachigen Verleih verkauft, der sich seinerseits wieder einen Subverleih in Österreich sucht - mit allen strukturellen Folgen, die das hat."
Keine Nische mehr
Nischenfilme finden in einer solchen Verleihstruktur kaum mehr Platz. Um sie zu sehen, weicht das Publikum mittlerweile vor allem in das Filmwunderland des Internets aus. An der "Nacht der Programmkinos" nehmen vor allem arrivierte Häuser teil: das Wiener Gartenbaukino zum Beispiel, das Innsbrucker Leokino und das Moviemento in Linz. Ihnen allen ist gemein, dass sie eine zentrale Lage und ein Stammpublikum haben. Programmkinos außerhalb von Stadtzentren oder jenseits von Ballungsräumen geht es weniger gut. Beziehungsweise existieren sie gar nicht mehr.
Gartenbaukino.at
Allein in Wien mussten im letzten Jahr gleich mehrere solcher Programmkinos zusperren. Dazu Peter Zawrel: "Was die Großstadt anbelangt, da ist der Zug einfach abgefahren. Da muss man ja Dinge mitbedenken, wie Gentrifizierung und wie sich ganze Bezirke komplett verändern von der Bevölkerungsstruktur her, wie sich Verkehrssituationen verändern. Das kann auch im Zentrum wirksam werden. Das Stadtkino am Schwarzenbergplatz ist auch durch die stadtplanerischen Veränderungen am Schwarzenbergplatz, durch die Eingriffe dort, stark beschädigt worden. Das ist keine Frage."
Das Stadtkino findet ab diesem Herbst immerhin im Wiener Künstlerhaus eine neue Heimat. Für die Dorfkinos kommt hingegen jede Hilfe zu spät. Ländliche Regionen sind das Herrschaftsgebiet von Multiplexen. Und gegen die kommt kein Arthouse-Kino an. Dass damit ein wesentlicher Bestandteil der Kulturlandschaft verloren gegangen ist, ist für Peter Zawrel eine Tatsache. "Da ist es um die Erhaltung der Dorfwirtshäuser gegangen, um die Erhaltung der Dorf-Greißler. Daraus haben wir dann abgeleitet, es geht um die Erhaltung der Dorfkinos, weil die haben eine ähnliche Bedeutung wie das Wirtshaus und der Greißler.
Ich denke, dass sich das Kino wie immer seitdem es besteht, aber derzeit stärker als sonst, in einer Umbruchphase befindet. Es ist sehr viel Neues da, das entstehen könnte, entstehen sollte. Und man muss möglichst viele Optionen offenhalten, damit das entsteht."
Digital statt genial
Gravierende Veränderungen hinsichtlich des österreichischen Kinobesuchsverhaltens weist zumindest der aktuelle Filmwirtschaftsbericht nicht aus: ein leichtes Minus von 4,2 Prozent klafft zwischen 2010 und 2011. Die Herausforderungen der Programmkinos sind aber ohnehin eher struktureller Natur. Um konkurrenzfähig zu bleiben, mussten die meisten Häuser in den letzten Jahren auf digitale Projektionsanlagen umstellen. Eine Investition, die nur mithilfe massiver staatlicher Förderungen durchführbar war.
Mittlerweile zeigen selbst Häuser wie das Filmcasino fast alle aktuellen Filme von der Festplatte. An der Programmstruktur selbst hat sich dadurch aber kaum etwas geändert. Ein Fehler, wie Peter Zawrel meint. "Immer, wenn sich in einem bestimmten Bereich strukturelle Probleme kumuliert haben, dann wird eine unausweichliche technische oder sonstige Neuerung als Hebel herangezogen, weil man glaubt, man kann mit diesem Hebel dann alle Probleme lösen. Das ist falsch."
Gartenbaukino.at
Die Innovation ist also eine rein technische. Das könnte den heimischen Kinos zum Verhängnis werden: in Ländern wie den USA oder Großbritannien, in denen es keine staatliche Kinoförderung gibt, hat man die Zeichen der Zeit schon viel früher verstanden. Konzeptkinos wie das Alamo Drafthouse in Austin oder das Prince Charles Cinema in London setzen auf eine Mischung aus alten und neuen Filmen, Konzerten und Events.
Sind wir nicht alle ein bisschen Tarantino?
Dem liegt zugrunde, dass sich der Kinogänger selbst verändert hat. Genau, wie ein Regisseur wie Quentin Tarantino Hoch- und Popkultur gleichzeitig begeistert, gibt es auch den klassischen Programmkinobesucher nicht mehr. Pater Zawrel meint dazu: "Dieses stromlinienförmige Publikum, das nur an einer Sache interessiert ist, das wird weniger. Die Menschen sind an vielfältigen Dingen interessiert. Das zeigt sich ja in allen Bereichen der Kultur und des Kulturkonsums."
Die Programmkinos stehen also vor einer gewaltigen Herausforderung. Und diesmal ist es keine technische, sondern eine inhaltliche. Um zukunftsfähig zu sein, müssen die Verantwortlichen überlegen, welche Funktion das Kino in fünf, zehn Jahren überhaupt noch erfüllen kann. Einfach nur Filme zu zeigen und dafür zehn Euro zu verlangen, wird zu wenig sein.
Vielmehr werden sich die Arthouse-Häuser zu klassischen Programmkinos zurück entwickeln müssen: mit einem autonomen, innovativen Programm und dem Charisma der Orte selbst sollte es kein Problem sein, ein treues Publikum zu finden. Der erste Schritt muss aber jetzt gesetzt werden. Statt Konservativismus braucht es Innovation und Vision.