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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

24. 1. 2013 - 18:44

Die Höhle kann sprechen

"The Cave", das neue Rätselspiel von Adventure-Guru Ron Gilbert, ist ein kurioser, unterirdischer Unterhaltungspark.

Die Prinzessin, die lieber Elektrotechnik studieren möchte, anstatt vom hundersten dahergelaufenen Ritter gerettet zu werden, ist nur eine von vielen aufgeklärten Kuriositäten. In "The Cave" erforschen drei Frauen, drei Männer und ein gruseliges Zwillingspärchen eine sprechende Höhle, in der es gar sonderbare Dinge zu entdecken gibt. Das Game ist aus der Feder von Adventure-Urgestein Ron Gilbert, verantwortlich für die Abenteuerspiel-Klassiker "The Secret of Monkey Island" (1990) und Lucasfilm-Adventure-Erstling "Maniac Mansion" (1987).



"The Cave" ist hinsichtlich der Charakterauswahl eine Art inoffizelle Fortsetzung von "Maniac Mansion". Schon damals konnten wir aus sechs Figuren wählen; diesmal sind es sieben: die Zeitreisende, der Mönch, der Ritter, die Wissenschafterin, die Abenteurerin, der Hillbilly und die Zwillingskinder. Am Anfang des Spiels müssen wir uns für drei Figuren entscheiden, die ab sofort gemeinsam alle Höhlenrätsel lösen werden. Jeder und jede hat eine Spezialfähigkeit. So kann etwa der Ritter einen Schutzschild ausfahren, die Wissenschafterin Computer hacken und die Zeitreisende sich durch Wände zaubern. Ein Inventar gibt es nicht, jede Figur kann allerdings einen beliebigen Gegenstand tragen.

Triumphales Trio

"The Cave" ist eine Ansammlung bestimmter Settings. Da gibt es etwa die antike Pyramide, ein vergessenes Forschungslabor oder eben die klassische König, Prinzessin und Ritter-Geschichte, die man aus Märchen kennt. Weil Spiele von Ron Gilbert aber vor allem unterhaltsam sind, werden diese Settings mitsamt ihrer Klischees stets mit humorvollen Dialogen und Figuren gebrochen. Dazwischen meldet sich immer auch die allwissende, als Erzähler fungierende Höhle selbst zu Wort, die ebenso philosophisch-weise wie hinterfotzig ist. Etwa dann, wenn verlockende Hebel an der Wand montiert sind, die dann aber keine Tür öffnen sondern die unterirdischen Gänge zum Einsturz bringen.

So startet einer der Rätselabschnitte, bei dem wir einem verzweifelten Goldgräber nach dem Höhleneinsturz seine Förderwagen zurückbringen müssen. Hier ist gemeinschaftliches Vorgehen nötig. So muss etwa an einer Stelle eine Figur einen der Wagen halten, damit die andere zur selben Zeit das geschürfte Gold darauf verladen kann. "The Cave" ist somit nicht nur Adventure sondern auch eine ständige Zusammenarbeit kongenialer Partner/innen - so, wie im Kombinationsklassiker "The Lost Vikings" oder in jüngerer Zeit bei der "Trine"-Serie. Übrigens hat jede Figur ihre auf sie zugeschnittenen Levels. Diese kommen im Spiel selbstverständlich nur dann vor, wenn diese Figur anfangs auch ausgewählt wurde. Andere Abschnitte wiederum sind generisch und bei jeder Figurenkombination mit im Spiel.

Der Ritter, die Abenteurerin und der Hillbilly stehen am Balkon der Prinzessin.

Double Fine

Eine fertige Geschichte, die umgesetzt werden muss

Der Grund, warum Ron Gilbert als einer der wichtigsten Autoren von Adventure-Games gilt, liegt darin begründet, dass er - wie kaum jemand in der Videospielbranche - sehr gut darin ist, prägnante Charaktere und humorvolle Szenen zu schaffen. Dass das bei Adventures grundlegend wichtiger ist, als bei anderen Gattungen, liegt in der Beschränktheit des Genres begründet. Das Adventure ist im Regelfall ein vorgegebener Schlauch, eine fertig erzählte Geschichte, die vom Spieler bzw. der Spielerin nur noch gefunden und freigelegt werden muss. Stimmt hier die Präsentation nicht, etwa in Form von langweiligen Protagonisten oder einer belanglosen Geschichte, kann auch das eigentliche Spiel - also die Puzzles bzw. Rätselaufgaben - hier nicht mehr viel retten.

Obwohl Autor Ron Gilbert und Publisher Double Fine Productions sich mit "The Cave" von der klassischen Adventure-Ästhetik mit ihren festen Einstellungen und sich bewegenden Hintergrundbildern wegbewegt haben und eine vor allem jüngeren Gamern vertrautere Jump'n'Run-Optik bieten, bleibt das Wesen des Genres unberührt. Das reine Überlegen und Puzzlen alleine genügt nicht, das pure Denken muss physisch umgesetzt werden, indem die Figur die jeweiligen Aktionen dann tatsächlich auch ausführt. Insofern ist das Herumspringen und an Leitern und Seilen rauf und runterklettern von "The Cave" für das Adventure-Genre möglicherweise konsequenter als das Lenken der Figuren per schnöden Mausklicks. Ähnlich viszeral stellt sich auch die Gefährlichkeit der Höhle dar. Wirklich sterben kann man dank schnellem Wiederbelebungs-Feature zwar in "The Cave" nicht, der temporäre Tod lauert dennoch an jeder zweiten Ecke. Und ein bisschen sticht es dann doch, wenn man mal wieder vom Drachen ausgeräuchert wird.

Die Wissenschafterin hat eine Wurst in der Hand und steht neben einem Soda-Automaten mit der Aufschrift "New Grog".

Double Fine

Mit der Hoffnung auf Fortsetzung

"The Cave" kann hinsichtlich Text, Humor, Puzzles und Präsentation mit den alten Ron Gilbert-Adventures mithalten. Es ist schlau, unterhaltsam, inhaltlich logisch und kurzweilig - hätte aber durchaus etwas umfangreicher ausfallen können. Falls es sich um den Start einer Serie handelt, wird das Spiel in den folgenden Teilen wohl immer mehr aufblühen. Folgen aber keine weiteren Episoden, wird es zum Klassiker nicht reichen. "The Cave" ist trotzdem empfehlenswert, erschienen als Download für Steam (Windows, Linux, Mac), PlayStation 3, Xbox 360 und Wii U.