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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

28. 1. 2013 - 17:40

Bringta, bringta

Kurt Razelli ist der neue heimische YouTube-Star und Maestro des TV-Sampling, stets auf der Suche nach dem perfekten Flow.

Wer elektronische Musik oder HipHop produziert, der oder dem fehlt ja oft eine gute Stimme, die über die Instrumentals rappt oder singt. Findet sich niemand, ist die beste Alternative dazu das altbekannte Sampling: Man sucht sich etwa aus Filmen Gesprächsfetzen zusammen und bastelt da drumrum sein Musikstück. Für langsamere Produktionen werden z.B. gerne weibliche Soul-Stimmen genommen, frühe Hardcore-Techno-Tracks bedienten sich gerne gruselig bis kreischenden Passagen aus Horrorfilmen.

Jemand, der dieses sogenannte Vocal-Sampling in Österreich perfektioniert hat, ist Kurt Razelli. Politiker, Promis und Peinlichkeiten - sie alle sind nicht vor ihm sicher. Rund 50 Razelli-Songs gibt es bisher, ihre Protagonist/innen dienen aber nicht bloß der musikalischen Auflockerung. Sie sind der Kern, das Herz jeder Produktion und gehen eine kongeniale Symbiose mit dem jeweiligen Instrumental ein.



Der Razelli-Effekt ist, wenn aus einer Stimme, aus einem beiläufigen Interview und kleinen Sprachkuriositäten ein neuer Kontext geschaffen wird. Ob klar artikulierte Worte, wirre Satzkonstruktionen oder schieres Gebrabbel zum Remixen hergenommen werden, ist dabei nebensächlich. Wichtig sind ein prägnanter phonetischer Charakter, Ausdrucksstärke und der Flow, wie es Kurt Razelli selbst im FM4-Interview bezeichnet. Die Stimme als ureigenstes Instrument des Menschen wird seziert, in Einzelteile zerlegt und auf ihr Wesen hin analysiert. Entsprechend der jeweiligen Anmutung der Sprache wird anschließend das Musikbett gestaltet.



Die musikalische Homebase von Kurt Razelli ist HipHop, und dementsprechend sind auch die Instrumentals der früheren Stücke ausgefallen. Weil der Produzent hinter der Razelli-Maske (derzeit übrigens die kurios-doofe "Bringta, bringta"-Frau) aber mit unterschiedlichen Musikauftragsarbeiten sein Geld verdient, sind auch die Songs vom Kurt im Laufe der Monate stilistisch immer vielfältiger geworden.

"Es muss das Instrumental zur Person passen. Bei manchen Personen passt halt nur ein etwas kräftigerer Techno und manchmal ist es wieder der stricte street beat - es kommt auf den Charakter an."



Das Vertonen der Hülle und Fülle an audiovisuellem Material im Netz hat Kurt Razelli natürlich nicht erfunden. In den USA etwa ist die "Songify"-Bewegung auf YouTube sehr beliebt, die sich etwa im Double-Rainbow-Song niederschlägt, der es auf satte 32 Millionen Aufrufe bringt. Von solchen Zugriffszahlen kann Kurt nur träumen, und doch stellen sich Razelli-Songs einer größeren Herausforderung als die kitschigen Autotune-Songs, bei denen gesprochene Sprache auf Teufel-komm-raus in eine belämmerte Melodie umgewandelt werden muss. Hier machen sich die HipHop-Roots positiv bemerkbar: Singen ist doch nicht notwendig, wenn man auf einen Haufen guter MCs zurückgreifen kann.

"Kurt Razelli interessiert keine Partei, aber z.B. Gerald Grosz vom BZÖ ist ein super Rapper, der Flow ist ideal!"



Kurt Razelli produziert in einzelnen Sessions, wo es am ersten Tag rein um das Audio - also die Vermählung von Stimme und Musik - geht. Der Videoschnitt folgt davon abgesetzt als zweiter Schritt. Wer beim allerersten Liveauftritt in der Wiener Pratersauna Ende November letzten Jahres dabei war, hat sich vielleicht gewundert, warum so viele maskierte Menschen auf der Bühne waren und nicht bloß einer. Die Crew vom Kurt ist gleichzeitig seine persönliche Qualitätskontrolle: ist ein Stück fertig, wird gemeinsam gehört und ehrlich kritisiert. Erst, wenn sich alle einig sind, dass das neue Stück komplett stimmig ist, findet der Upload auf YouTube statt.

Dass es mit dem Fernseh-Sampling-Konzept keinen herkömmlichen Kurt-Razelli-Release geben können wird, stört den Meister nicht. Es ist ein Spaßprojekt, das mit der höchstmöglichen Qualität umgesetzt und mit Aufmerksamkeit belohnt wird. Die gesampelten Rundfunkstationen freuen sich offenbar über die virale Wirkung ihrer vom Kurt geremixten Inhalte und die Hauptdarsteller/innen der Razelli-Songs fühlen sich mitunter sogar geschmeichelt.



Weil ein gutes Lied alleine nicht immer reicht, wählt der Kurt die Personen, die er sampelt, oft auch strategisch aus. So hören sich politisch interessierte Menschen etwa öfter die Nationalrat-Songs an, Fans der gepflegten Blödelei hingegen lieber den Lugner oder den Maxl aus Simmering. Fußball-Fans haben sich besonders über den Track mit Marko Arnautovic gefreut.



Das komplette Interview mit Kurt Razelli aus der FM4-Soundpark-Sendung vom 28. Jänner gibt es eine Woche lang im Stream zum Nachhören.

Darüber hinaus sollen Promi-Songs mit Arnold Schwarzenegger oder David Hasselhoff die Reichweite erhöhen. So wird die Zielgruppe maximiert und das Potenzial an neuen möglichen Kurt-Razelli-Fans gestärkt. Trotz der guten inhaltlichen Streuung ist das österreichische Lokalkolorit ein sich durchziehender roter Faden. Es ist kein vordergründiges Ziel von Kurt Razelli, aber es ergibt sich halt meistens so und schafft eine inhaltliche Stringenz.

Neue Kurt-Razelli-Songs sollen künftig circa im Dreiwochenrhythmus veröffentlicht werden. Früher war es wegen des hohen Output oft sogar schon den Fans zu viel. Doch der Kurt weiß: Gute YouTube-Memes brauchen ihre Zeit um ins kollektive Gedächtnis zu sickern. Beweg' disch nischt!