Erstellt am: 23. 1. 2013 - 11:25 Uhr
Afrikacup-Journal '13. Eintrag 5.
Das ist das gewohnte Special innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Begleitung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft des Planeten.
Das alles im Rahmen des Journal '13, das heuer thematisch wohl dem Twitter-Profil entspricht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball.
Nein, gerecht ist das nicht.
Dass sich der Toptop-Favorit keine Schlüsse aus seinem freud-, verve- und glücklosen Turnier von 2012 (das vom Schicksal mit der bittersten aller Finalniederlagen bestraft wurde) zieht, sondern mit der gleichen pomadig-hochtrabenden Einstellung auch in diesen Afrika-Cup geht (den wohl letzten den Didier Drogba, Kolo Toure und der selbsternannte Maestro Zokora gewinnen können) und das erste Spiel gewinnen, anstatt rechtzeitig einen Denkzettel zu bekommen - das ist weder fair noch gerecht noch gut für die Beteiligten.
Dass sich Tunesien, der Sieger von 2004, der beim letzten Turnier in Südafrika (1996) auch im Finale stand, gegen den benachbarten Angstgegner Algerien in erster Linie hinten reinstellten und gnadenlos auf 0:0 spielten und dann in der Nachspielzeit mit einem Sonntagsschuss das Match gewinnen, ist auch gegen alle Leistung und leistet negativen Vibes Vorschub.
Die Wertigkeit misst man an der Leistung des Goldschützen
Da war das Glück zweimal ein recht besoffenes Vogerl.
Wobei der tunesische Sieg noch absurder war als der ivorische. Was sich auch in den Schützen der Siegtreffer manifestiert. Bei der Côte d'Ivoire war es nämlich Arsenal-Akteur Gervinho, der einzige, der sich gestern nachmittag echt bemühte, in einem tempolosen Spiel Löcher riss und Engagement zeigte. Den traumhaften Rist-Abscherzler am langen Eck zum 2:1 seiner Mannschaft gönnt man ihm.
Das goldene Tor für Tunesien erzielte der beste Akteur des letzten Turniers Youssef Msakni mit einem Traumschuss ins Kreuzeck aus 30 Meter. Bloß: Msakni war die 90 Minuten davor nicht zu sehen. Ich habe mich die gesamte erste Halbzeit massiv abgemüht ihn und seine Position überhaupt wahrzunehmen.
Aber der Reihe nach.
Togo, der ivorische Gegner, hat abgesehen von Superstar Emmanuel Adebayor eigentlich nicht so viel zu bieten; dafür hielt man gegen den schlurfigen orangen Elefanten aber ordentlich mit. Coach Didier Six (dessen wüste Haarpracht eine Tönung des Nachwuchses vertragen könnte) stellte ein recht mutiges 4-3-3 (überhaupt das System dieses Turniers) auf, in dem vor allem Gakpe, die hängende Spitze aus Nantes, ein Mann der aus jeder Lage schießt, auffiel.
Côte d'Ivoire: hochtrabend, selbstgefällig, tranig
Das System des Teams aus der Elfenbeinküste kennen wir ja vom Testspiel gegen Österreich. Da war zwar viel vom zweiten Anzug zu sehen, aber natürlich das 4-3-3, das Coach Sabri Lamouchi von seinen Vorgängern übernommen hat.
Einzig der Tatsache, dass die Flügel (Gradel, später Kalou und der erwähnte Gervinho) ununterbrochen rochieren sowie in die Mitte ziehen und somit komplett unausrechenbar bleiben, verdankten die Ivorer ihre prinzipielle Überlegenheit. Der Rest war Glück. Adebayors Rückpassfehler-Chance in der 2. Minute, das aberkannte Tor von Nibombe oder die unglaubliche Hundertprozentige in der Schluss-Minute hätten den Favoriten allesamt vom Thron stoßen können/müssen. Der hatte Yaya Toure (einmal Tor, einmal Stange, einmal Großchance), aber dann eben den erwähnten Gervinho. Sonst aber nur selbstgefälligen Leerlauf.
Nach diesem Auftritt hat der von allen geliebte Favorit jetzt Momentum, Stimmung, die lokale Crowd und die Fußball-Öffentlichkeit gegen sich. Was lange an der Kippe stand, ist jetzt gekippt. Beim nächsten Spiel wird weniger das Resultat, sondern allein die Attitude, mit der Les Elephants ins Spiel gehen, Beachtung finden.
Macht der ängstliche tunesische Sieg Algerien erst stark?
Das Abendmatch war dann noch eine Zacke absurder. Algerien ging mit soviel mehr Selbstbewusstsein in das Nachbarschafts-Duell mit Tunesien, dass es körperlich spürbar wurde. Nicht wegen der Härte in diesem Match (die verteilte sich gleichmäßig), sondern durch die unsichere Raumaufteilung der Weißen, ihr ängstliches Kombinationsspiel, ihre (auch durch den frühen Ausfall von Jemaa bedingte) Traumined-Haltung.
Das wurde erst in Hälfte zwei, mit der Hereinnahme von Darragi (der in Sion Beschäftigte kam für Traoui, den Ex-Salzburger) etwas besser. Coach Sami Trabelsi hatte auf die Defensive von Esperance Tunis, den Champions League-Finalisten, und eine Offensiv-Reihe aus der Golf-Region - über allzu viele Legionäre in Europa verfügt man gerade nicht; was auch mit der Klasse der heimischen Liga zu tun hat. Trotzdem sorgt das für eine Art Minderwertigkeits-Gefühl Algerien gegenüber.
Dort hat das Trainer-Schlachtross Vahid Halilhodzic eine wahrhaft internationale Truppe (Legionäre aus Spanien, Italien, England, Frankreich, Portugal, Russland...) beieinander. Die starke linke Seite (Mesbah/Milan sowie Kadar/Marseille) und der als Rechtsaußen aufgestellte Spielgestalter Feghouli (Valencia) trieben das Spiel kombinationstüchtig bedingungslos nach vorne; Mittelstürmer Slimani (der noch daheim spielt) erwischte einmal die Latte, der Rest des Teams erspielte genug Chancen für die Entscheidung, forderte sie aber nicht früh genug heraus.
Immerhin erscheint Algerien als stark genug den Aufstieg trotzdem noch zu schaffen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass der aktuell 19. der FIFA Weltrangliste nach den Erstauftritten beim Afrika-Cup zu den (wenigen) positiven Erscheinungen/Überraschungen zählt, und dabei auch noch die Mannschaft mit dem höchsten Substanz-Faktor zu sein scheint; also eigentlich Titel-Favorit sein müsste. Aber das ist zu absurd, oder?