Erstellt am: 20. 1. 2013 - 17:01 Uhr
Volksbefragung 2013: Alles beim Alten?
Über 50 Prozent Beteiligung und eine deutliche Mehrheit von etwa 60 Prozent stimmten für die Beibehaltung des bisherigen Systems von Wehrpflicht und Zivildienst. Damit bekleckern sich zum Auftakt des Super-Wahljahres weder die Meinungsforscher noch die SPÖ mit Ruhm. Die einen hatten vor Jahren via Wiener Bürgermeister Michael Häupl und später auch Verteidigungsminister Norbert Darabos die Volksbefragung vom Zaun gebrochen, die anderen waren von einer deutlich niedrigeren Wahlbeiteiligung von 30 bis knapp über 40 Prozent und einem viel knapperen Ergebnis ausgegangen.
Anhören: Erste Reaktionen
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Das Verteidigungsministerium als lahme Ente?
"Wir haben die Entscheidung der Bevölkerung selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen", lautete Sonntag Nachmittag die erste Reaktion von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Und: Obwohl Verteidigungsminister Darabos sich klar für einen Systemwechsel hin zu einem Berufsheer ausgesprochen hat, soll er im Amt bleiben.
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Johanna Zauner und Mourad Mahidi von der Bundesjugendvertretung waren eine Woche vor der Volksabstimmung zu Gast bei Claudia Unterweger in FM4 Connected und haben mit ihr und vielen Anrufern die Pros und Contras zur allgemeinen Wehrpflicht diskutiert.
Damit gesellt sich Darabos sich kurz vor Ende der Legislaturperiode zu einem ganz speziellen Minister-Club. Er ist nicht der einzige Minister der aktuellen Regierung, die mit einem System arbeiten müssen, das sie grundsätzlich ablehnen, es aber - obwohl inhaltlich zuständig - nicht schaffen, das System ihren Wünschen gemäß zu ändern.
Da wären beispielsweise ein Wissenschaftsminister, der sich vehement für Zugangsbeschränkungen ausspricht, sie aber nicht einführen darf oder eine Bildungsministerin, die eine Gesamtschule für wichtig und richtig hält, sie aber partout nicht flächendeckend einführen kann.
Grundsätzlich scheint es also kein Ding der Unmöglichkeit zu sein, als Minister oder Ministerin ein Ressort völlig im Gegensatz zu den eigenen Überzeugungen und dem, was man für richtig hält, zu führen. Vor allem, wenn die nächsten Wahlen ohnehin schon vor der Türe stehen und Personalwechsel dann auch ganz ohne viel Brimborium über die Bühne geht. Mit Ruhm bekleckert haben sich diese - nennen wir sie doch einfach mal so - Lame-Duck-Ressorts allerdings in den letzten Jahren nicht.
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"Das ist relativ schwierig, aber machbar", meint auch Verteidigungsminister Norbert Darabos in einer ersten Reaktion. Er schließt einen Rücktritt aus und sieht eine Heeresreform innerhalb des bisherigen Systemes als seine Aufgabe für die nächsten Monate. Bereits am Dienstag wird er im Ministerrat ein Reformkonzept präsentieren. Aber eine Reform über dieses System hinaus, also eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Entwicklung hin zu einem Profi-Heer, ist mit Abstimmungsergebnis über Jahre hinaus de facto ausgeschlossen.
Zivildienst "rettet" die Wehrpflicht
Die Untersuchungen zu den Abstimmungsmotiven zeigen klar, dass das Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht vor allem ein Bekenntnis zum Zivildienst ist. 74 Prozent der Wehrdienstbefürworter gaben an, dass der Erhalt des Zivildiensts ein Grund für ihre Entscheidung gewesen sei. Und auch der zweit- und drittwichtigste Grund (Heer und Zivildienst seien ein wichtiger Beitrag der Jugend und besser für den Katastrophenschutz) betreffen nicht gerade Kernaufgaben der Landesverteidigung.
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Junge für das Berufsheer
Für das Beibehalten des bisherigen Systems waren vor allem die älteren Wahlberechtigten. Bei den Unter-Dreißig-Jährigen hätte ein Berufsheer durchaus eine Mehrheit gefunden: von den Jungen haben sich 63 Prozent für eine Systemänderung hin zu einem Berufsheer ausgesprochen.
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So klar das Votum auch ausgefallen ist, so deutlich verschiebt sich das Stimmungsbild bei den künftigen Wähler-Generationen. Für Polit-Strategen ist das keine ganz einfache Ausgangslage für künftige Positionierungen.
Aktuelle Umfragen sehen im Moment zwar keine rot-grüne-Parlamentsmehrheit für die kommende Nationalratswahl, völlig aus der Welt ist eine Mehrheit von Berufsheer-Befürwortern aber auch im Parlament nicht.
In Kombination mit einer heranwachsenden Wahlvolkgeneration an Wehrpflicht-GegnerInnen und der (wenig überraschenden) Erkenntnis, dass es auch den BefürworterInnen nicht ums Heer an sich, sondern vor allem um den Erhalt des Systems "Zivildienst" gegangen ist, macht die jetzt akut anstehenden Reformen der Wehrpflicht und auch des Zivildienstgesetzes durchaus spannend. Die Diskussion dürfte spätestens im kommenden Nationalrats-Wahlkampf wieder aufflammen. Und bis dahin wird auch die ÖVP ihre bisher so streng geheimen Reformpläne auf den Tisch legen müssen.
Mehr zur Volksbefragung auf Radio FM4
Alle Ergebnisse zur Volksbefragung findest du auf den Sonderseiten von ORF.at.
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Am Montag beschäftigen wir uns ab 15 Uhr in FM4 Connected usführlich mit dem Ausgang der ersten österreichweiten Volksbefragung und wollen dazu auch deine Meinung hören.
Was bedeutet das Ergebnis für das Bundesheer der Zukunft? Und wie kann sich das auf die Wahlen 2013 auswirken? Was haltet ihr vom Ergebnis?
Das alles besprechen wir ab 15 Uhr in FM4 Connected und ihr könnt mitreden: 0800 226 996 ist die Nummer ins Studio.