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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 1. 2013 - 16:40

Afrikacup-Journal '13. Eintrag 1.

Alles andere als ein Finale Ghana - Côte d'Ivoire wäre keine Überraschung. Heute startet der Afrika-Cup.

Das ist der Beginn des allzweijährigen Specials innerhalb des Fußball-Journals diesen Jahres: die Berichterstattung zum Afrika-Cup, der drittgrößten Kontinental-Meisterschaft des Planeten.

Das alles im Rahmen des Journal '13, das heuer thematisch wohl dem Twitter-Profil entspricht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball."

Die gute Nachricht ist: der diesjährige CAN, der Afrika-Cup, die Meisterschaft der Nationalmannschaften dieses Kontinents, nützt seine Ressourcen voll aus: er findet in Südafrika statt, wo seit der WM 2010 einiges an Stadien und Infrastruktur eher bezugslos in der Gegend herumstand. Das bedeutet (als gute Co-Nachricht) auch dass sich Südafrika endlich wieder einmal qualifizieren konnte und nicht wie sonst an diversen Tölpelhaftigkeiten scheiterte.

Die neutrale Nachricht ist die der Verschiebung des CAN auf die ungeraden Jahre - offiziell um nicht der WM so dicht auf die Pelle zu rücken; was ich nicht ganz nachvollziehen kann, weil das auch weiterhin im Minimalfall eine Halbsaison an Zeitdifferenz bedeutet.

Die schlechte Nachricht ist, dass durch die schnell durchzupeitschende Qualifikation einige Top-Favoriten dort in K.O.-Duellen ausgeschieden sind, wo sie sich in Gruppen womöglich noch derrappelt haben.
Andererseits: Ägypten, das dominierende Team 2005 - 2010, ist in einer echten Scheiß-Phase und verdaddelt den nötigen Umbau und auch der fußballerische Riese Kamerun hat die Zeichen der Zeit (die zwei verkackten letzten Afrika-Cups) nicht erkannt. Ihnen tut die Demütigung einer Pause vielleicht ganz gut. Ebenso nicht dabei: Senegal (Lospech), Guinea und der letzte Gastgeber Gabun.

Alles ist möglich; Favoritensieg und radikale Überraschung

Das qualifizierte 16er-Feld agiert, wie beim Afrika-Cup seit einem guten Jahrzehnt üblich, auf einem so ausgeglichenen Level, dass jeder der Top-Favoriten schon in der Gruppe hängenbleiben kann.

Das allseits prognostizierte Finale ist auch technisch möglich und lautet Ghana gegen Côte d'Ivoire. Das war allerdings auch schon im Vorjahr so und endete mit einem Titelgewinn für das Team von Zambia, das zwar über keine Fülle von Stars, aber über eine gewachsene Mannschaft verfügte.
Ein Titel für die arabischen Nationen aus dem Norden (diesmal ist mit Tunesien, Algerien und Marokko der gesamte Magrheb dabei) gilt sowohl als traditionell unwahrscheinlich als auch nach den aktuellen Leistungen als unangemessen, Gastgeber Südafrika traut niemand wirklich einen Durchmarsch zu.
Bleiben die üblichen verdächtigen Außenseiter (Mali und die DemRep Kongo) sowie ein völlig runderneuerter Alt-Favorit, mein Dark Horse für diese Veranstaltung: Nigeria. Dort hat man sich (im Gegensatz zu Kamerun und Ägypten zum großen Schnitt entschlossen und bis auf drei, vier Korsettstangen alle Altstars gefeuert. Risiko das sich lohnen kann.

Wie immer beim Afrika-Cup gilt: wer sich in der Gruppenphase konsolidiert (egal wie schlecht die parallel anstehende WM-Quali für 2014 auch laufen mag, egal welche Leistungsträger aus Europa aktuell fehlen, egal wie zerstritten man zuvor war) wird sich in der K.O.-Phase zurechtfinden; wer sich in den Grupenspielen schon zerfleischt, wird sie im besten Fall so geschwächt überleben, dass das Viertelfinale das Aus bedeutet.

A: kommt Südafrika aus der Tölpel-Krise raus?

Am heutigen Eröffnungstag beginnt die Gruppe A mit Host Südafrika. Die Mannschaft von Ex-Admiraner Gordon Igesund trifft auf Außenseiter Cap Vert (der Kamerun eliminierte), im Abendspiel treffen Marokko und Angola aufeinander.

Südafrika tritt mit einer Best-Of-Auswahl seiner Liga und ein paar ausgewählten Legionären an. Die Streitereien im Vorfeld waren ermüdend, die Fehlliste entsprechend hoch. Die Generation Pienaar-Nomvethe-McCarthy ist draußen, ob sich in den Wirren der Trainerwechsel eine neue Hierarchie entwickelt hat, wird sich weisen. Irgendwann muss der Turnaround nach einem miserablen Jahrzehnt ja kommen. Ob hier und heuer? Vielleicht doch eher nicht.

Marokko (erstmals unter heimischer Coaching-Führung) verzichtet auf Chamakh (zuletzt zu schwach), die Alt-Kapitäne Kharji und Hadji, Star Boussoufa, und die zu europäischen Taarabt und Basser. Jungstar Belhanda (Montpellier) wird die Leaderrolle übernehmen können, wenn entsprechende uneigennützige Unterstützung bekommt, etwas wofür Team Morocco in den letzten Jahren nicht gerade berühmt war, wiewohl man zuletzt vielversprechendes Talent aufzuweisen hatte.

Wo bei den Konkurrenten kaum ein Stein auf dem anderen blieb, hat sich das Team von Angola natürlich weiterentwickelt: ein paar altersbedingte Abgänge (Kali, Flavio...), Festhalten an bewährten Kräften (Gilberto, Dede, Djalma, Mateus, Manucho...). So wie Angola kommt auch das Team der Kapverden portugiesisch/brasilianisch daher; die Erstvorstellung heute spätnachmittag wird uns schlauer machen, denn natürlich weiß man als Mittleuropäer nichts über diesen Fußball-Zwerg.

B: hat sich Ghana zu stark selber geschwächt?

Gruppe B gehört Favorit Ghana, dahinter werden sich Mali und Kongo (Ex-Zaire) um Platz 2 matchen, der Niger ist Außenseiter.
Teamchef Appiah hat sich nach den Abgängen von Kevin-Prince Boateng, John Mensah und Essien mit der Familie Ayew (den Söhnen von Abedi Pele) und offenbar auch Inkoom angelegt. Recht viel Wirbel für die auf WM-Ebene (auch als U20 Weltmeister) beste Mannschaft der letzten Jahre, die auch soviel Wert auf ihr gut verinnerlichtes System gelegt hat. Isaac Vorsah wird viel Verantwortung haben, ebenso wie Badu und Asamoah im Mitelfeld und wieder Pechvogel Gyan vornedrin.

Der ewige heimliche Favorit Mali setzt weiter auf Leute wie Seydou Keita oder Adama Tamboura, hat Momo Sissoko von PSG die Leaderrolle übertragen und erstaunlicherweise eine so große Breite im potentiellen Kader, dass sich die vielen Veränderungen nocht unbedingt auswirken werden. Der 3. Platz aus dem Vorjahr ist im Optimalfall möglich.

Allerdings muss dazu mein zweites Dark Horse, die Mannschaft aus dem Herzen des Kontinents, der Dr. Kongo, die Demokratische Republik, der Kongo-Kinshasa, das ehemalige Zaire, das vormalige Belgisch-Kongo, das Team von Claude LeRoy besiegt werden. Ihre Stars sind Mbokani von Anderlecht und Makiadi von Freiburg, der alte LuaLua ist Kapitän und die Geschlossenheit des Teams und die Qualität des Top-Vereins TP Mazembe sind die Joker dieses gefährlichen Außenseiters. Andererseits ist ein Trainingsstreik für höhere Prämien selten eine sinnvolle Turniervorbereitung.

Der Niger unter Gernot Rohr ist wie letztes Jahr Außenseiter, sollte aber diesmal seinen ersten Punkt holen können.

C: wird das Dark Horse schon in der Gruppe abgelöst?

In der Gruppe C ist Titelverteidiger Zambia gesetzt. Und stabil. Bis auf zwei Mulenga und einen Sinkala-Bruder/Cousin sind alle Afrikameister wieder dabei. Tormann Mweene, Abwehrchef Sunzu, Himoonde, Lungu und Chansa, die Katongo-Brüder, Altstürmer Chamanga und Jungstar Mayuka. Wenn Herve Renard und die Verantwortlichen gelassen bleiben ist wieder viel möglich. Auch wenn man kein Geheimfavorit mehr ist und Beachtung bekommt.

Mein schon erwähnter Geheimfavorit ist das von Legende Stephen Keshi gesteuerte Nigeria. Keshi hat sechs junge Spieler aus der Heimat einberufen, die vor allem im Mittelfeld rund um John Obi Mikel ackern müssen. Vor Tormann Enyeama und nebenm Joseph Yobo sind auch in der Abwehr jede Menge No Names zu finden. Der Angriff hingegen umfasst alle jungen Stars: Moses, Ideye, Emenike und Musa. Die Sturm-Oldies (Anichebe, Martins, Utaka und vor allem der Gift und Galle spuckende Odenwingie) wurden allesamt aussortiert. Keshi und seine jugendliche Mannschaft haben also den interessantesten Job vor sich.

Das diesmal ohne Issiaka Ouedraogo (Admira) antretende Burkina Faso wird es da schwer haben. Obwohl mit Pitroipa, Sanou, Bance, Kone oder Alain Traore alle Stars dabei sind - mehr als ein Erfolg gegen das praktisch durchgehend aus Spielern der schwachen heimischen Liga zusammengesetzte Äthiopien sollte nur dann drin sein, wenn bei Nigeria die traditionellen Zerfleischungs-Riten einsetzen.

D: wird die Killer-Gruppe den Favorit stärken/schwächen?

Die Gruppe D ist die am stärksten besetzte: Top-Favorit ist Vorjahrsfinalist Côte d'Ivoire, die Elfenbeinküste, das immer noch titellose Superstar-Team um Drogba, Kalou, Zokora und die Toure-Brüder. Wie schon im Testspiel gegen Österreich anschaulich präsentiert, sitzt der zweite Anzug auch nicht so schlecht, wurden Neue (Lacina Traore) klug integriert und Streitereien im Vorfeld vermieden. Sabri Lamouchi, der Frank-Tunesier wird nur diese eine Chance bekommen, ebenso wie es wohl Drogbas letzte Möglichkeit auf einen Afrika-Titel ist.

In der Gruppe stehen diesem Unterfangen bereits die Teams von Tunesien, Algerien und Togo entgegen.

Sami Trabelsis Tunesien stützt sich auf die starken Spieler der starken heimischen Liga, auf verlässliche Oldies (so sind immer noch Boussaidi und Traoui, die ehemaligen Salzburger dabei) wie Ben Yahia, auf die neue Generation um Darragi oder Abdennour und die Entdeckung des letzten Turniers, Youssef Msakni. Man kann etwas mehr Qualität aufbringen als Vahid Halihodzics Algerien. Dort wacheln alle Experten Sofiane Feghouli von Valencia zum Superstar hoch und erwarten sich ein wenig mehr als ich es wagen würde. Andererseits ist Algeriens Team immer dann, wenn es keiner auf der Rechnung hat für bis zu Platz 3 gut.

Togo orientiert sich wie immer am gereiften Emmanuel Adebayor, der sich mit dem neuen Trainer (Didier Six aus der legendären Platini-Ära der Franzosen) gut verstehen dürfte. Und da es in dieser Gruppe auf den Kopf, auf die Psychologie ankommen wird, kann das von Bedeutung werden.

Nach der Eröffnung sind wir schlauer. Ich werde wie in den letzten Jahren nach jedem Spieltag ein kleines Analyse-Fazit ziehen.