Erstellt am: 20. 1. 2013 - 11:26 Uhr
Aus leer wird mehr
In Wien stehen schätzungsweise 60.000 Wohnungen und 500 Geschäftslokale leer. Nachts brennt in diesen Gebäuden kein Licht, unter Tags offenbaren sich ganze Straßenstriche an ungenutzten Geschäftslokalen. Häufig sind zu hohe Mietpreise oder unattraktive Stadtgebiete Gründe dafür, dass Geschäftslokale und Wohnhäuser nicht genutzt bzw. vermittelt werden können. Lange Zeit war nicht klar, wo und wie viele dieser Leerstehungen in Wien existieren. Um die Leerstände in Wien zu erfassen, hat die IG Kultur Wien deshalb Ende 2012 einen Leerstandsmelder ins Leben gerufen. Wird ein Leerstand entdeckt, kann man nun online Ort und Art der Immobilie auf einer Karte eintragen.
Doch was tun mit all diesen Leerständen? In der Vergangenheit wurden ungenutzte Gebäude wie zum Beispiel das Amerlinghaus häufig besetzt. Darüber hinaus gibt es aber auch Nutzungskonzepte, die Vorteile für Nutzer und Eigentümer bringen, wie zum Beispiel die Zwischennutzung.
Konzept: Zwischennutzung
Als Zwischennutzung bezeichnet man die vorübergehende Nutzung eines leerstehenden Gebäudes oder einer leerstehenden Fläche zu günstigen Konditionen (z.B. nur Betriebskosten werden gezahlt), bis zu dessen kommerzieller Weiterverwendung durch den Eigentümer. Eine erfolgreiche Zwischennutzung bringt Vorteile für Nutzer (risikoarme Erprobung von Projekten, Ideen etc.) und Eigentümer (z.B. Pflege/Instandhaltung, Bewerbung der Immobilie durch gesteigerte Aufmerksamkeit). Dieses Konzept haben sich die Architekturstudenten Basilis Neururer, Michael Schwarz und Paul Gröfler im Zuge eines Städtebauprojektes zu Nutzen gemacht.
Kreative Insel: Werkstadt Meidling
Werkstadt Meidling
Die drei Studenten hatten das Ziel, den Wiener Gemeindebezirk Meidling zu beleben, indem sie jungen Kreativen Raum geben, um unter günstigen Konditionen an ihren Projekten arbeiten zu können. Es sollte eine kreative Insel inmitten des Bezirks entstehen, die Werkstadt Meidling. So wandten sie sich an Jutta Kleedorfer vom Magistrat für Stadtentwicklung und Stadtplanung. Durch ihre Vermittlung fanden sie ein Gebäude in der Spittelbreitengasse 34. Für die Projektdauer von drei Monaten wurde das Gebäude zur Zwischennutzung angemietet. In wenigen Wochen fanden sich auf 380 Quadratmeter Goldschmiede, Biokünstler, Architekturstudenten, Strickdesigner und Kunsthandwerker ein, die seitdem in den Räumlichkeiten des Gebäudes an ihren Projekten arbeiten. "Mit unserem Projekt wollen wir zeigen, dass der Bedarf an Platz und die Nachfrage danach für Kreative groß ist", erklärt Paul Gröfler.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Im Falle der Werkstadt Meidling zahlen die Nutzer einen Mitgliedsbeitrag von 40 Euro im Monat und können die Räumlichkeiten dafür 24 Stunden am Tag nutzen. Die Vielfalt an verschiedenen Künstlern und Handwerkern auf engem Raum fördert auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es könne schon mal passieren, dass man zum Zeichnen kommt und sich plötzlich an der Siebdruckmaschine wiederfindet, sagt der Architekturstudent Gröfler.
Workshops
Werkstadt Meidling
Werkstadt Meidling
Auch die umliegende Bevölkerung profitiert von dem Projekt. So haben die drei Architekturstudenten eine frei zugängliche Werkstatt mit Bohrer, Sägen, Lötkolben und Werkbank im Erdgeschoss des Gebäudes eingerichtet. Regelmäßig werden in Kooperation mit den ansässigen Künstlern kostenfreie Workshops angeboten. Der Biokünstler und Lehrende der Universität für angewandte Kunst, Niki Passath stellte vergangenen Samstag 3D-Drucker zu Verfügung, mit denen Interessierte Miniaturbüsten ihres zuvor eingescannten Körpers herstellen konnten. Auch Passat hat sein Quartier vorrübergehend in der Werkstadt Meidling aufgeschlagen. "Ich finde es sehr spannend, es gibt einen Workshop in eine Richtung und die Teilnehmer machen teilweise ganz neue Dinge, eine ganz neue Richtung entsteht. Man kann hier somit auch etwas zurückgeben, weil wir ja hier sehr gefördert werden", erzählt er.
Werkstadt Meidling
Werkstadt geht weiter?
Die Zwischennutzung der Werkstadt Meidling geht noch bis Ende Februar. Man sei aber bereits in Verhandlungen über eine Weiterführung des Projekts, erzählt Gröfler. Selbst wenn diese Verhandlungen scheitern werden, der Mehrwehrt des Projektes hat sich bereits erwiesen. So werden die Künstler, Handwerker und Studenten am Ende mehr als nur ein leerstehendes Gebäude hinterlassen.