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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 1. 2013 - 21:31

Journal '13. Eintrag 6.

Die Fachhochschul-Ausbildung für Journalisten: ein Auslauf-Modell?

Das ist das Journal '13, die regelmäßige Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 kann ich heuer keine Täglichkeit bereitstellen: das Leben fährt mir da zu stark dazwischen.

Ansonsten bleibt alles wie im Twitter-Profil steht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball."

Der Fußball wird speziell gekennzeichnet und schon im Jänner (der Afrika-Cup startet am Samstag) aktuell. Demokratie- und vor allem Medienpolitik schieben sich in diesem Wahljahr in den Vordergrund.

Seit ich denken kann werden junge Menschen, die etwas im Journalismus machen wollen, vor dem Publizistik-Studium gewarnt. Das sei keine Berufsausbildung, man würde sich lieber Spezialisten auf relevanten Gebieten holen, denen man die Recherche-/Schreib-/Publikationspraxis dann schon konkret beibringen würde - so tönten die Verlage und Medienhäuser seit jeher.

Tatsächlich erforscht das Publizistik-Studium die Kommunikations-Wissenschaft. Wer Redaktionen und Journalisten einigermaßen kennt und weiß, wie schlecht dort die interne Kommunikation oft läuft, dem ist klar: Das eine hat mit dem anderen echt wenig zu tun.

Irgendwann Mitte der Nuller-Jahre wurde der Druck von Wirtschaft, Markt und Nachfrage dann so groß, dass man den ganz konkreten Journalismus in ganz konkret dafür zuständigen Fachhochschulen zu lehren begann. Das, was ich (und viele andere) sich Jahre davor aus dem Publizistik-Studium raussaugen mussten (die praktischen Übungen, der ethische Überbau, der Überblick über die heimischen Medien etc.) bekam man in Rahmen dieser Ausbildung gezielt geliefert. Die Branche jubilierte.

Jetzt kommt der Backlash. Vorsichtig, aber unüberhörbar

Ein wenig überraschend, dass er von denjenigen losgetreten wird, die (direkt und indirekt) die Zielvorgaben für die vielen hoffnungsfrohen FH-Journalisten-Aspiranten sind: den Qualitätsmedien im Printbereich.

In einem ausführlichen und einander durchaus ergänzend überprüfenden Doppel-Interview geben die Chefredakteure von Presse und Falter (Rainer Nowak und Florian Klenk) Einblick in ihre Innensichten.

Und vor allem Klenk hält da wieder das gute alte Plädoyer für die Experten, die Quereinsteiger aus anderen Sparten und Berufen. In Deutschland sei das Normailtät: "Der Kollege, der über die Vogelgrippe schrieb, war Mediziner. Wenn jemand über den Bundesverfassungsgerichtshof geschrieben hat, war er selbstverständlich Jurist. ... Alfred Worm war Bauingenieur: nur deshalb konnte er die Skandale, über die er schrieb, verstehen." Nowak sekundiert: die Redaktionen können ohne die Publizistik-Studenten leben.

Die Ausbildung zum Anti-Experten fruchtet nicht

Nur: mittlerweile ist nicht mehr der Publizistik-Student der Adressat dieser unangenehmen Wahrheit, die Klenk und Novak als Botschaft in diesem Interview mit dem Branchenblatt Extradienst kaum verpackt an alle Kollegen schicken.
Die mit den ganz konkreten journalistischen Ambitionen sind vielmehr die FH-Absolventen, zumindest der inhaltlich anspruchsvollere Teil, der sich nicht sofort in die PR-Richtung ergibt.
Die sind per definitionem und in voller Absicht keine Experten, sondern approbierte Mag. Journalisten. Also Anti-Experten, das schiere Gegenteil dessen, was die Chef-Praktiker einfordern.

Die Publizistik-Absolventen werden im (nicht unberechtigten) Gejammer wenigstens noch bedacht; die FH-Absolventen kommen in der Klage von Nowak und Klenk nicht einmal mehr vor. Nur einmal, sehr implizit, erwähnt Klenk das Problemfeld "Ausbildung" - und schwenkt sofort auf das deutsche Musterbeispiel der alteingessenenen Journalistenschulen über.

Wobei das deutsche Ausbildungs-System auch im Fall der Journalisten die großen Vorteile hat, über die dort das gesamte universitäre System verfügt: Wegen der großen Anzahl der Unis (und der immer noch schier unermesslichen Anzahl an regionalen Medien) schickt man die nachrückenden Aspiranten auf Wanderschaft, in Lehrjahre.

In der Krise stößt der Markt seine eigene Forderung ab

Diese geografische Flexibilität ist in Österreich, wo medial eben nur Wien zählt, deutlich schwieriger herzustellen. Und in einem enger werdenden Markt, in dem junge Journalisten sowieso präkarisiert, ausgebeutet, von Praktikum zu Praktikum geschickt und somit von einem sinnhaften Einstieg in den Beruf (bewusst) ferngehalten werden, bedeuten mangelnde Flexibilität und Anti-Expertentum fast schon das Todesurteil für die meisten Zukunftsaussichten.

Das wiederum stellt die Sinnhaftigkeit einer Fachausbildung, wie sie an der Fachhochschule unternommen wird, massiv in Frage.

Um gleich die erste Anmerkung von Kollegen @ArminWolf einzuarbeiten: "Ausweg: B.A. Fachstudium + M.A. Journalismus-FH" twittert der; und hat nicht unrecht. Das Selbstverständnis der spezifischen Journalisten-Ausbildung durch die FH wird damit aber ebenso unterlaufen; und braucht wohl ein neues Mission Statement.

Und damit schließt sich der Kreis zum Publizistik-Studium-Bashing aus den 70ern und 80ern. Ein sich verengendes System braucht keine Allrounder, keine biederen "Content-Manager", wie sie Klenk nennt. Die kriegt man am kollektivvertragslosen Arbeitsstrich billiger.
Die Qualitäts-Medien, für die die FH gezielt ausbildet, benötigen die bereits mehrfach erwähnten Experten, die Auskenner, die Fachkräfte. Und für die gab's und gibt's in Österreich eben keine Ausbildung.

Letztlich befinden sich die Journalismus-FHs heute in derselben Position wie das Publizistik-Studium vor zwanzig, dreißig Jahren. Auch wenn es dieselben Markt-Kräfte (die sie einst eingefordert haben) sind, die sie heute so von sich weisen.