Erstellt am: 18. 1. 2013 - 14:19 Uhr
Britain's Got Talent: Jake Bugg
Oben regnet es Meteore, sie ziehen lange weiße Schleifen in die Nacht. "Woooh. This looks even better than our screensaver. And I love our screensaver." - "I wish God were alive to see this." Die Simpsons sitzen in ihrem Vorgarten unter einem Sternschnuppenhimmel, im Hintergrund singt jemand von einer "Starry, Starry Night".
Vorm Fernseher in Clifton, einer verschlafenen Siedlung Nottinghams, sitzt der vierzehnjährige Jake, spitzt die Ohren und denkt sich "Woooh. So schöne Lieder möchte ich auch schreiben!" Wahrscheinlich steht er auf, geht rüber zum Computer und googlet. Sein erstes musikalisches Vorbild ist ein Amerikaner und heißt Don McLean.
The Simpsons
Buggs Vorbilder Donovan und Jimmy Page lobten Jake bereits höchstpersönlich für seinen Musikgeschmack.
Jake Bugg beginnt Gitarre zu spielen und steht bald mit eigenen Songs auf der Schulbühne. Seine Freunde wollen ihn dazu überreden, bei Britain’s Got Talent mitzumachen. Jake lehnt ab - "that doesn't seem genuine". Er vertieft sich lieber weiter in die amerikanische Aufbruchsromantik der Sechziger, steigt direkt vom Kinderzimmer aus in den rostigen Greyhoundbus und mixt Medizin aus dem langhaarigen, blumigen Folk von Simon und Garfunkel und Peter und Paul und Mary, dem cheesy, nach Toast Hawaii schmeckenden Fifties Pop von den Everly Brothers und den wehmütigen Country Songs der unsterblichen Königin des Gitarrespiels-mit-falschen-Nägeln Dolly Parton, aufgenommen Anfang der Siebziger irgendwo in Nashville.
Was sagt der Experte?
"Ich find' den Jake Bugg ja lieb, aber eben nur Donovan-lieb, nicht Dylan-lieb." (M. Blumenau)
"My music ... I guess it’s kind of rootsy. A bit of Folk, a bit of Blues, a bit of Country - with a slight contemporary twist." Im Interview ist Jake Buggs Stimme tief und ruhig. Beginnt er zu singen ist sie nasal, scharf und kantig. Er drückt die Resonanz hoch in den Kopf, redet schnell, zieht die letzte Silbe eines Wortes wie im Gleitflug nach unten, beschwört Mr. Jones und Baby Blue. Der obligatorische Vergleich mit dem jungen Dylan kommt nicht von ungefähr.
Die alte Seele, die Jake herauskehrt, hört sich auf Platte manchmal an, als wäre sie mit verstaubten, knacksenden Mikrofonen eingefangen worden. Schlank in der Mitte räkeln sich die Frequenzen nach oben. Jake leiert wie aus einem uralten Radio, das in eine Blechdose gefallen ist. Ein bisschen Vinylrauschen da, ein bisschen undefinierbares Kratzen dort und eine High-End-Aufnahme klingt beinahe antik.
Working Class Oberhero Noel Gallagher nahm Jake schon bei der Hand und ließ ihn für seine High Flying Birds eröffnen.
Jake Bugg sieht aus wie ein verlorengegangener Gallagher-Bruder oder der dritte Last Shadow Puppet. Selbst nennt er sich mit seinen achtzehn Jahren einen "old dog", das Instrument, an dem er seine Muster zupft, ist für ihn eine "old rusty guitar" und er behauptet "I've seen it all". Tatsächlich war er bis vor ein paar Monaten noch nie außerhalb Englands. Neben der klassischen Mädchen-da-/Mädchen-weg-Thematik singt er in typischer Britpop-Fasson über die matte, in Joints gerollte Langeweile, die über den Straßen zwischen den Reihenhäusern und dem zugesperrten Fußballplatz seiner englischen Hood ("where the only thing that's pretty is the thought of getting out" - "Trouble Town") hängt.
Jake Bugg
Vor Kurzem füllte Jake Bugg den Bowery Ballroom in New York und wurde neben Konkurrenten wie den awesome "triangles are my favourite shape"-Alt-J oder auch "broken <3 <3 <3 are my favourite shape"-Ben-Howard als Breakthrough Act für den Brit Award 2013 nominiert. Buggs selbstbetiteltes Debüt-Album, das hierzulande dieser Tage veröffentlicht wird, verdrängte bereits im Oktober Leona Lewis vom zweiten und Mumford & Sons vom ersten Platz der englischen Albumcharts. Während Marcus Mumford schon länger im Londoner Folk-Pot herumgeschwommen war und u.a. für Laura Marling getrommelt hatte, bevor er selbst ganz groß rauskam, landete Jake Bugg wie aus dem Nichts an der Spitze.
Gegenüber der ersten Platte von Mumford & Sons wirkt Jake Buggs Debüt - trotz der ausnahmlos euphorischen Kritiken - an manchen Stellen jedoch etwas blass und unspannend. Zwischen scharf trabenden und weich schmusenden Refrains blitzt die Redundanz des Bugg'schen Repertoires durch. Ein, zwei Nummern (von den insgesamt stolzen vierzehn) weniger wären eine Überlegung wert gewesen oder hätten gerne für simple Früh-linge und urliebe Schönheiten wie diese Platz machen können:
FM4 Geburtstagsfest
Mit Jake Bugg, Toro Y Moi, Marsimoto, Theme Park u.v.m. am 26. Jänner ab 18 Uhr in der Wiener Arena. Das Line-Up im Detail.
Ob der kometenhafte Aufstieg des Jake Bugg gerechtfertigt ist, mag jede_r selbst beurteilen. Potential hat der junge Mann aus dem verschlafenen Clifton. Raum, um sich ein eigenes Urteil zu bilden, bietet die Arena am 26. Jänner beim FM4 Geburtstagsfest.