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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

15. 1. 2013 - 17:51

This Is Just A Modern Love Song

Unscheinbar geschieht Großes. Toro Y Moi veröffentlicht sein drittes Album. Es heißt "Anything in Return" und es ist sehr gut. Der Musiker dahinter ist unser Artist of The Week.

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Toro Y Moi spielen am 26. Jänner am FM4 Geburtstagsfest. Alle Infos dazu gibt's hier.

Es geht um den Sound, auch, es geht aber ebenso um die Songs. Zunächst mag „Anything in Return“ nicht so anmuten als wäre es sonderlich an der Architektur der Zukunft interessiert. Chaz Bundick entwirft auf dem dritten regulären Album seines Projekts Toro Y Moi abermals cremefarbene Landschaften, die weiche Wellen schlagen und nach Zimt duften - und so also scheinen, als würde der gute Mann hier einzig ein gut etabliertes, zu großen Teilen von ihm selbst eingeführtes bzw. in unserer Gegenwart wieder als attraktiv installiertes Zeichen-Repertoire verwalten.

Für den ursprünglich aus South Carolina stammenden Multiinstrumentalisten und Produzenten Chaz Bundick und eine Handvoll ästhetischer Zeitgenossen wie Washed Out, Memory Tapes, Small Black oder den Neon Indian hat sich vor gut vier Jahren ein Witzbold (war's der Trend-Spotting- und sich selbst und die eigene Klientel selbstreflexiv durch den Humor der Postmoderne jagende Blog Hipster Runoff?) den schönen Begriff „Chillwave“ ausgedacht.

Anders als die zeitgleich entstandenen und mehr oder weniger dasselbe beschreibenden Wörter „Glo-Fi“ und „Dreambeat“ ist „Chillwave“ der Welt erhalten geblieben. Im weitesten Sinne meinte das Wort „Chillwave“ - das man wie halt fast alle Super-Sub-Musik-Genres mit Augenzwinkern und in Anführungszeichen aussprechen muss - irgendwann einmal den sepiafarbenen und melancholisch hauchenden Lo-Fi-Pop, den sich nostalgisch dreinguckende und meist einsam arbeitende Kinderzimmer-Musikanten da so an eher minimalistischem Equipment zusammenpuzzelten.

Toro Y Moi

Toro Y Moi

Chaz Bundick - Toro Y Moi

Gerne auch auf Synthesizer-, Beat- und Sample-Basis entwickelt, entstanden so verblasste Erinnerungen an 80er-Jahre-Charts-Pop mit sehnsüchtigem Unterton, man pflegte die Ästhetik des Vergilbten, Verwaschenen und Halbvergessen, deren Totem eine schon ziemlich abgenutzte VHS-Kassette gewesen soll. Die Musiker selbst haben, während sie da so in ihren Stübchen über die Welt verstreut an geschmeidiger Seifenblasenmusik schraubten, von dem ganzen Überbau natürlich noch gar nichts gewusst.

„Causers of This“, das erste Album von Toro Y Moi, das noch stark unter Einfluss von abstrakt gelagertem HipHop stand, war 2010 ein frühes, fabulöses Dokument der Chillwave, danach hätte man die Klappe auch schon wieder zumachen können. Für den ein Jahr darauf erschienenen, ebenso famosen Nachfolger „Underneath The Pine“ – für den das Wort „Pop“ fast schon Beschreibung genug wäre - schob Bundick die elektronischen Loop- und Sample-Spielereien ein wenig zur Seite und wandte sich dem funky Jammen an echtem, von Hand spielbarem Band-Instrumentarium zu und kam so in Disco- und Soul-Pop der 70er-Jahre, aber auch bei leicht angekrautetem Herumexperimentieren und fast schon die Beach Boys heilig sprechenden Indie-Rock-Songs an.

Beide Platten waren ganz wunderbar und machten – nicht zuletzt in ihrer Wechselwirkung - deutlich, dass hier ein Künstler mit eigener Note am Werk war, der nicht – wie es ja heute eh jede und jeder tut – bloß irgendwie „über den Genregrenzen steht“ oder so, sondern wirklich – auch wenn man natürlich deutlich nachhören konnte, welchen Musiken hier zusammengeflossen waren – einen der Welt entrückten Sound formte.

Album Nummer Drei ist jetzt die perfekte Ausformulierung einer Klangidee (die freilich viele, viele Ideen in sich eint): Auf „Anything In Return“ hat Chaz Bundick einerseits wieder Beats miteinbezogen, die auf den elektronisch betriebenen Dancefloor bitten, und sich deutlich an Daft Punk und anderen pop-affinen, an schönem Schwulst interessierten French Housern abarbeiten, andererseits hat er sich aber auch wieder hinter das echte Schlagzeug und seine Orgeln gesetzt, die Saiteninstrumente umgeschnallt und einen vibrierenden und leise schwitzenden analogen Funk aus dem Schlafzimmer zusammengezaubert. Die Duftkerzen kommen von Prince, Rick James und Stevie Wonder.

Toro Y  Moi

Toro Y Moi

"Anything In Return" von Toro Y Moi erscheint via Carpark/Hoanzl

Die sexuelle Ausdrücklichkeit jedoch ist nicht Bundicks Sache: Seine Songs handeln einerseits von der Einsamkeit auf Tour, andererseits von der echten, großen und ohne Zynismus in schnörkellosen Lyrics dargelegten Liebesbeziehung zu seiner Freundin: „She Knows I Will Be Her Boy Forever…She’s Got My Back And I Know It, She Only Does It Cos She Loves It“.

Die Platte ist üppig ausgestaltet und schillert in allen Farben. „Anything in Return“ will nicht „Indie“ oder sonst irgendetwas Komisches sein, hier wird die gleißende Macht des Pop in allen Größtbuchstaben durchdekliniert - aber zurückhaltend. Vor allem der Einfluss von R’n’B aus den 90ern und dessen Abverwandlungen in Richtung Boyband-Slowjams sind überdeutlich: Mit Songs wie „How’s It Wrong“ oder „Cake“ (Superhit) – wenngleich mit weniger Rumms produziert – hätten auch N’Sync, Dru Hill, Blackstreet oder auch Kollege Justin Timberlake ihren Spaß gehabt. Letztgenannter Musiker kommt ja jetzt ohnehin wieder zurück.

Bis dahin – und auch darüber hinaus – möge die Welt sich mit "Anything In Return" an einem Album erfreuen, das in die Charts (In welche? In alle.) gehört und seinen Zauber nur ganz langsam und ohne Blink-Effekte entfaltet. Eine in matte Silberfolie gehüllte Brausebonbonherrlichkeit, deren Befreiung mehrere glorreiche Stunden dauert.