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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

15. 1. 2013 - 16:57

Die Gewissensfrage

Wehrpflicht oder Berufsheer? Das historische Novum "Volksbefragung" und ein ganzer Rattenschwanz an Folgen.

Am kommenden Sonntag wird das österreichische Wahlvolk erstmals "befragt". Eigentlich zur Zukunft der österreichischen Verteidigungspolitik. Das geht ein bisschen unter bei all der Diskussion um gerechte oder ungerechte Bezahlung von Krankentransporten und der Sorge, ob in Zukunft noch irgendjemand bei Hochwasser Sandsäcke füllen wird oder die Streif in Kitzbühel auch rechtzeitig und gut präpariert sein wird.

Das Ergebnis so einer Volksbefragung ist - im Gegensatz zu einer Volksabstimmung nicht automatisch bindend, allerdings haben sowohl SPÖ als als ÖVP bereits klar gemacht, dass sie sich an das Ergebnis halten werden. Sprich: Sollte sich eine Mehrheit für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes aussprechen, wird das auf absehbare Zeit hinaus der letzte große Reform-Versuch gewesen sein.

Soldat im Gras mit Gewehr

Bundesministerium für Landesverteidigung

Allerdings ist "nach der Volksbefragung" auch "vor der Nationalratswahl". Und eine gröbere Heeres-Reform steht sowohl bei Beibehaltung der aktuellen Lage als auch bei einem grundsätzlichen Systemwechsel an. Auch wenn die Grundsatzentscheidung (Berufsheer ja oder nein) nach diesem Sonntag gefallen ist, wird wohl nicht zuletzt die Beteiligung an der Befragung ausschlaggebend sein, wie sehr Volkes Stimme am Ende den weiteren Fortgang bestimmt. Das sicherheitspolitische Gerangel wird also weitergehen.

Abfallprodukt Zivildienst

Zum Nachhören

Johanna Zauner und Mourad Mahidi von der Bundesjugendvertretung waren zu Gast bei Claudia Unterweger in FM4 Connected und haben mit ihr und vielen Anrufern die Pros und Contras zur allgemeinen Wehrpflicht diskutiert.

Dabei argumentieren beide Seiten mit Abfallprodukten der allgemeinen Wehrpflicht. Dass jährlich über 13.000 junge Männer als Zivildiener eine tragende Säule der Gesellschaft darstellen, täuscht darüber hinweg, dass dieser inzwischen als derart unverzichtbar wahrgenommene Dienst nichts anderes ist, als ein Ersatz für den "Dienst mit der Waffe". Zivildienst macht man formal gesehen nicht, weil man das für sinnvoll hält, sondern weil man nicht anders kann. Nur wem sein Gewissen gar keine andere Wahl lässt, der darf Panzer gegen Rettungswagen tauschen.

"Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich die Wehrpflicht nicht erfüllen kann, weil ich es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehne, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden und daher bei der Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würde. Ich will deshalb Zivildienst leisten."

Den 13.000 Zivildienern stehen jährlich etwa doppelt so viele Grundwehrdiener gegenüber. In etwa jeder dritte Wehrpflichtige entscheidet sich also gegen den Dienst an der Waffe. Tendenz der letzten Jahre: stetig steigend. Ein verpflichtendes Arbeitsjahr widerspricht bekanntlich mehreren internationalen Übereinkommen gegen Zwangsarbeit und Sklaverei und ist lediglich als Wehrersatzdienst möglich. Sollten irgendwann mehr als die Hälfte der Wehrpflichtigen Zivildienst machen, stellen sich dem System also ganz grundsätzlich neue Fragen nach seiner Legitimität.

Nebenschauplatz "Teambuilding Grundwehrdienst"

Auch auf der anderen Seite, also beim Heer, werden weniger militär-strategische Argumente ausgetauscht als solche von Nebenschauplätzen. Allen voran Katastrophen-Hilfe und in letzter Zeit vermehrt auch so etwas wie eine identitätsstiftende Komponente, die das Heer hätte. Mit Effekten von Wertevermittlung bis Integrationshilfe für Migranten.

Warum mit der Hilfe bei Katastrophen unbedingt eine bewaffnete Organisation betraut werden muss und nicht gänzlich an andere Organisationen übergeben werden kann, konnte dabei bisher noch keine Seite so wirklich schlüssig erklären. Und ob die "Teambuilding-Maßnahme Grundwehrdienst" der Weisheit letzter Schluss ist, wenn sie zwar so tut als wäre sie für alle verpflichtend, dann allerdings nur von etwa einem Drittel eines Jahrgangs "besucht" wird? Da stehen den 24.000 Grundwehrdienern eines Jahrgangs immerhin 13.000 Zivildiener, über 6.000 Untaugliche und grob geschätzt wohl auch noch einmal die gleiche Zahl - also etwa 43.000 - Frauen gegenüber. Von Personen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft sei hier noch gar nicht die Rede. Das hier sicherlich vermittelte Zusammengehörigkeitsgefühl ist ein sehr trügerisches. "Allgemeine Wehrpflicht" ist längst nicht allgemein, sie tut nur so.

Die Abstimmungshilfe der Bundesjugendvertretung gibt es hier, sie bietet gleich auch allgemeine Infos zu Volksbefragungen und dem Ablauf am 20. Jänner.

Statt "Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres?" oder "Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?" könnte die Fragestellung also auch heißen: "Sind sie für die Übertragung von nicht-militärischen Aufgaben an nicht-militärische Organisationen und das Ende von verpflichtenden Diensten zu Dumping-Löhnen." oder "Ist Ihnen das Risiko zu groß, dass sich dass sich nicht genug Freiwillige finden, die diese Tätigkeiten zu vermutlich auch nur halbwegs fairen Löhnen übernehmen."

Wahlkarten beantragen!

Genaue Informationen zur Briefwahl, Wahlkarten und die Öffnungszeiten deines Wahllokales findest du auch auf der Website des Innenministeriums.

Am Sonntag dürfen alle Österreicher und Österreicherinnen, die spätestens am Tag der Volksbefragung 16 Jahre alt geworden sind, ihre Stimme abgeben. Wenn du nicht an deinem Hauptwohnsitz sein wirst, kannst du noch bis Mittwoch, 16. Jänner schriftlich eine Wahlkarte beantragen. Persönlich kannst du das theoretisch noch bis Freitag, 18. Jänner, 12 Uhr tun.

Mit einer solchen Stimmkarte kann man dann entweder in ein anderes Wahllokal des Stimmbezirkes gehen oder die per Post oder persönlich der zuständigen Bezirkswahlbehörde zukommen lassen. Die Stimmkarte muss allerdings spätestens am Tag der Volksbefragung, das ist der 20. Jänner 2013, 17.00 Uhr, bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde einlangen. Dann schließen am Sonntag nämlich auch die letzten Wahllokale und die Entscheidung über die Grundlagen Österreichs Verteidigungspolitik für die kommenden Jahrzehnte ist gefallen.