Erstellt am: 14. 1. 2013 - 14:27 Uhr
Macht, Korruption und Mitgefühl fürs scheue Kapital
Protestsongcontest
Der Protestsongcontest auf FM4.
Bei fast 200 Einsendungen und 25 Vorfinalplätzen beim Protestsongcontest muss man es zwangsläufig der Mehrheit unrecht machen: Ja, es sind wieder viele Lieder rausgefallen, die an sich spitze sind. Weil sie schlicht keinen Protest vermitteln. Oder zu wenig. Oder einen, den wir nicht verstanden haben. Auch heuer war etwa wieder ein Lied dabei, das sich mit Stille gegen den Protestsongcontest an sich wenden will. Das kommt wirklich jedes Jahr und wird seit John Cage nicht mehr origineller. Auch ein und das selbe Lied in drei Jahren einzuschicken ist nicht wirklich zielführend.
Radio FM4
Pop-Pate Mario Rossori, PSC-Erfinder Gerald Stocker und ich haben uns vergangenes Wochenende durch alle Einsendungen gehört. Das heißt: Jedes Lied wird angespielt. Nach einer ersten Runde sind 41 Songs übergeblieben, die dann auf 25 gekürzt werden muss. Da sind auch viele Lieder weggefallen, die ich abseits des Protestsongcontests gerne wieder hören möchte, und etliche alte Protestsongcontest-Bekannte, aufstrebende Popsternchen oder altgediente Stars aus dem FM4-Musikuniversum sind vielleicht bitter enttäuscht. Tut uns wirklich leid, lässt sich aber nicht ändern. Nach eineinhalb Tagen bleibt also eine Liste mit 25 Liedern, mit deren Zusammensetzung natürlich trotzdem keiner von uns dreien völlig zufrieden ist.
25 SiegerInnen
Radio FM4
Der inhaltliche Trendbarometer der Einsendungen bietet einige Überraschungen: KHG und Facebook waren öfter Thema als Aktuelles wie Frank Stronach oder das Bundesheer, das nur in einem Lied vorgekommen ist. Konsumkritik, Überwachungsstaat und Finanzmarktkritik gehen wie immer gut. Wir haben drauf geschaut, dass die thematische und musikalische Mischung passt. Geografisch ist uns unabsichtlich gelungen, dass alle neun Bundesländer und Südtirol vertreten sind. Aber hört selbst, hier sind die 25 Protestsongs 2013, gereiht nach dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei uns:
Laura Rafetseder - Ballad of Zhanaozen
Ungewöhnlich: eine Protestballade über ein Massaker an streikenden ÖlarbeiterInnen in West-Kasachstan. Basiert auf einer wahren Begebenheit.
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MSMC - Punchlines gegen Schlogzeiln
Der Bouelvard ist wahrlich nicht zum Schlendern da. Medienkritischer HipHop aus Ottakring.
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Matatu - Guerrabanana
Mehrsprachige Konsumkritik, die dazu mit dem Klischee von der südländischen Lebensfreude spielt (aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein).
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Deaf in Vegas - Kindertitel
Repetitive Bildungssystemkritik mit Apferln. Gimme, gimme more.
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Max Schabl - Die Mocht
Max Schabl war mit einem Lied gegen Ritalin schon einmal unter den Top 25. Heuer singt er gegen Machtmissbrauch an.
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Fischer & Freunde - Solange noch der Teufel diese Welt regiert
Name und Titel klingen ein wenig katholisch, der Inhalt ist durchaus religionskritisch. Ein Rundumschlag ganz im Sinne des Erlösers.
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Birds In Trees - Ich hoff, du schläfst beschissen
Ich würde auch davon ausgehen, dass die Profiteure von Freunderlwirtschaft, Korruption und Betrug einen recht guten Schlaf haben.
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wosisig - Finganeglbeissa
wosisig waren vergangenes Jahr mit "Erwin" auf dem dritten Platz. Für heuer haben sie sich ganz schön verändert und treten mit einem Aufruf zum Engagement an.
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Anstaltskinda aka Kapitano Chaotico - Befrei di
Wütender Rap, ebenfalls gegen das Sudern, während man gemütlich auf der Couch fläzt und den Arsch nicht hoch kriegt.
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Chill-Ill - Giftiges Göd
Wuchtige Geldkritik. Da wird zwar niemand konkret angesprochen, aber das wären wohl auch zu viele für fünf Minuten Rap.
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Ernst Strasser - I love envelopes
Diesen Herren kennen wir auch unter anderem Namen. Er hat zum Beispiel gemeinsam mit Anggie 2012 das köstliche Nordkorea-Lied gesungen. Heuer mit einem bitteren Geständnis.
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Jul - Konsum isch insre Religion
Jul kommt aus Südtirol, lebt in Wien und singt gegen Konsum, vielleicht auch gegen Religion.
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Benedikta Manzano - Mehr Mitgefühl für Märkte
"Benedikta Manzano singt nicht nur köstlich skurrile Texte, sie sieht auch so aus.", schreibt der Falter 1988(!). Daran hat sich nichts geändert. Triefend vor Ironie könnte dieses Lied jedes Operettenfestival aufmischen.
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Johnny V-Ausschnitt - Rotzbremsn san wieder in
You probably never heard of it, but... Vermutlich ist der Anachronismus dieser Hipster-Kritik Teil des Protestes.
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NonSense Of Humour - Wir sind nicht alleine
Hanna war 2012 eine Hälfte des Duos "Wait for the B-Side", heuer singt sie mit neuer Band gegen den Überwachungsstaat.
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Linksabbiega - Dankbar
Funky Sprechgesang über das hohle Gelaber professioneller Politikfunktionäre und -innen samt beispielhaften Originaltönen.
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SBG Band Aid - Stay
Salzburger SchülerInnen, die sich vehement für das Recht eines Schulkollegen einsetzen, wenigstens noch die Matura machen zu dürfen, bevor er nach Armenien abgeschoben wird und dort vielleicht in den Krieg ziehen muss. Kann man unterstützen, etwa über ihre Facebook-Seite.
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Kongenial - Schönes, schönes Land
Mehr Abgesang als Loblied. Sängerin Gabi Fiedler ist mit mir übrigens genauso verwandt wie Onkel Franz, Papa Hartmut und Opa Heinz. Bleibt nur die Frage, was ist eine Arschlochhand?
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Tiefsinntaucher - Vater Staat
Zwei Rapperinnen im Abnabelungsprozess von Papa Staat (und Mama Religion).
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Equadrat - Kauf_Rausch
Markt- und Konsumkritik, die wie ein Mash-up von Anotherone bites the dust und Shout it all out klingt.
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Dutschke - Das Comeback der Revolutionen (feat. R. Dutschke)
Kennt man in anderer Zusammensetzung als Supermarket, hier als und mithilfe der linken Lichtgestalt der 68er.
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Fargo - I tram ned
Ebenfalls ein Lied aus Sicht eines Unschuldsvermuteten, mit einem schönen Bruch im Refrain.
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SliS feat. Ray - Monopol
"Wir werden manipuliert."
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refugees of the vienna refugee camp - We Love Vienna/ Je t'aime, Vienne
Einige der Flüchtlinge, die vor der Wiener Votivkirche gezeltet haben bzw. noch immer die Votivkirche besetzen, mit einem Liebeslied an Wien und ein paar Forderungen an die Politik.
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Das Insekt des Jahres - A word
Der Nachbar von der Schwiegermutter von FM4-Musikprogrammierer Andreas Ederer. So kommt man ins Vorfinale!
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Wie geht's weiter?
Die Vorausscheidung zum Protestsongcontest 2013 findet am 25. Jänner ab 19:30 Uhr im Haus der Begegnung Rudolfsheim-Fünfhaus, Schwendergasse 41 in 1150 Wien statt.
Das Finale könnt ihr am 12. Februar im Rabenhof Theater, live auf Radio FM4 und im Videostream auf fm4.orf.at sehen und hören.
Alle Infos auch unter fm4.orf.at/protestsongcontest und protestsongcontest.at.