Erstellt am: 10. 1. 2013 - 14:09 Uhr
Filme, die die Welt dringend braucht (Teil 2)
Teil 1 der Vorschau auf das Kino-Jahr 2013 gibt's hier.
Was bisher geschah: Sebastian Selig, Christoph Prenner und Christian Fuchs, drei Filmbesessene, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen und doch einiges gemeinsam haben, stürzen sich kopfüber in die gemeinsame Vorfreude. Sehen sich Trailer an, blättern durch Magazine, überfliegen diverse Blogs, plaudern und parlieren. 2013, da ist sich das Trio Infernal sicher, wird wieder ein phänomenales Kinojahr.
Senator Film
Endstation Sehwucht
SEBASTIAN SELIG lebt im Kino und wurde dort 2012 von einer berauschend schönen Vielzahl cineastischer Meisterwerke beglückt.
In 2013 freut er sich besonders glühend auf:
1) "Only God Forgives" (Nicolas Winding Refn)
2) "Paradies: Glaube"/"Paradies: Hoffnung" (Ulrich Seidl)
3) "Spring Breakers" (Harmony Korine)
CHRISTIAN: Ich möchte diese Gesprächsrunde mit einem kleinen Märchen einleiten. Es war einmal ein Regisseur, der mit seinen ersten zwei Filmen, beide in den Siebzigern entstanden, vielen Kinoliebhabern den Atem raubte. Weil diese Werke, nennen wir sie "Badlands" und "Days of Heaven", auf eine neuartige Weise vom Menschsein erzählten. Ganz ohne Psychologisierungen und Drehbuchschablonen hat dieser Filmemacher die Essenz des Daseins in flirrende, oft sonnendurchflutete, manchmal nachtschwarze Bilder verpackt.
Weil dieser große Kenner des Homo Sapiens, sagen wir ruhig Terrence Malick zu ihm, sich mit den Alltagsmenschen, besonders jenen in Hollywood, aber lange sehr schwer tat, schwieg er dann zwanzig Jahre lang künstlerisch. Heute dürfen wir beinahe religiösen Anhänger seines Schaffens uns aber freuen, denn Malick arbeitet nunmehr ständig an mehreren Filmen gleichzeitig.
SEBASTIAN: Ja, im gigantischen Schatten des "Tree of Life" dürfen wir auch 2013 wieder glauben. Sind uns hier doch sogar gleich zwei Filme von Terrence Malick versprochen. Seid ihr bereit für das ganz große Requiem? Das ganz große Ganze, in ausgelassen dahinfliegenden Bildern? Bereit für ein weiteres Fest der Liebe?
CHRISTOPH PRENNER wird sich auch 2013 wieder unersättlich im Schlaraffenland all der von Kinoleinwänden und Fernsehschirmen leuchtenden Laufbilder der Filme und Serien umtun.
Und dabei speziell Ausschau halten nach:
1) "Stoker" (Chan-Wook Park)
2) "Anchorman: The Legend Continues" (Adam McKay)
3) "Twelve Years A Slave" (Steve McQueen)
CHRISTOPH: Der oh so herrliche zweite Frühling des Herrn Malick und seine schaffenssatten späten Tage im Himmel cineastischer Großkunst erlauben es ja kaum einem von ihm angefragten Akteur von Rang und Namen abzusagen. Wenngleich er/sie damit noch lange keinen Freibrief erhält, im fertigen Film dann auch tatsächlich vorzukommen. Für seinen noch dieses Frühjahr in die Kinos kommenden nächsten Film "To The Wonder" sollen unter anderem Rachel Weisz und Michael Sheen zwar nicht gratis, aber umsonst gespielt haben.
Studio Canal
CHRISTIAN: Stimmt, die wurden komplett rausgeschnitten aus dem assoziativen Liebesgedicht, ganz im Gegenteil zu der von mir hochverehrten Olga Kurylenko und Ben Affleck, bei dem ich jetzt langsam mal meine Grundskepis hintenanstellen muss.
CHRISTOPH: Es bleibt einem aber dennoch und sowieso genug zu bewundern an und in "To The Wonder", das einen etwa mit Kurylenko durchs hüfthohe Gras streichen und bei Javier Bardem im Beichtstuhl sitzen lässt.
CHRISTIAN: Es soll nicht verschwiegen werden, dass jene Skeptiker, die schon "The Tree Of Life" als pathetisch, kitschig oder verschwurbelt brandmarkten, nun bei Filmfestivals in unverhohlenen Spott verfallen sind. Uns hier in der Church of Terrence Malick kratzt das nicht.
SEBASTIAN: In der Kritik an Malick schwingt mir hier viel zu viel ideologisch belastetes Unbehagen mit. Ständig dieser Vorwurf, er würde da mit viel zu viel Liebe ein katholisches Weltbild feiern. So what. Von mir aus dürfen da auch Engel über den Beichtstühlen in den Wasserfall, ins Paradies eintauchen. Wenn ich nur jeden Tropfen dabei auf der Haut spüren kann, ist mir das allemal Recht.
"The Master" R: Paul Thomas Anderson
Der letzte 70mm-Film und dann gleich einer, der sich anfühlt als würde man sich in manischer Ausgelassenheit immer wieder den Kopf anschlagen, um dann ganz wunderbar betäubt in den Sand zu sinken. (SS)
CHRISTOPH: Das große Verdienst Malicks in der Welt des hyperkonzeptionierten Gegenwartskinos ist es wohl, dass bei ihm das Korsett des letztlich oft alles erstickenden Narrativen gerne und gekonnt einmal den Faden verlieren darf. Ich erwarte mir von "To The Wonder" (sowie vom auch schon in der Finalisierung befindlichen "Knight Of Cups") also nicht weniger als eine alles ausleuchtende Feierlichkeit von Film, die einem dein/mein/unser Durchs-Leben-Stolpern weihevoll einkleiden dürfte. Die einem dabei aber wie die gute Liebe selbst ja auch kein Mittelspurfahren zugestehen kann. Die alles will. Weil sie alles kann. Und mit allem und allen, nur mit dem Kleinmut des Zynismus nicht.
Ganz in der Wunderwelt von "To The Wonder" und eventuell "Knight Of Cups" aufzugehen lautet der Traumwunsch für die da kommende Zeit: Frontalflash, Komplettkino, Endstation Sehwucht.
Studio Canal
Welcome to Pornotopia
CHRISTIAN: Bleiben wir bei den kontrovers diskutierten Querköpfen des Kinos. Lars von Trier, bei dem sich immer alle Geister spalten, hat ja mit "Melancholia" ein nicht minder schönes, pessimistisches Gegenstück zum Universum-Umarmungs-Epos "The Tree of Life" geschaffen. Jetzt erweckt unser Lieblings-Lars das Subgenre des Kunstpornos wieder. So nenne ich zumindest mal flapsig jene Mixtur aus Arthouse-Anspruch und Genital-Close-Ups, die auch mit dem Schaffen von Catherine Breillat oder Vincent Gallo verküpft ist.
"The Grandmaster", R: Wong Kar Wai
Delierendes Farbflirren in dichtem Regen, die Poesie von Bewegung, mit ganz langem Atem (acht Jahren Produktionszeit) nun doch noch fertiggestellt. Ein neuer Wong-Kar-Wai-Film. Endlich. (SS)
CHRISTOPH: "Nymphomaniac" scheint mir dann auch zweifelsohne eine Angelegenheit zu sein, der Lars von Trier einiges an genuin kontroversiellem Potential abringen kann. Insbesondere der angekündigte Explicit Cut dürfte es hier herausfordern, für die schönsten XXX-Momente von Schauspielprominenz nach Chloë Sevignys Intermezzo mit Gallos Brown Bunny zu sorgen. Die Vorfreude hierauf wird ferner noch durch die Beobachtung genährt, dass sich von Trier nach seinem Kunststudenten-Klamauk "Antichrist" mit "Melancholia" ja wieder zu einer so nicht mehr erwarteten Großtat, die sich einem im besten Sinne an die Substanz zu gehen getraute, aufgeschwungen hatte.
SEBASTIAN: Ich habe bereits auch schon die körperlichen Selbstzerfleischungen seines "Antichrist" sehr genossen, bei dem der Sex, das teuflisch intensive Ringen, ja ebenfalls im Zentrum wütete und auch im kraftvollen Untergang von "Melancholia" sah man Kirsten Dunst mit Weltgestirnen vögeln. Somit erwarte ich von seinem "Nymphomaniac" kaum weniger gebannt mit voller Körperlichkeit erschüttert zu werden. Gerade Lars von Triers Gnadenlosigkeit, sein kindischer Sadismus, mit welchem er den Finger gegen die Wunde, ins Auge drückt, verspricht hier wieder ganz verzückend wunderbare Berührung.
"The Wolf Of Wall Street" R: Martin Scorsese
Nur einen herzigen Kinderfilm lang hat sich der legendäre Marty von den verkorksten Männern als Lieblingsthema losgesagt. Jetzt kehrt er ins Herz der Finsternis zurück, mit seinem Darling Leo DiCaprio als Banker, der sich weigert, am korrupten Wall-Street-Schwindel teilzunehmen. Scorsese goes Finanzkrise? Bitteschön! (CF)
CHRISTIAN: Die fiebrige Ungeduld steigt zusätzlich, wenn man die Besetzungsliste des Nymphomaninnen-Portraits liest: Charlotte Gainsbourg, Connie Nielsen, Christian Slater, Jamie Bell und natürlich Udo Kier tummeln sich in dem Full-Frontal-Projekt.
Canyons Film
SEBASTIAN: 2012 habe ich mich auf die entrückt pornographischste Weise in Lindsay Lohan verliebt, als ich sie in Richard Philips filmischem Liebesgedicht "First Point" auf der Art Basel sah. Nun haben sich Paul "Light Sleeper" Schrader und Bret Easton "American Psycho" Ellis zusammengetan, auf dass wir ihr in "The Canyons" zwischen den spärlich bewaldeten Hügeln Hollywoods hinterher taumeln können, an der Seite der männlichen Sasha Grey, dem Porno-Wunder James Deen. Gus Van Sant mimt einen Psychologen. Und schon die spärliche Inhaltsangabe auf IMDb stimmt gut gelaunt: "Youth, glamour, sex and Los Angeles, circa 2012".
CHRISTOPH: Es passen dann auch noch zwei weitere, im weitesten Sinne dem Planeten Porno zugewandte Projekte gut ins versaute Bild: Der vom Klassenfoto der Schauspielhelden 2012 nicht mehr wegzuretuschierende Joseph Gordon-Levitt wird sich in "Don Jon’s Addiction" vor und hinter der Kamera der Sex- und Sexfilmsucht eines modernen Don Juan allenfalls satirisch widmen. Und dabei wohl nicht nur die Wangen von Scarlett Johansson und Julianne Moore zum Glühen bringen.
JGLs erste Regiearbeit wird demnächst übrigens als Beinahe-Weltpremiere auf der Berlinale zu sehen sein – ebenso wie "Lovelace". Vom sich eher kritisch gebenden Biopic über die schließlich nicht ganz so gut ins echte Leben zurückgewanderte Porno-Pionierin wider Willen darf man sich zumindest erbeten, dass all der Oralverkehr hier bei jeder gebotenen Ernsthaftigkeit nicht allzu penetrant mit Moralbelehr verquirlt wird.
CHRISTIAN: Dass der liebenswerte Konzeptkünstler, Freigeist und Mainstreamstar James Franco in seiner kommenden Regiearbeit "Interior. Leather Bar" die verschollenen Szenen des Sadomaso-Thrillers "Cruising" als Schwulenporno nacherzählt, sollte auch nicht verschwiegen werden.
James Franco
Wir sprengen alle Ketten
"The Great Gatsby" R: Baz Luhrmann
Man kann die Filme von Maestro Luhrmann als große Campkunst feiern oder als peinliche Geschmacksverirrungen der amoklaufenden Postmoderne abtun. Wenn sich der Kitschkönig dem legendären großen Gatsby und der dazugehörigen Ära nähert, wird es zumindest interessant. Und Leo DiCaprio stehen zurückgeklatschte Haare prächtig. (CF)
CHRISTIAN: Vieles, was wir hier anteasen, lässt ja noch lange auf sich warten. Dafür kommt "Django Unchained" schon nächste Woche. Christoph, du hast ihn ja auch schon gesehen und etwas zwiespältig erlebt.
CHRISTOPH: So wie eigentlich das Gesamtwerk von Quentin Tarantino an sich. Für mich ist er ja bei allen Verdiensten stets einer geblieben, der sich im entscheidenden Moment dann oft noch immer ein wenig zu unlocker, ja, furchtsam an das sich in seiner Videotheken-Teenager-Zeit angeschaffte Kinoförmchen-Set klammert – was sich sodann leider in bloßen Genrekino-Durchschlägen bemerkbar macht. Wenn er sich dann aber ab und an mal von seinen eigenen Ketten losreißt, passieren ihm freilich gleich wild wummernde Schönheiten wie zuletzt "Inglourious Basterds".
In "Django Unchained" halten sich diese beiden Tarantinos nun gegenseitig in einem nicht reizlosen Gleichgewicht, wobei ich der ersten Filmhälfte – in der das ungleiche Duo Waltz/Foxx mittels einer ausgelassenen Variation jener Lehrmeister-Zögling-Anordnungen, die man so ähnlich ja aus den größten Bruce-Lee-Filmen kennt, eingeführt wird – dabei aber deutlich mehr abgewinnen konnte als dem eher unterwältigenden, da zu behäbig fortschreitendem Finale.
CHRISTIAN: Ja, wenn ich daran denke, wie mich "Inglourious Basterds" durchgehend überwältigt hat, verließ ich die Pressevorführung von "Django Unchained" auch mit gemischten Gefühlen. Vielleicht weil die Italowestern-Referenzen im Grunde eher aufgesetzt wirken, sich auf einige Zooms und den genialen Soundtrack beschränken. Auch der Kurzauftritt des originalen Django Franco Nero hat etwas Liebloses.
Sony
SEBASTIAN: Möglicherweise, weil "Django" selbst gar nicht so sehr die Blaupause abgab, wie Titel und Kurzauftritt vermuten lassen. Ich musste da vielmehr sofort an die alles andere als politisch korrekte "Nigger Charley"-Bahnhofskino-Western-Trilogie mit Fred Williamson in der Titelrolle denken, in welcher dieser einen ehemaligen Sklaven spielt, der mit dem Colt in der Hand unter Rassisten-Pack aufräumt ("Somebody warn the West. Nigger Charley ain’t running no more.") und so letztlich sogar zum ersten schwarzen Sheriff wird (Teil 3, der auch in den 70ern wenig bekannten Filmreihe, hieß dann bezeichnenderweise "Boss Nigger").
CHRISTIAN: Im Gegensatz zu einigen eher missglückten Comedyszenen und diversen dramaturgischen Durchhängern, funktioniert eben dieses Kapern der amerikanischen (Gräuel-) Geschichte ebenso gut wie Tarantinos filmischer Angriff auf die Nazi-Ära. "Django Unchained" wühlt das Thema Sklaverei breitenwirksam und blutig auf, wie es sich kein großer US-Film seit Ewigkeiten traute.
"The Iceman" R: Arie Vromen
Die wahre Lebensgeschichte eines bezahlten Killers, der für das organisierte Verbrechen unzählige Menschen ermordete – und nebenbei ein normales Familienleben führte: Wer könnte so etwas besser verkörpern als der bedrohliche Michael Shannon? Gruselige Vorfreude. (CF)
SEBASTIAN: So ganz will man das nicht in einem Atemzug nennen, aber auch im neuen Steve-McQueen-Film nach "Shame" geht es um Sklaverei. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der mitten im 18. Jahrhundert in New York von Sklavenhändlern auf eine Plantage im tiefsten Süden verschleppt wird. Erneut mit Michael Fassbender vor der Kamera und auch der Rest der Besetzung liest sich bereits verdammt beeindruckend: Benedict Cumberbatch (natürlich auch hier dabei), Brad Pitt, Paul Giamatti, Chiwetel Ejiofor, Paul Dano ... Hach ...
CHRISTOPH: "Twelve Years A Slave" wird der auch von mir sehr herbeigefieberte Film im Übrigen verheißungsvoll betitelt sein – und ich erhoffe mir davon durchaus eine ähnliche Katharsis wie von der bisher letzten Arbeit, in der sich Steve McQueen eines solch heißen Eisens angenommen hatte: dem IRA-Gefängnis-Drama "Hunger".
CHRISTIAN: Und dann meldet sich 2013 auch noch Tarantinos bester Buddy in Sachen Exploitation-Plünderung zurück...
CHRISTOPH: Stimmt, wobei die gesellschaftspolitischen Claims bei Robert Rodriguez mit bestimmt wesentlich homöopathischeren Dosen Seriosität abgesteckt werden. Er stellt seine Botschaften nur all zu gern mit dem Vorschlaghammer zu, was in gewissen Stunden ja auch nicht verkehrt ist. Und wiewohl Trailer und Pitch von "Machete" letztlich weit vergnüglicher waren als der eigentliche Film über das säbelschwingende Scarface, sollte man dessen Fortsetzung "Machete Kills" allein schon wegen des Comicfiguren-Casts auf sich einwirken lassen: Mel Gibson als Terrorpapst! Charlie Sheen als Weltenlenker! Lady Gaga als "La Chameleon", also wohl eh wieder als Lady Gaga.
Nicht weniger grobschnittig oder gewaltlüstern, durchaus aber visuell eleganter dürfte ein weiteres Sequel eines Rodriguez-Kassenschlagers ausfallen: "Sin City: A Dame To Kill For" führt uns an der Hand von Marv und Co. zurück in die abgründigen, dunkelromantischen, blutgetränkten Großstadt(t)räume Frank Millers. Bald also hoffentlich wohlfeil wiedererweckt: Pulp-Poesie in Schwarz, Weiß und Rot. Und nunmehr auch 3D.
Robert Rodriguez
Oldschool-Action
CHRISTIAN: Von den mit Popkulturanspielungen und wie im Fall von "Machete" auch politischem Sarkasmus gespickten Meta-Exploitation-Streifen des Senor Rodriguez zu eher handfestem Tschinn-Bumm-Kino, wie man in Wien gerne sagt. Auch 2013 wird, ganz ohne "The Expendables", ein Jahr für Herrschaften wie Sly Stallone, Bruce Willis oder Arnold Schwarzenegger.
"The Counselor", R: Ridley Scott
Bei diesem Film genügt es die Credits aufzuzählen: Ein Originaldrehbuch des göttlichen Cormac McCarthy trifft auf Ridley Scott im Regiestuhl, vor der Kamera tummeln sich Brad Pitt, Michael Fassbender, Javier Bardem, Cameron Diaz und Penélope Cruz. Nuff said. (CF)
SEBASTIAN: Was mich an 2012 dann wirklich doch ein wenig genervt hat, war diese ständige Eigentlich-sind-wir-doch-viel-zu-alt-für-den-Scheiß-Geste der großen Heroen. Als gelte es da was zu entschuldigen. Und noch schlimmer, als ginge das jetzt nur noch mit Ironie, der sowieso inzwischen schlimmsten Pest im Kino, wie auch im Leben. Von Walter Hill verspreche ich mir da einen weitaus entspannteren Umgang, wenn er jetzt Sylvester Stallone in "Bullet To The Head" die Axt schwingen lässt und auch die ersten Bilder des nun mit der fünften Runde offenbar von allen Zwängen befreiten "A Good Day To Die Hard" lassen einen an ein besseres Morgen glauben.
CHRISTIAN: Walter Hill ist eine Macht, das klingt nach herrlichem Comeback. Und der Trailer zu John McClanes Moskau-Abstecher rockt tatsächlich auf eine sehr erfrischende Art. Wobei ich da etwas einwerfen muss. Ich gebe dir prinzipiell recht, was falsche Ironie angeht, die alles kaputtmacht mit ihrer distanzierenden Arroganz. Andererseits gehört gerade Bruce Willis als Mr. Yippie Kay Yay zu den Vorreitern einer ganz anderen Ironie. Der hat mit seinem grimmigen Humor oft eine Comic-Ebene in seine Filme eingezogen, die sie sehr speziell machte. Brachial, hart und komisch zugleich. Und da schließt er mit dem neuen "Die Hard"-Spektakel scheinbar nahtlos an.
Andere Kollegen tun sich schwerer, finde ich, einzusehen, dass die rabiate Körperpolitik der 80er längst Geschichte ist. Die müssen sich dann tragisch selbstdekonstruieren oder als kasperlhafte Parodien agieren, wie verstaubte Metalmusiker, die nicht aufhören können.
SEBASTIAN: Ich bin da sehr dafür den One-Liner als müden Lacher endgültig sterben zu lassen und sich stattdessen ganz in den tief zerfurchten Gesichtern dieser Kerle zu vergraben. Ihnen hier einen würdigen Abgang in allen Ehren zu spendieren. Ganz unironisch, mit majestätischer Geste, schmerzvoll.
Centfox
CHRISTOPH: Abgesehen davon, dass ich nicht so ganz verstehe, warum man sich nicht mehr getraut, McClane auch ohne jüngeres Beiwagerl in die Schlacht ziehen zu lassen, freue mich aber ebenfalls schon darauf, dass Bruce Willis nun wieder kräftig durch die Gegend ramponiert werden wird. Bezüglich der One-Liner muss ich dir, Sebastian, spätestens seit dem uncharmanten, penetranten Zitate-Aufwärmen von "Expendables 2" schon beipflichten: Retromanie der schlimmeren Sorte ist das. Du hattest diesbezüglich zu einem im ersten Vorschau-Teil vorgestellten Film ja auch noch eine kleine Anmerkung, oder?
"Before Midnight", R: Richard Linklater
Alle neun Jahre wieder stromern die ewigen Fast-Lover Julie Delpy und Ethan Hawke über Leben und Lieben plaudernd durch die Straßen einer fremden Stadt – nach Wien und Paris ist nun eine noch näher zu definierende griechische Küstengegend dran. Alles Krise also? Wir freuen uns so oder so. (CP)
SEBASTIAN: Ist euch aufgefallen, wie geradezu erhaben noch das erste Kinoplakat zum Schwarzenegger-Comeback "The Last Stand" gewirkt hat und wie das dann kurz vor Start doch wieder nur nach blöden One-Linern ohne Größe aussah? Das hat meine Vorfreude auf diesen Film und auch auf die ebenfalls noch anstehende erneute Zusammenarbeit mit Stallone in "The Tomb", bei der wohl ähnlich dumme Sprüche wie beim letztjährigen "Expendables 2" zu erwarten sind, doch arg getrübt.
Erst von "Ten", der "Predator"-Hommage als knallharter Copfilm von David Ayer (dessen "End of Watch" ich auch schon sehr mochte), verspreche ich mir einiges. Der kommt wohl aber leider erst, wenn auch schon abgedreht, 2014 in die Kinos.
Centfox
Teenage Wasteland
SEBASTIAN: Beinahe mehr als auf alles andere freue ich mich auf den Sommer. Dort, wo er leuchtet wie eine in Brand geratene Disco-Kugel. Was direkt zu Harmony Korines "Spring Breakers" führt. Mit diesen vier wunderschönen Mädchen (Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Rachel Korine, Ashley Benson) einen Burger-Laden überfallen, Richtung Strand aufbrechen und dabei dann irgendwann auf James Franco treffen, dessen Goldzähne in der Dunkelheit blitzen.
CHRISTIAN: Überhaupt tut sich 2013 ganz schön viel im Teenage Wasteland zwischen Indie-Kino und Hollywood. Natürlich ist nicht alles so irrlichternd angelegt wie "Spring Breakers", in dem der ewige Lo-Fi-Punk Harmony Korine erstmals mit dem zuckerlfarbenen Pop-Mainstream flirtet.
CHRISTOPH: Nicht weniger knallbunt male ich mir zum Beispiel "Kick-Ass 2" aus, die Fortschreibung jener smarten Superheldenkino-Variation, in die wir vor drei Jahren doch alle ein wenig verschossen waren. Sebastian, du hast dich hier schon eingelesen, was darf man sich davon erwarten? Insbesondere wo doch die Schauspieler-Naturgewalt Nic Cage als Big Daddy fehlen wird?
SEBASTIAN: Die Comic-Vorlage zum "Kick-Ass"-Sequel lud leider zum Fremdschämen ein, aber der erste Film, auch weil ich ihn mit und durch die Augen des kleinen Mädchens sah, wird immer seinen festen Platz in meinem Herzen haben. Sowohl Kick-Ass Aaron Taylor-Johnson wie insbesondere Hit-Girl Chloë Grace Moretz sind jetzt allerdings erneut wieder mit an Bord und zudem gönnt sich Jim Carrey als Colonel Stars and Stripes hier so etwas wie ein Comeback. Von daher: bin dabei.
Concorde Verleih
CHRISTIAN: Im wie schon erwähnt reichlich inflationären Zombie-Genre regen sich auch die Hormone. Nach dem Ende der "Twilight"-Ära sucht Hollywood ja angestrengt nach neuen, kassenträchtigen Verbindungen von Teenieschwulst und zartem Grusel. Nach den Vampiren und Werwölfen hat man jetzt ausgerechnet die lebenden Leichen entdeckt, die punkto Romantik ja nicht so ergiebig sind. Aber wenn der auch von Cineasten verehrte Schnuckel Nicholas Hoult dahinfault, nimmt man den strengen Geruch in Kauf. "Warm Bodies" wirkt wie die gänzlich jugendfreie Version von Bruce La Bruces Zombiesex-Satire "Otto or Up with dead people", könnte aber putzig werden.
SEBASTIAN: Ich hatte ja fast schon fast vergessen, dass von Regisseur Jonathan Levine auch der wunderbar polaroid-farbene Sommerfilm "All the Boys Love Mandy Lane" stammt, in den ich damals sofort verknallt war und so freue ich mich jetzt dann schon ein klein wenig auf seinen sonst beinahe zu sehr nach Konzept riechenden Zombie-Liebesfilm "Warm Bodies".
A24 Film
Austro-Albträume
"Much Ado About Nothing", R: Joss Whedon
Auch im Jahr nach dem Superhelden-Ensemble-Blockbuster und dem Meta-Holzhütten-Horror lässt Joss Whedon nicht locker – und verfilmt ein nicht eben selten gesehenes Shakespeare-Stück. Um einen interessanten neuen Spin des Alleskönners wird man sich aber garantiert nicht sorgen müssen – insofern gilt hier wohl: Viel Lärm um viel. (CP)
SEBASTIAN: Der wohl schönste Film über die Liebe im vergangenen Jahr, Ulrich Seidls "Paradies: Liebe", lässt sich in diesem beglückend romantischen 2013 ja gleich noch zweifach vertiefen, dann, wenn die beiden anderen Teile seines gewaltigen Triptychons endlich auch noch in die Kinos kommen. Seit dem aufreibenden Sommer der "Hundstage" träume ich davon, noch einmal mit der unfassbar zauberhaften Maria Hofstätter zusammen sein zu dürfen und nun schenkt uns Seidl mit "Paradies: Glaube" gleich einen ganzen Film dann nur mit ihr (okay, und Jesus).
Aber damit nicht genug, in "Paradies: Hoffnung" folgen wir zudem noch der 13jährigen Tochter (Melanie Lenz), schon in "Paradies: Liebe" eine meiner Lieblingsfiguren, ins Diätcamp, nur damit wir uns dann dort auch noch einmal mit der ganzen Ausschließlichkeit der ersten Liebe verlieren. Vorfreude Deluxe.
Stadtkino Verleih
CHRISTIAN: Wobei ich, auch großer Seidl-Fan, einwerfen möchte: Mich hat ja "Paradies: Liebe" inhaltlich in höchstem Maße erschüttert. Hab nach diesem Film, sehr frei nach Houellebecq, über die absolute Einsamkeit im Alter, Freitod-Optionen rund um die Midlifecrisis und generell die deprimierendsten Seite der Liebe nachgedacht. Was alles Komplimente für einen radikalen Regisseur sind.
Neben dem unverwechselbar eigenen Universum von Ulrich Seidl kündigen sich aber auch zwei rare österreichische Flirts mit dem Genrekino an. In beiden Fällen inszeniert von Regisseuren, denen man diesbezüglich vertrauen kann. Andreas Prochaska nützt seinen Erfolgsstatus nach "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" für einen düsteren Ausflug in die Berge. Und dort ist er zuhause, das wissen wir seit dem großartigen zweiten Teil von "In drei Tagen bist du tot". Sein Alpenwestern "Das finstere Tal" spielt Ende des 19. Jahrhunderts in einem abgelegenen Hochtal, wo eine mysteriöse Mordserie stattfindet. Der charismatische Sam Riley spielt einen seltsamen Fremden, Prochaska selbst spricht von einem Alpenwestern, beides weckt meine Vorfreude intensiv.
SEBASTIAN: Prochaska ist einer der spannendsten Filmemacher, "In 3 Tagen bist du tot" war ein Fest. Gerne folge ich ihm da erneut in die Finsternis. Ein wunderbares Bild findet auch Marvin "Rammbock" Kren für seinen neuen Film "Blutgletscher" (ehemals noch schöner "Glazius" betitelt). Aus einem ebensolchen fließt mit einem Mal dunkles Rot und die Tierwelt beginnt auf das wütendste zu mutieren. Ein kleine Wetterstation tief in den Bergen. Terror und Chaos brechen los. Schön.
CHRISTOPH: Ja, solch sich so beherzt an Genrekino-Abenteuern abarbeitenden Könnern wie Prochaska, Kren oder womöglich auch Götz Spielmann (von dem heuer ebenso noch ein neues Projekt namens "Oktober November" in die Kinos kommen soll) sind wahrlich eine Wohltat in der heimischen Filmlandschaft, die selbiger sogar einen spannenden dritten Weg ebnen könnten. Neben den gut eingelatschten Pfaden der Filmfestival-Darlings und den ohnehin immer höchst holprigen Schnellstraßen des zum Event-Kino aufgeblasenem TV-Movie-Schrotts, dessen jüngste Brachialzumutung wohl das Remake von, genau, "Das weiße Rössl" darstellt.
Österreichisches Kino dagegen, das noch lockt und lodert: Was könnte es lohnenderes geben?
Allegro Film