Erstellt am: 9. 1. 2013 - 16:07 Uhr
Wie GPS-Geräte entführt werden können
Die Hype um unbemannte Fluggeräte hat im Verlauf des Jahres 2012 endgültig von den Militärs auf den zivilen Sektor übergegriffen. Es ist wieder einmal Start-Up-Zeit, im direkten Sinn des Wortes, schließlich handelt es sich um GPS-gesteuerte Fluggeräte.
Ein solches Start-Up namens 3D Robotics leitet Chris Anderson, davor Chefredakteur des Magazins "Wired" und seit 2007 treibende Kraft der Bastlergemeinde Diydrones.com: Drohnen selbstgemacht. Die derzeitige explosionsartige Entwicklung auf diesem Spielzeugsektor wird von den professionellen Drohnenbauern, also der Rüstungsindustrie, sehr interessiert beobachtet. Diese Branche setzte mit militärischen Flugrobotern 2012 bereits 44 Milliarden Dollar um.
Die ultraleichten Gerätchen haben mit jenen Drohnen, die große Geschäfte im Zivilbereich versprechen, von Gyroskopen bis Beschleunigung erstens qualitativ annähernd gleichwertige Basissensorik verbaut. Und: Beide sind zur Navigation völlig auf ziviles GPS angewiesen. Genau das ist die Crux.
Dokumentierte GPS-Störangriffe
Die Robotflieger verstehen den analogen Sprachfunk nicht, mit dem der gesamte Flugverkehr abgewickelt wird. Sie fliegen vielmehr vorprogrammierte Routen mit GPS.
In den USA sollte der Luftraum bereits ab 2015 für militärische wie zivile Drohnen weitgehend offenstehen. Auch in Europa schob die Rüstungsindustrie seit 2009 heftig an und fand dabei auch bei den Regierungen Gehör. In Deutschland wurden Teile des zivilen Luftraums für Drohnen bis 150 Kilogramm bereits Anfang 2012 geöffnet.
Die zivile Version des GPS aber kann gegen Störungen bei weitem nicht so gut abgesichert werden, wie die Militärvariante, der auch weitaus stärkere Störungen nichts anhaben können. "Jamming"-Angriffe, die GPS-Signale der Satelliten mit einem Störsignal zudecken, aber sind seit Jahren dokumentiert.
Solche, natürlich illegale GPS-Jammer, sind um rund 50 Dollar im Internet zu haben, meist made in China. Britische Trucker benützen sie, um sich von Zeit zu Zeit der Überwachung durch das Flottenmanagement zu entziehen, ebenso wie Autodiebe, die das gestohlene Fahrzeug so tarnen.
Signale im Milliwattbereich
"Schon ein paar Milliwatt genügen, um die extrem schwachen Signale der Satelliten im näheren Bereich zu übertönen", sagte Holger Arthaber, Leiter des Hochfrequenzlabors der TU Wien dazu. Mit einem primitiven Störsender ließen sich GPS-Empfänger temporär und ortsbegegrenzt leicht lahmlegen, sagte der Frequenzexperte. Mit etwas mehr Aufwand könne man die überall verbauten GPS-Module aber auch davon überzeugen, dass sie ganz woanders seien.
Dazu wurde ein multifunktioneller Signalgenerator benutzt, der von GSM bis GPS alle nur denkbaren digitalen Signalfolgen auf allen Frequenzen erzeugen kann. Solche Standardmess- und Testgeräte jedes HF-Labors können mit entsprechender Software auch GPS-Signale erzeugen. Bis zu 18 GPS-Signale, deren Laufzeiten im richtigen Verhältnis untereinander stehen, kann dieses Gerät generieren. Das entspricht den Bahnen von 18 GPS-Satelliten.
Das Set-Up an der TU Wien

Günter Hack, ORF.at
Teleportation nach München
Smartphone, Navi und Tablet wurden dann nacheinander direkt vor die improvisierte GPS-Sendeantenne aus 20 cm Draht gebeten, um mit der geringsten möglichen Sendeleistung arbeiten zu können. Dann wurden die Koordinaten der Stadt München in den Generator eingegeben.
Das Institute of Electrodynamics, Microwave and Circuit Engineering an der Technischen Universität Wien.

Günter Hack, ORF.at
Verwirrungen des Navigationsgeräts
"Jetzt ist das Gerät erst einmal verwirrt", sagte Arthaber zufrieden. "Nun sehen wir mal, wann es akzeptiert, dass es nicht mehr im vierten Wiener Gemeindebezirk, sondern plötzlich in München ist". Das Smartphone wollte noch eine Bestätigung, dass seine Systemzeit korrekt sei und zeigte dann einen Punkt auf dem Stadtplan von München an. Tablet und Navi waren ebenso schnell bereit, die Tatsache ihrer Teleportation nach München zu akzeptieren.
Ein Feldversuch an der University of Texas im Juli 2012 hat gezeigt, dass die Empfänger der zivilen GPS-Signale aus einem Kilometer Entfernung ausgetrickst werden können. Mit einem technischen Set-Up im Wert von gerade 1.000 Dollar konnte eine Drohne entführt und nach Belieben gesteuert werden.

Günter Hack, ORF.at
Rundfahrt durch München
Die meisten GPS-Geräte auf dem Markt seien gegen derlei überhaupt nicht abgesichert, denn solche Angriffsmöglichkeiten auf ziviles GPS seien bei dessen Entwicklung einfach nicht berücksichtigt worden, sagte Arthaber. Im obigen Fall würde eine Plausibilitätsprüfung des Weg/Zeit-Verhältnisses zwischen Wien und München genügen, um Alarm zu schlagen.
"Es sind aber auch dynamische Szenarien möglich", so der Frequenzforscher. Ein Dreh am Rädchen und schon setzen sich Smartphone, GPS-Navigationsgerät und Tablet Richtung Stachusplatz in Bewegung. So sei es dann schon wieder möglich, einfachere logische Kontrollen wie eben Zeit/Weg-Korrelation auszuhebeln, sagt Arthaber.
Die gängigste Hypothese zur noch immer ungeklärten spektakulären Bruchlandung der hochmodernen Stealth-Drohne Sentinel im Iran lautet so. Der Sentiunel wurde von iranischen Kampffliegern auf den militärischen GPS-Frequenzen mit Störsignalen bombardiert. Der Sentinel wurde dadurch in den "Fall-Back"-Modus gezwungen, - das zivile GPS-System. Das machte dann einen Spoofing-Angriff nach dem Muster der texanischen Forscher möglich.
Navi liegt, Drohne fliegt
Während das Navi lediglich einen falschen Stadtplan zeigt, aber physisch natürlich an Ort und Stelle bleibt, würde eine Drohne durch das "gespoofte" Signal erst einen falschen Kurs und darauf in das nächste Hindernis einschlagen.
Natürlich steht der Aufwand eines solchen Angriffs derzeit in keinem Verhältnis zu den Modellflugzeugen, die nicht nur in den USA immer populärer werden. Warum die kommerziellen Hersteller diese Modellfliegerszene genau beobachten, hat mehr als einen guten Grund.
Nachfrage nach Minidrohnen
Zum einen steigt bei den Militärs die Nachfrage nach Minidrohnen, zum anderen lassen sich hier wichtige Erkenntnisse gewinnen, was passiert, sobald eine größere Anzahl ultraleichter, GPS-gesteuerter autonomer Flieger im Zivilbereich umherschwirrt.
All jene Komponenten der elektronischen Gadgetwelt, die gerade künftigen, kommerziellen Drohnen gefährlich werden können, sind für die Ultraleichten nämlich jetzt schon eine Gefahr. Neben starken Laserpointern, die, bei HD-Kameras angefangen, allen hochempfindlichen Sensoren gefährlich werden können, sind es derzeit vor allem noch recht primitive GPS-Störgeräte. Mit passenden Antennen und insgesamt minimalem Aufwand könnte schon so beträchtlicher Schaden angerichtet werden.
Die Website des Start-Ups 3D Robotics ist noch auf Diydrones.com umgeroutet, das neue Unternehmen ist noch keine drei Monate alt.
Dazu kommt der rasante technische Fortschritt, der auch einstmals unerschwingliche Signalgeneratoren immer billiger macht. Platinen mit einfachen GPS-Signalgeneratoren, die nur einen Satelliten simulieren können, sind mittlerweile schon ab 25 Dollar zu haben.