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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

8. 1. 2013 - 19:12

Journal '13. Eintrag 5.

Der Glaube an die journalistische Welt als Scheibe und ein Galileo namens Hansi. Oder: alle Macht für Online.

Hallo Lesende, das ist das Journal '13, die tägliche Äußerung in ungeraden Jahren. Obwohl: ich kann - im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 - heuer keine Täglichkeit garantieren; das Leben fährt mir heuer manchmal dazwischen.

Ansonsten bleibt alles wie im Twitter-Profil steht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball."

Der Fußball wird speziell gekennzeichnet und schon im Jänner (Afrika-Cup ab 19. Jänner) aktuell. Demokratie- und vor allem Medienpolitik werden sich in diesem Wahljahr wohl in den Vordergrund schieben.

So ist auch Eintrag 5 ein Medienjournal; obwohl es anfänglich um die Schweiz geht.

Dass wir (zumindest wir hinter dem Arlberg) den westlichen, teildeutsch sprechenden Nachbarn nicht nur nicht kennen, sondern auch nicht kennen wollen, hat die gegeneinander ausgerichtete Euro 08 schon belegt. Dass es seitdem keinerlei relevanten kulturellen oder gesellschaftlichen Austausch gegeben hat, versteht sich.

Nur so ist es zu erklären, dass Österreicher etwa in Medienfragen sofort mit Vergleichen mit dem unvergleichbaren, weil viel zu großen und gänzlich anders strukturierten deutschen Markt bei der Hand sind, während der (wenn schon nicht von der finanziellen Potenz) zumindest vom Umfang her ähnliche Schweizer Markt nie eines Blickes gewürdigt wird.

Weil sowieso jedes Basiswissen fehlt, erspare ich uns eine genaue Einschätzung von 20 Minuten, der Tamedia oder Hansi Voigt, dem Schweizer Chefredakteur des Jahres 2012 und sage nur: der Mann ist wichtig und ackert mitten im Herzen der Schweizer Medienwelt. In einem aktuellen Interview in Der Sonntag fährt der jedesfalls ganz schön Schlitten mit einigen Mächtigen, wettet gegen Renditedenken und denkt einiges vor in Sachen Online-Journalismus.

Alle Entscheidungen in der Online-Redaktion ansiedeln

Da berichtet er von seinen Überlegungen, deren Ablehnung ihn zum Abdanken als eben ausgezeichneter Chef brachte: "Mein Konzept sah vor, sämtliche inhaltlichen Entscheidungen bei '20 Minuten' in der Online-Redaktion anzusiedeln. Denn nur dort sind alle Entscheidungen möglich: Was machen wir sofort, was heute, was morgen? Was gross, was klein? Was wird gefilmt, was geschrieben, was gedruckt? Am Abend hätten Print-Produzenten aus dem Online-Best-of die Printausgabe verfasst. Jede Berechnung zeigt, dass dies wesentlich effizienter gewesen wäre."

Ich würde der wirtschaftlichen Effizienz noch etwas hinzufügen: die dringende Änderung des Workflows, ein Umschichten der Ressourcen. Und natürlich muss Online der Verteiler, der Libero, der Sechser sein. Online ist im allerbesten Sinn 24/7, noch ein Stück mehr, als es selbst Radio (der diesbezüglich einzige Mitbewerber) derzeit sein kann. Und deutlich mehr als das statische, auf ein paar Kennzeiten hingetrimmte (abseits von Großereignissen) live-untaugliche Fernsehen, noch deutlicher mehr als das maximal ein/zweimal täglich in Form gegossene Printerzeugnis.

Online tagt in Permanenz, also liegt dort die Erstentscheidung.

Diese stringente Logik, womöglich die Kernthese einer erfolgreich zu absolvierenden Medien-Konvergenz, wird von den Branchen-Definitionsmächtigen angegafft wie ein Außerirdischer, dessen Laute man nicht dechiffrieren kann.

Die gerümpfte Oldschool-Nase und die Erde als Scheibe

Das habe, sagt Voigt, "wohl viel mit der Angst vor Kontrollverlust zu tun" und meint damit klassische Verlagsstrukturen. Was er noblerweise nicht erwähnt: die Journalisten selber und ihr abgestandenes Distinktions-Denken.

Selbstverständlich halten sich Printjournalisten für etwas Besseres als die Online-Kollegen, selbstverständlich würden TV-Leute sich nie von Online etwas anschaffen lassen; die alten Prestige-Ranglisten, die alten angelernten Muster bestätigen das ebenso wie die deutlich unterschiedliche Kollektivs-Vertrags-Situation.

In der Praxis sind Medien-Webseiten "der nicht-gedruckte Teil einer Zeitung", also statische Portale aus der Online-Steinzeit, sagt Voigt. Und auch die Online-Auftritte der Öffentlich-Rechtlichen sind, wenn sie überhaupt kreativ denken dürfen, immer noch in erster Linie als zusätzlicher Ausspielweg für Video/Audio-Produkte gedacht.

Für das, was der Schweizer Journalist da recht emotionsfrei und auch ökonomisch argumentiert, ist weder in der Schweiz noch sonstwo im deutschsprachigen Raum der Boden bereitet. Nicht einmal ansatzweise. Die in die Zukunft gedachten bi- oder trimedialen Newsrooms aller Medien (denn Bewegtbild wird kein exklusives Recht der Öffentlich-Rechtlichen bleiben) zementieren allesamt das alte Weltbild der analogen Scheibe, anstatt sich zumindest einmal den Denkraum einer Weltkugel zu erlauben.