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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

10. 1. 2013 - 16:30

Cycling around Iceland

Christoffer und Kaisa Leka sind ein außergewöhnliches Paar: er absolut unsportlich, sie mit amputierten Beinen. Und doch unternehmen sie gewaltige Radtouren und verarbeiten die in wunderbaren Comics.

Die beiden fallen sofort auf.
Christoffer Leka ist groß und schlaksig mit wenig Haar - dafür umso mehr Dauergrinsen, während seine Frau Kaisa die ernstere ist, mit strenger Brille und zwei Beinprothesen. Er sei der, der kocht und sie die, die keine Beine hat, stellen sie sich knapp vor.

Kaisa & Christoffer Leka

Kaisa & Christoffer Leka

Kaisa macht kein großes Ding daraus, dass sie keine Beine hat. Sie trägt ihre Prothesen mit einem natürlichen Selbstbewusstsein und versucht erst gar nicht, diese zu verstecken. Es sind moderne Prothesen aus Karbon und Titan. Von Geburt an hatte Kaisa eine seltene Krankheit an den Beinen. Als Kind musste sie eigens angefertigte Schuhe tragen, wegen derer sie häufig gehänselt wurde. Nachzulesen in dem autobiographischen Comic "on the outside looking in".

Blaue und rote Blumenranken und ein Foto, Buchcover von "on the outside looking in" von Kaisa Leka

Kaisa Leka / Absolute Truth Press / Gummerus

Kaisa Leka: On the Outside Looking in. Absolute Truth Press 2006

Mit Anfang 20 wurden die Schmerzen beim Gehen immer stärker und Kaisa schluckte immer mehr Schmerztabletten. Ihr Mann Christoffer erinnert sich, dass sie in der Früh aufwachte, etliche Schmerztabletten nahm und danach so müde war, dass sie sich wieder hinlegen musste.

Der Alltag war ohne Schmerzmittel unmöglich. Kaisa hatte zwei Möglichkeiten – weiterhin Schmerzmittel zu nehmen oder sich ihre Beine, vom Knie abwärts, amputieren zu lassen. Wenn man körperlich behindert sei, würde man sich mehr um seinen geistigen Zustand kümmern, erzählt Kaisa. "cause you feel like – my body might not function probably but at least I can read and write and create things and at least my brain I like sharp and functioning. And with the painkillers your brain starts to get sort of mushy. And that's really difficult, cause then you feel you are losing your only advantage that you have in your body."
Die Schmerzmittel hätten sie so verängstigt, dass sie lieber ihre Beine verlieren wollte. Es kam zur Amputation.

Mit ihren kranken Beinen hätte Kaisa niemals Radfahren können. Erst mit den Prothesen wurde das möglich. Ihr Mann Christoffer hat sie dazu gezwungen, erzählt er lachend. Anfangs war nur das Bremsen bzw. das Loslassen der Bremsen schwierig, das Radfahren funktionierte rasch.

Was ursprünglich als Witz gedacht war, wurde zur ersten großen Radtour – von ihrem Haus in Porvo im Süden Finnlands quer durch das Land an die Nordspitze. Darauf folgte die unglaubliche Strecke von Finnland nach Nizza. Diese "Tour d' Europa" haben die beiden in der gleichnamigen Graphic Novel festgehalten.

Ihr letzter Comic, "Expedition Nr. 3", der 2012 erschienen ist, beschreibt ihre Reise rund um Island. Im August 2010 sind sie nach Island gereist – in der Annahme, dort noch auf den Sommer zu treffen, erzählt Kaisa. Finnland hätte keine besonders warme Sommer, aber der Wind in Island sei nicht zu unterschätzen. "So if someone Is thinking about going to Iceland in summer I would recommend that you take the kind of gear, that you use in the fall."
Sie sei keinen einzigen Tag in kurzen Hosen geradelt. Stattdessen sei eine gute Regenausrüstung wichtig.

An der Ausrüstung sollte man übrigens nicht sparen. Gerade als Amateure, brauche man die besten Räder. Wirklich wichtig sei ein guter Sattel. Das dauere manchmal, bis man den finde. Aber der passende Sattel sei das um und auf für lange Touren.

Falls man sich ein neues Rad kauft, soll man sich eines aussuchen und dann das in der teureren Preisklasse nehmen. "People are willing to spend a lot of money on a car , (…) spend money on the bike and safe money by sleeping in a tent and cooking the own meal."

Es gäbe ja auch Leute, die reisen mit ganz wenig Gepäck und der Kreditkarte und schlafen dann in Hotels und essen in Restaurants Für Island empfiehlt Kaisa das allerdings nicht, denn während der Hochsaison seien viele Häuser ausgebucht bzw. gäbe es in manchen Gegenden ganz einfach keine Unterkunft. Stattdessen bringen sie ihr Zelt und Schlafsäcke mit. Christoffer zieht das in einem Anhänger mit.
Dadurch, dass er den Anhänger zieht, seien sie auch in etwa gleich schnell.

comic maus und ente radeln im wind

Kaisa & Christoffer Leka

The less you know, the happier you are!

Mittlerweile wissen Kaisa und Christoffer, was sie auf eine Radtour alles mitnehmen müssen. Von all zu viel Vorbereitung hält Christoffer wenig: "we generally have no idea what we are doing. We actually didn't know at all what Iceland would be like. That's kind of a blessing for us, because many times if you know what's ahead of you, you might have second thoughts. The less you know, the happier you are!"

Interessanter Weise hätten sie auf der Strecke mehrere Radfahrerinnen und Radfahrer getroffen. Aber keine Einheimischen. Die wüssten wohl, was auf sie wartet … Von einem Österreicher hätten sie gleich zu Beginn den guten Rat erhalten: "As long as you stay on road nr. 1 you’ll be fine." Wer nur drei Wochen Zeit hat, solle sich daran halten.

alte karte von island

Kaisa & Christoffer Lekka

Reiseblog

Auf kaisaleka.blogspot.co.at bloggt Kaisa täglich einen Comic über eine komische Alltagssituation.

Begonnen hat sie damit, als sie 2007 ins Finnische Parlament wollte. Kaisa ist schon seit acht Jahren in der lokalen Politik tätig, mit Comics wollte sie den Leuten politische Themen näher bringen.

Naheliegend, dass sie auch unterwegs eine Art Reiseblog führten, Freunde und Familie wollten schließlich auch wissen, wie es den beiden ging.

Die beiden haben also immer auch ein Laptop dabei. Und einen extra Akku – einen "power guerilla", an den sie auch die Kamera hängen können. Der ist zwar recht schwer, aber wofür hat man einen Anhänger dabei?

Täglich laden sie Bilder rauf und schreiben ein paar Sätze dazu. So dokumentieren sie die Reise unterwegs.

Irgendwann wurde ihnen klar, dass sich diese Islandreise gut für ein Buch eignen würde. Unterwegs konnten sie sich darüber aber keine weiteren Gedanken machen. Erst nach einem Jahr begannen sie an der Umsetzung des Comics zur Reise. (Mehr zur Graphic Novel in der Slideshow)

Cyclist of the year

2012 ist die Comiczeichnerin Kaisa in Finnland zum Cyclist of the year gewählt worden. Dass dieser Titel an eine Frau verliehen wurde, die beide Beine amputiert hat, ist außergewöhnlich. Kaisa hat das aus mehreren Gründen gefreut. Frauen seien doch die, die im Alltag Rad fahren, aber Männer seien die Superstars.

Für viele ist Kaisa daher zu einer Art Rolemodel geworden. "Wenn die mit ihren Prothesen so Radfahren kann, kann ich das auch", hätten einige gemeint.

Kaisa wollte nie Prothesen, die aussehen wie natürliche Beine. "I originally thought about it as a radical feminist protest against the beauty ideals, the body ideal that is forced on woman all over the world."

Ihr offenes Herzeigen der Prothesen würde viele beeindrucken. "They feel somehow empowered by seeing me not being ashamed by my feet. And somehow for them it is a sign for them that they can also feel better about themselves and their personal physical shortcomings."

Die beiden haben auch schon andere Situationen erlebt. Nachdem Kaisa in einen Vortrag gehalten hat, wurde sie von einer Frau beschimpft, weil sie ihre Prothesen nicht versteckt habe. Mit diesem offenen Zeigen der Prothesen würde sie allen ein unangenehmes Gefühl aufzwingen.

Eine weitere dumme Situation haben die beiden am Flughafen in Amsterdam erlebt. Der Zöllner habe Kaisas Beine angeschaut und sich dann zu Christoffer umgedreht. "'Did you get married before or after the amputation?' I asked myself what has this to do with our passports? And I told him 'Yes, she was amputaded before we were married' and then he turned to kaisa and says 'Your husband has a very good heart.' Which was ment as a compliment but was the worst insult - that only a person with a very good heart can love someone who is that disabled."

kaisa leka auf dem fahrrad

Kaisa Leka

Kaisa und Christoffer Leka sind ein ungewöhnliches Paar - sie mit amputierten Beinen, er absolut unsportlich und doch unternehmen sie gewaltige Radtouren. Die beiden sind ein überzeugendes Beispiel dafür, dass man wegen einer Behinderung nicht zurückgezogen leben soll. Im Gegenteil. Sie wollen Leute dazu animieren, raus zu gehen und etwas zu erleben.

Die große Angst, dass dabei etwas passieren kann, sei absolut überflüssig: "Most things that we have done people have considered to be completely crazy. And the most stupid things have been the things that we have valued the most in our life and that have given us the most happiness and joy in every form."

Viele würden ein zu sicheres Leben führen und nie den Regen im Gesicht spüren oder mal ins Schwitzen kommen. "That is a great mistake."
Radtouren bieten da eine ideale Alternative. Und denjenigen, die rund um Island radeln wollen, empfehlen Kaisa und Christoffer fünf Dinge zum Abschluss:

  • A notebook – jeder könne zeichnen, auch wenn er oder sie das nicht glaubt – zumindest kann man schreiben
  • A woolen hat
  • A rain proof jacket
  • A good bike
  • Chocolate – because it is gonna rain. That’s the moment, when you need chocolate.

The Islandic Paradox

Im Zusammenhang mit Schokolade ist den beiden auch das isländische Paradoxon aufgefallen.
"You are so hungry that you couldn't bike, but you are so cold, that you couldn't stop."
Die Lösung: "We stopped for a few seconds. Stuffed as much chocolate in our mouth as we could and then continued pedaling and chewing it while going up or down the hills."

FM4 Wohin und Zurück. Geschichten von Unterwegs

Mehr Reiseberichte auf fm4.orf.at/unterwegs.

Kaisa und Christoffer erzählen von ihrer Radtour rund um Island, der Ausrüstung und der Bedeutung von Schokolade - in einer Stunde Homebase Spezial zwischen 21 und 22 Uhr.
Am Donnerstag, 10. Jänner 2013.