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Susi Ondrušová

Preview / Review

7. 1. 2013 - 12:22

Der seltsame Fall des Beck Hansen

Der amerikanische Musiker Beck setzt seit 20 Jahren vor allem auf eines: die Herausforderung.

The Song Reader Road Test: Robert Rotifers Selbstversuch am in Notenform veröffentlichten neuen Album von Beck. Samt schamlosem Soundfile.

Es ist schön und es ist haptisch, aber es ist kein Album: das neue Werk von Beck heißt "Songreader" und ist ein wunderschön gestaltetes Buch, in dem sich Notenblätter zu zwanzig neuen Beck-Songs befinden.

Es ist ein Album, das man zuhause nachspielen kann, wenn man der Notensprache mächtig ist. Man kann selbst bestimmen, wie es klingen wird. Welche Stilrichtung es einschlagen wird, welches Tempo, welche Instrumente. Nichts ist unmöglich und alles ist erlaubt. Für alle, die Notensprache genauso wenig verstehen, wie chinesische oder kyrillische Schriftzeichen ist "Songreader" einzig zum Lyrics lesen und zum Durchblättern gut. Es schaut schön aus, die Grafik schreit "NOSTALGIE"! Aber um etwas zu hören, muss man sich ans Internet wenden. Zahlreiche Fans haben ihre Versionen der neuen Beck Songs schon auf songreader.net veröffentlicht.

100percentrock

Die Notenblätter.

Es dürfte eigentlich nicht überraschen, dass Beck etwas "ungewöhnliches" macht, wie ein Album in Papierform rauszubringen. Zum einen, weil der 42jährige Musiker aus einer Künstlerfamilie kommt. Kunst braucht Konzept. Lebenslang. Auch gut: "Life is short and you gotta try different things and not be afraid to live and make mistakes!" hat Beck im FM4 Interview 2005 gesagt. Beim letzten Österreich-Gastspiel auf dem FM4 Frequency Festival 2003 hat er auf die Frage, welche musikalische Genre-Richtung er mit seinem nächsten Albumzyklus anstrebt, geantwortet: "First up I hope they´ll be good songs! You can take any of those songs and you can play them as a heavy metal song. It can be good as a hardrock-, synthesizer-, hiphopsounding song!"

geffen

"and my time is a piece of wax falling on the termite who´s choking on the splinters"

Hier ein ziemlich gutes Interview über "Songreader".

Als Beck 1993 sein erstes Album "Golden Feelings" veröffentlicht, sind die Hörgewohnheiten des Mainstream-Publikums durch Bands wie Sonic Youth oder Nirvana längst in Richtung Noise verfeinert, in Richtung Grunge verlagert. Aufregende Zeiten für alle, deren Musik sich abseits des Middle-Of-The-Road-Rocks bewegt. Beck´s Debütalbum "Mellow Gold" und sein Song "Loser" wird 1994 ein Hit. Als Teenager beobachtet er die mediale Explosion rund alles "authentische", das was noch vor ein paar Monaten niemanden interessiert hat wird plötzlich das angesagteste neue heiße Ding wird und er ist mitten drin und wirft mit einem Schuh.

beck

So schaut das Cover der Deluxe-Edition vom 1996 erschienenem Album "Odelay" aus.

Den roten Faden seiner kreativen Arbeit erklärt Beck so: "Try to stay connected to that original desire which is try to fuck with the formula! Keep it raw, keep it true to something that is not manufactured. It is also the enjoyment of being fluid and loose in the music. Music gives some sort of possibilities. It´s a vehicle for us to get to our nature!"

Und Becks Natur ist anscheinend allover. Beck ist musikalischer Regisseur. Manchmal dreht er eine Komödie, manchmal ein Drama, dann mal einen Horror- oder einen Kriegsfilm. Er verbeugt sich vor Hiphop genauso wie vor Disco oder lebt dann mal ein paar Wochen ohne Strom und macht auf reduziert und akustisch. Cool und modern ist alles relativ. Witzig ist Beck auch: „I´ve done things that I just thought are being silly and fun and people were like ‚oh he´s being ironic!’ but I was like ‘no, I was just being goofy, ridiculous or silly!”

Ein "standard format" Album soll das nächste Werk vom Beck werden. Bis dahin aber Geduld und sich einfach durch Becks Oeuvre durchklicken.

Hier meine fünf Lieblingsstationen:

Dark Star aus dem 2006er Album "The Information".

2010 startet Beck den Record Club. Er lädt befreundete Bands in sein Studio um an einem Tag ein Album neu aufzunehmen. Because they can. Gemeinsam mit zum Beispiel den Liars und St. Vincent nehmen sie Songs von INXS´ Kick-Album auf.

2002 erscheint "Sea Change" und darauf zu finden ist "Paper Tiger", einer der wohl am schönsten orchestrierten Beck-Songs.

1999 macht Beck mit "Midnite Vultures" einen auf Prince. Zum Beispiel mit "Peaches & Cream"

Und last but not least: im Mai 2012 hat Beck gemeinsam mit Jack White die 7Inch "I Just Started Hating Some People Today" aufgenommen. Ein sehr crazy Country-Track, der auf den üblich verdächtigen Gratis-Plattformen unauffindbar ist. Man kann ihn aber auch kaufen.

Oder ins Licht starren:

Third Man Records

Wolfgang Möstl, Sänger der Killed By 9V Batteries, und sein "Just Noise" aus Becks "Songreader"

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Wir haben zwei österreichische Musiker nämlich Sir Tralala und Wolfgang Möstl von Killed By 9V Batteries (und Mile Me Deaf und Sex Jams und Die Eternias) gefragt, ob sie denn einen Track aus Becks "Songreader" für FM4 aufnehmen könnten. Wolfgang Möstls Lieblings-Beck-Phase ist natürlich 1994: mit den beiden Alben "Mellow Gold" und "One Foot In The Grave". Aus "Songreader" hat er den Song "Just Noise" aufgenommen. Am Notenblatt steht der Hinweis "Swing" und der Swing-Taste auf seinem Keyboard wollte sich Möstl eh schon immer mal widmen.

Wolfgang Möstl

Susi Ondrusova

Zum Songreader-Projekt selber sagt er: "Es ist halt nicht mehr 'Just Noise' vom Beck-Album. Das ist jetzt die Nummer, mit der man sich auseinandergesetzt hat und die man sich 100 Mal angehört hat. Man hat eine andere Beziehung zu dem Song. Wenn ich das ganze Album durchspielen würde, dann wär das mein Lieblingsalbum!"

Update: Auch Sir Tralala spielt Beck

sir tralala in der dusche

sir tralala

Auch der Alleskönner David Hebenstreit aka Sir Tralala hat sich eines Stückes von Beck angenommen: "Why Did You Make Me Care". Das "fast schon beleidigte Chanson", so Sir Tralala, "hat er zu einem Drama aufgeblasen." Wenn denn alles gut geht, soll das Stück auch bald käuflich zu erwerben sein.

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