Erstellt am: 7. 1. 2013 - 14:51 Uhr
Entspannen ist unglaublich anstrengend
Wer kennt das nicht: Die Gedanken rasen durcheinander, man macht sich Sorgen über alles und nichts. Die perfekte Beziehung sollte man haben, den perfekten Job, das ganze möglichst früh dabei noch bio und fair und verantwortungsvoll konsumieren. Wie Gedankenspiralen rund um dieses Thema, so liest sich Babet Maders Roman "hungrig":
Open House Verlag
"hungrig" von Babet Mader ist im Opren House Verlag erschienen.
entspannen ist unglaublich anstrengend im urlaub bin ich die die brötchen holt das auto packt tickets bucht eis und kaffee besorgt aufräumt abwäscht sich den tag mit aufgaben vollstopft wie leute den ganzen tag rumliegen können dösig in der sonne am meer ich verstehe es nicht ich kann das nicht das macht mich wahnsinnig wenn ich ein boot leihe will ich rudern wenn ich das meer sehe will ich schwimmen wie kann man nur so in der gegend rumliegen das ist doch alles zeit alles zeit die man nicht fühlt ich fühle nichts beim nichtstun ich finde das nicht entspannend ein ewiges warten auf etwas etwas das ich nicht fassen kann ich renne umher und kann nicht sagen warum
Die Ich-Erzählerin in "hungrig" hat ihre Gedanken nicht unter Kontrolle, sie wuseln und wurlen durcheinander, springen vor und zurück, drehen sich im Kreis. Eine geradlinige Story wird nicht erzählt, mit der Zeit kann man immerhin ein paar Konstanten erkennen: eine gescheiterte Beziehung, eine Mutter, die nicht Geborgenheit sondern Chaos bietet, Überforderung mit der Gesellschaft, ein Zusammenbruch.
ich kann mir nicht vorstellen wie ich meinen partner ertragen soll wenn ich einen schlechten tag habe wenn ich einen schlechten tag habe ertrage ich mich ja nicht mal selbst was macht man dann mit dem anderen mit dessen ansprüchen ich würde es als zumutung empfinden da auch noch drauf eingehen zu müssen das ist doch eine zumutung und dann immer zusammen ins bett wie soll das funktionieren der mensch braucht platz wenn man sieht wie viel raum unsere spezies einnimmt wieso dann wieder einschränken auf sechzig quadratmeter liebe ist so was von utopisch das kann gar nicht funktionieren
Hier kann man Babet Mader beim Vorlesen zuhören
Im Klappentext des Verlags wird der Roman als Stimme der Generation Mitte-Ende-Zwanzig bezeichnet. Autorin Babet Mader selbst passt in diese Generation der DurchwurstlerInnen. Sie hat alle möglichen Gelegenheitsjobs hinter sich, von Model über Barfrau bis Call-Center-Agentin oder Buchhalterin. Derzeit studiert sie am Literaturinstitut Leipzig, "hungrig" ist ihre erste Romanveröffentlichung. Diese Lebenserfahrungen der Generation Praktikum, die ökonomische Unsicherheit und Ungerechtigkeit tauchen immer wieder auf, auch wenn bei Babet Mader Kritik und Humor nicht weit auseinander liegen:
ich hab mich mal in einer werbebutze um einen job beworben sie haben mich eingeladen sie mögen freischaffende sie fragen wie viel wollen sie dafür und ich sage meinen preis ich schätze mich gut ein finde ich ich arbeite nicht für zu wenig ich verlang nicht zu viel nur genau das was ich zum leben brauche sie sagen ab sie sagen weil sie jemanden gefunden haben der den gleichen job für umsonst macht ich verstehe das system nicht wenn wir schon im kapitalismus leben sollten sich gefälligst auch alle daran halten man arbeitet für geld man gibt das geld dann dort aus wo andere für geld arbeiten wenn alle umsonst arbeiten würden wie sähe das denn aus wir arbeiten umsonst wir würden aber nichts für umsonst bekommen oder doch
"hungrig" ist jedenfalls kein Buch zum In-der-Ubahn-Lesen. Es ist nicht einmal ein Buch zum abends zu Hause lesen. Denn der gesamte Text ist klein geschrieben und kommt ohne Satzzeichen aus. So tanzen einem die Gedankenfetzen schnell einmal vor den Augen herum. Eigentlich wäre "hungrig" am besten ein Buch zum vorgelesen bekommen – um den Rhythmus, das Spiel mit der Sprache von Babet Mader optimal genießen zu können.