Erstellt am: 6. 1. 2013 - 16:19 Uhr
Der leise Widerstand
Man will ja nicht miesepetrig in der Vergangenheit stochern und meinen, dass früher immer alles besser war. Ja, früher war alles besser, aber heute ist doch auch alles besser! Man muss nicht ständig drüber jammern, dass „Indierock“ nicht immer schon bedeutet hat, dass da – Überspitzung – vier geile Typen in schmalen Hosen, gut schlecht frisiert modisch dreinschauen. In den frühen, auch noch späteren 80ern und bis in die 90er hinein jedoch konnte „Indierock“ oder vielleicht auch „College Rock“ meinen, dass da wirr durch den Wind gebeutelte und vom Leben zerzauste Typen und Frauen irgendwie Kunst oder auch nicht studierten und bloß so irgendwelche Klamotten und Haare am eigenen Körper führten.
Sie quälten ihre Gitarren oder Orgeln und fanden unter dem schief aus den Instrumenten geleierten Quatsch und Lärm auch immer wieder schöne Melodien, die das komplizierte Leben vertonten oder manchmal bloß von der guten Liebe sangen. Ihren Bands gaben diese feinen Menschen solch merkwürdige Namen wie Guided By Voices, Superchunk, Yo La Tengo, Built To Spill, Pavement oder eventuell Sonic Youth.
Yo La Tengo
Das Trio Yo La Tengo aus Hoboken, New Jersey (Indie-Bands kommen aus solchen Ortschaften) werkt seit 1984 an einer komischen Rockmusik, die sich über The Velvet Underground, eine tendenzielle Genervtheit und Gitarrenkrach genauso freut wie geflüsterte Sonnenuntergangs-Balladen, Krautexperimente und einen kleinen, lieblichen Kammerpop. Mitte Jänner werden Yo La Tengo ihr dreizehntes reguläres Studio-Album veröffentlichen – wenn man so diverse wie zahlreiche Cover-Platten, Soundtrack-Arbeiten und sonstige Schabernack-Nebenbeschäftigungen nicht mitrechnet.
„Fade“ wird das Album heißen und es wird – so viel sei verraten – wieder einmal sehr gut sein. Yo La Tengo sind einfach da und werden da sein. Immer wirken Yo La Tengo zwar ein bisschen müde und so, als würden sie etwas unmotiviert stets in nassen, ein bisschen zu schweren Klamotten stecken, dennoch veröffentlicht das unschlagbare und unschlagbar beiläufige Dreier-Gespann Georgia Hubley/Ira Kaplan/James McNew Platte um Platte. Die Platten von Yo La Tengo sind meist sehr gut, manchmal fantastisch und sogar Klassiker, manchmal ein bisschen egal, da und dort passiert – ganz selten – ein rigoroser Fehlgriff. Macht nichts. Es geht weiter.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über "Ohm" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
- yolatengo.com
Die Vorabsingle zum Album „Fade“ ist jetzt wieder so ein wunderbar gleichgültiges Yo-La-Tengo-Mantra: „Ohm“ handelt vom Weitermachen. „Sometimes the Bad Guys Come Out On Top, Sometimes the Good Guys Lose“ singen Yo La Tengo, “We Try Not To Lose Our Hearts, Not Our Minds”. Schlimm und turbulent kann es hergehen in der Existenz, aber, so die zentrale Zeile des Songs, „Nothing Ever Stays The Same“.
In musikalischer Hinsicht – um den Text zu konterkarieren, aber so eben auch zu verstärken – bleibt „Ohm“ jedoch über weite Strecken „the same“ – bis es dann doch wieder ganz anders wird. Stoisch, unverändert geht ein schlichter Beat, gleichförmig und einlullend wogt das Stück in kleinen Wellenbewegungen. Nach dreieinhalb Minuten setzt ein ausladender Gitarren-Freak-Out ein, relativ unmotiviert, toll überzogen und ein bisschen albern, so als wollte er einzig formulieren: „Warum nicht? Es geht.“ Manchmal dreht sich alles zum Guten.