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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

13. 1. 2013 - 11:51

Tagebuch zum Jahr der Pflicht (2)

Jänner: Wahlweise eine Haube oder ein Paar Socken stricken

marc carnal

Nach dem "Jahr des Verzichts" im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.

Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.

Voting Jänner - Kategorie Handwerk

Mitmachen

Leser(in) "spok" fragt im Forum des letzten Tagebuchs nach den Konditionen einer Pflicht-Teilnahme. Selbstverständlich freut sich die Pflicht-Kerngruppe über geneigte Mitstreiter.

Am Ende eines Monats gilt es, die Erfüllung der Aufgabe zu beweisen. Dies kann mittels Foto, Video oder Live-Demonstration geschehen. Zwischendurch wird es auch Treffen geben, sogenannte Pflicht-Termine. Bei einem solchen könnte es nach dem Monatsmotto "Wissen" beispielsweise zu einer gegenseitigen Hauptstädte-Prüfung oder nach der Kategorie "Geschick" zu Jongliervorführungen kommen.
Man zögere nicht, mich per Mail zu kontaktieren.

Sonntag, 6. Jänner

● Vergangene Nacht bei Sonnenaufgang einen Postbooten und studierten Virologen burgenländisch-indischer Provenienz kennengelernt, der auch als Flirt-Coach arbeitet. Leute gibt es...

Da sitzt man illuminiert in einer dahergelaufenen Spelunke und plötzlich setzt sich ein Date Doktor dazu! Die Idee, seine verführerischen Skills zum Nebenberuf zu machen, bekam der seltsame Herr im Pick Up Forum. Schwer fassbares ist hier zu lesen. Die selbsternannten "Pick Up Artists" sehen Aufriss als Leistungssport, haben dafür eine eigene Terminologie entwickelt und geizen nicht mit Erkenntnissen, wie "Frauen denken nicht, sie fühlen."
Vorstellig wurde der Amor-Experte mit dem Rat an Kollegen Max, sein Bart "gehe gar nicht". Beruhigt wurde der gedisste Freund von der am Tisch anwesenden Frau, die bestätigte, der Flirt Coach gehe insgesamt gar nicht.

● Verkatert Essen bestellt. Daraufhin folgendes verschickt:

"Sehr geehrtes" XXX-Team,

in wildem Verlangen nach einem köstlichen Abendmahl haben wir vor einer Stunde in Ihrer Filiale in 11XX Wien drei Cordon Bleus mit Beilagen und eine Pizza bestellt. Dafür haben wir bei Ihrem schussligen Lieferanten stolze 45 Euro hingeblättert.
Beim gierigen Auspacken fiel uns schnell auf, dass drei Kartoffelsalate vergessen wurden, auf die wir uns ganz besonders gefreut hatten. Stattdessen war ein bizarres Gemüse-Potpourri neben dem recht kleinen und mit sehr wenig Hingabe panierten Schnitzel, das erstens so aussah und zweitens so schmeckte, als hätte man es vor einer Woche in einem Müllcontainer gefunden und seitdem in der prallen Sonne gelagert, zu finden.
Um die verboten breiig-mürbe Konsistenz und den an Rohes gemahnenden Geschmack der Pommes Frites respektive Potato Wedges zu beschreiben, hätte ich zwar einen reichen Fundus an passendem und drastischem Vokabular, aber leider gerade nicht die Muse, weil mir von den geschmähten Beilagen schlecht ist.
Eine sehr uninspiriert gewürzte Pizza um zehn Euro (in Worten: ZEHN EURO) mit bescheidenem Umfang und nicht etwa lauwarm, sondern mit einer Temperatur zu liefern, die nicht mal an den heutigen Tageshöchstwert heranreicht, ist ebenfalls eine Frechheit.
Wir haben ungefähr die Hälfte der gelieferten "Speisen" aus reinem Kohldampf grämig verschlungen und die Reste unserem Hund angeboten, der daraufhin um keinen Nachschlag gewinselt hat, was in Laufe seines bisherigen irdischen Gastspiels tatsächlich noch nie vorgekommen ist.

Ich erwarte mir eine großzügige Gutschrift auf den Account, der mit dieser meiner Mailadresse existiert. Um das Risiko erneuten Entsetzens zu minimieren, werde ich damit Getränke bestellen.

Mit unfreundlichen Grüßen verbleiben drei kurz neugewonnene und auch schon wieder verlorene Kunden, die sich nicht zu schade sein werden, die Qualität Ihrer Küche im Bekanntenkreis eifrig zu verbreiten.

Montag, 7. Jänner

● Das folgende Bild trägt den Titel "Der umweltbewusste Messie gibt sich einen Ruck":

marc carnal

● Grausamer Anglizismus, in letzter Zeit einige Male im deutschen Privatfernsehen gehört: "Ich hatte in letzter Zeit einige Aufs und Abs."
Wird erst als grässlich entlarvt, wenn man die Kombination löst:
"Wir geht’s dir denn?" – "Ach, ich habe gerade ein ziemliches Ab."

Dienstag, 8. Jänner

● Wage mit Pflicht-Kollegen Josef einen Besuch im benachbarten Wollgeschäft. Wenn man eine derartige Fachhandlung betritt, erwartet man ein herzensgutes, gewinnendes Persönchen. Und siehe da: ein ebensolches war zugegen und wollte es gar nicht fassen, dass sich da zwei Männer in ihren besten Jahren ohne jegliche Strick-Erfahrung gleich an eine Haube wagen.

Sie empfahl uns eine Rundstricknadel, die ich begeistert erstand. Kollegen Josef war diese Variante eine zu kleine Herausforderung, also entschied er sich, die Kopfbedeckung gleich mit fünf Nadeln anzufertigen. Der wird sich noch schön bedanken.

Mittwoch, 9. Jänner

● Die wöchentliche Strickrunde im Café Schmid Hansl duldet mich und Pflicht-Kollegen Josef nicht nur, die netten Girls erklären sich sogar bereit, uns in die Kunst ihres geliebten Steckenpferds einzuführen. Mit schwarzer Wolle bei schummrigem Licht kämpfe ich anfangs gegen meine schwindende Contenance, groove mich aber Reihe für Reihe auf das fleißige Anfertigen gerader Maschen ein und kann nach zwei Stunden auf ein bescheidenes, aber für den Beginn zufriedenstellendes Übungs-Fleckerl blicken:

marc carnal

Gebenedeit seien unsere Lehrerinnen.
Kollege Josefs erster Erfolg sieht gar noch bescheidener aus, schließlich möchte er seine Haube mit einem Nadelspiel anfertigen, der Disziplin für Fortgeschrittene.

● Das Ron Tyler Archiv mit Teil 1-4 des nützlichen Glückwunschkarten-Text-Tutorials:

Donnerstag, 10. Jänner

● Eine weitere Reihe gestrickt, um nicht gleich wieder alles zu vergessen.

● Was genau heißt eigentlich "Der Rechtsweg ist ausgeschlossen"? Dass eine juristische Klärung bei etwaigen Uneinigkeiten nicht zur Debatte steht?

Wie praktisch! In Zukunft werde ich vor Messerstechereien und Ladendiebstählen einfach laut sagen: "Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!"

Freitag, 11. Jänner

marc carnal

Nach dem Erfolg der Einkaufslistenkollektion womöglich die nächste Sammlung: Fantastische VHS-Beschriftungen!

Samstag, 12. Jänner

marc carnal

● Braue mit Kollegen Josef 40 Liter Bockbier. Der Unwahrscheinlichkeit trotzend, dass allzu viele Homebrew-Affine dieses Diarium lesen, werde ich künftig zwischendurch über die Fortschritte bei Equipment und Verfahren berichten.

Zum zweiten Mal kommt unser selbst konstruierter Gegenstromkühler zum Einsatz (Bild rechts). Der Sud fließt kochend heiß in ein zehn Meter langes Kupferrohr in Richtung Gärfass. Das Rohr ist in einen handelsüblichen Gartenschlauch eingefädelt, durch den kaltes Leitungswasser in die entgegengesetzte Richtung strömt. Das Bier erreicht das Rohrende mit rund fünfzehn Grad, während das Wasser den Schlauch heiß verlässt und gleich zur Reinigung von anderen Geräten verwendet wird.

● Mittelmäßige Schüttelreimversuche mit "stricken":

Kannst du dich einen Ticken strecken
für das Maß? Wir stricken Decken!

Sing ich, wenn die Zofe strickt,
sie ab der dritten Strophe zickt.

Der Dicke möchte einen String,
na gut, ich stricke ihm das Ding.