Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Journal '13. Eintrag 2."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 1. 2013 - 20:40

Journal '13. Eintrag 2.

Misswirtschaft Medienjournalismus, am Beispiel der vergebenen Chance bei der Transparenzdatenbank.

Hallo Lesende, das ist das Journal '13, die tägliche Äußerung in ungeraden Jahren. Obwohl: ich kann - im Gegensatz zu 2003, '05, '07, '09 und 2011 - heuer (erstmals) keine Täglichkeit garantieren; das Leben wird mir heuer manchmal zu stark dazwischenkommen.

Ansonsten bleibt alles wie es in meinem Twitter-Profil steht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratiepolitik, Medienpolitik, Musik und Fußball."

Der Fußball wird speziell gekennzeichnet (Fußball-Journal '13) und sich schon im Jänner (Afrika-Cup ab 19. Jänner) einstellen; und Demokratie- und vor allem Medienpolitik werden sich in diesem Wahljahr thematisch dramatisch in den Vordergrund schieben. Auch im 2. Eintrag, ganz wie gestern.

Wie fange ich an...
Dass es so etwas wie Medienjournalismus in Österreich nicht gibt, dass journalistische Äußerungen über Medien und Medienpolitik interessensgesteuert hoch zwei sind, nach außen getragene Macht- und Hauspolitik, dass es an Erkenntnisorientierung nicht nur kein Interesse gibt, sondern der Medienjournalismus auch dazu dient diese möglichst zu behindern, darüber müssen wir uns nicht erst noch verständigen; das darf man als bekannt vorraussetzen.
Oder doch so...
Wenn sich in Österreich jemand öffentlich zu einer medienpolitischen Angelegenheit äußert und dabei die Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners, den Schutz des Mainstreams, das Revier der feststehenden Phrasen verlässt, dann wirkt sich das auf den Äußerer meist fatal aus. Er wird behandelt wie ein Neujahrskonzertbesucher, der (womöglich wegen der fragwürdigen Plüschtier- und Kocheinlagen) einen Schas gelassen hat.
Fritz Hausjell hat, ehe sein Text auf den Österreich-Seiten in der letzten Ausgabe der "Zeit" erschein, ein paar Mails versandt, in denen er seiner Vorvermutung die "Freunde und Freundinnen" aus dem Medienjournalismus würden daran keine Freude haben, Ausdruck verlieh.

Profiteure, Schutz-Koalitionen und Überprüfer Hausjell

Hausjell hatte in diesem Text eine der vielen Schweige- und Schallmauern durchbrochen. Eine ganz aktuelle, die aufgrund diverser Schutz-Koalitionen prächtig funktioniert.

Mittlerweile weiß (dank ultraungeschickter Handhabung der politischen Player und aktiver Aufklärungsarbeit; nicht des Medienjournalismus allerdings...) jedes Kind, dass Inserate der öffentlichen Hand (Bund, Land, Vorfeld- und halb-/staatliche Organisationen, Kammern etc.) die Boulevard-Medien über überproportionale Inserierung massiv mit Geld zuscheißen; und diverse Blätter (vor allem die, die über keinen oder kaum Verkauf verfügen) so (mit) am Leben halten.

Das neue Transparenzgesetz macht diese Daten (zumindest größerenteils) öffentlich. Und damit erstmals zum Objekt der Berichterstatter, also der Medien selber. Hausjell nun überprüft die Überprüfer und stellt eklatante Mängel fest. Denn im Medienbereich ist es ziemlich genauso wie in fast allen Ressorts: man copypastet halt das, was die APA dazu sagt und meint damit seiner Pflicht Genüge getan zu haben.

An dieser Stelle gilt es ein Ceterum Censeo anzuführen: der ORF schafft es seit gefühlten Jahrzehnten nicht ein Medienmagazin (wie das NDR-Vorbild Zapp) auf die Beine zu stellen; oberste Verantwortliche in Radio und Fernsehen nennen das öffentlich immer eine gute Idee, die man doch umsetzen sollte, seltsamerweise gelingt das dann aber nie...

Abgesehen davon, dass genau dieser Ödnis-Einheitsbrei den Untergang des Journalismus als relevanten Beruf befördert, erzählte die APA-Headline genau das, was die Medien, die ansatzweise so etwas wie Medienjournalimus betreiben (also die selbstetikettierten Qualitätsblätter) eh hören und verbreiten wollen: die stärksten Profiteure seien die reichweitenstarken Boulevardmedien.

Transparenz bringt nichts, wenn man sie nicht lesen kann

Hausjell nun macht sich nicht nur die Mühe des simplen Datenjournalismus und sieht sich die Zahlen genauer an; er hinterfragt auch die Tücken der Messungen, bedenkt auch branchenübliche Querverläufe und auch die wesentlich bedeutenderen Inseraten-Finanzierer aus der Privatwirtschaft, die (direkt oder indirekt) in etlichen Verlagen Interessen zu wahren versteht.

Seine - auch zahlenmäßig relativierende - Erkenntnis: die unschuldigen Opfer, die sie vorgeben zu sein, sind die Qualitatsmedien nicht. Die Presse etwa erhält etwa die Hälfte der öffentlichen Profite der Krone. Da sich der Boulevard in dieser Angelegenheit mit Hausmitteilungen ordentlich zurückhält, kommen diese Fakten dann absurderweise kaum vor.
Die öffentliche Meinungsführerschaft haben hier die anderen. Und nützen das weidlich aus.

Insofern läuft auch Hausjells zentrale Frage ("Darf man von einem Medienjournalisten neben einer Zusatzrecherche zur Agenturmeldung nicht auch eine schlichte Plausibilitätsprüfung erwarten?") ins Leere. Denn abgesehen davon, dass man derlei heute tatsächlich nicht mehr erwarten darf: Es besteht gar kein Interesse daran. Verleger und Einflussnehmer sind zufrieden mit der simplifizierenden Version, die sowohl unter Deppen als auch unter politisch Gebildeten kursiert, und die Journalisten belassen es bei Strg C und Strg V.

Der ethische Kompass braucht eine Neujustierung

Letztlich spricht Hausjell da eh zu den Jungen, den Schülern seiner Ausbildner-Generation. Die Jungen haben auch in diesem Fall die einzig relevante Arbeit geleistet: die Paroli-Redaktion hat mit einer akribischen Recherche die Inseratenaufträge und Medienkooperationen der Medientransparenzdatenbank ausgewertet. Allerdings auch unter der Prämisse der Boulevard-Beobachtung und nicht mit dem Blick für das Große Ganze. Zwar in Kooperation mit dem Medien-Magazin Horizonte, aber - wie immer - unter massiver Selbstausbeutung.

Den Jungen ist es nicht zum Vorwurf zu machen, dass sie den moralischen und ethischen Kompass der (scheinbaren) Qualitätsmedien übernehmen. Sie kennen nichts anderes; deutsche oder gar angloamerikanische Verhältnisse lassen sich schlecht umrechnen; unbezahlt sind sie noch dazu.

So etwas wie echten und ernsthaften Medienjournalismus in Österreich kann man also aktuell nur von der Wissenschaft und vielleicht der von ihr ausgebildeten Jungjournalisten-Schar erwarten - wenn die es schaffen sich von den falschen Vorbildern zu lösen.