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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 1. 2013 - 20:34

Journal '13. Eintrag 1.

Not the last print issue.

Hallo Lesende, das ist der Starteintrag zum Journal '13, der täglichen (Ent-)Äußerung in ungeraden Jahren. Obwohl: ich kann - im Gegensatz zu 2003, '05, '07, '09 und 2011 - heuer (erstmals) keine Täglichkeit garantieren; das Leben wird mir heuer manchmal zu stark dazwischenkommen.

Ansonsten bleibt alles wie es in meinem Twitter-Profil steht: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratiepolitik, Medienpolitik, Musik und Fußball."

Der Fußball wird speziell gekennzeichnet (Fußball-Journal '13) und sich schon im Jänner (Afrika-Cup ab 19. Jänner) einstellen; und ich schätze Demokratie- und vor allem Medienpolitik werden sich in diesem Wahljahr thematisch dramatisch in den Vordergrund schieben. Auch heute in diesem als dezente Präambel geplanten 1. Eintrag schon.

Es war irgendwann 2005, als mich ein sehr bekannter Kollege im Rahmen irgendeiner lauten Veranstaltung vertrauensvoll auf die Seite zog. Zum Einen, um die Ernsthaftigkeit seiner seriös dargebotenen Belobigung für mein damals in Österreich noch immer unerhörtes Unterfangen einer kontroverssüchtigmachenden Blog/Web-Täglichkeit von allgemeinem Interesse zu betonen, zum anderen, um ein in eine Frage gepacktes Statement loszulassen. Warum ich denn diese von mir durchaus exklusiv entwickelte Wucht nicht in einem seriösen Medium anstelle und mich stattdessen im immer nah am Verpuffen ins Nichts angesiedeltem Netz unter Wert verkaufen würde.

Man muss dazu sagen, dass dieser Kollege formal durchaus eigenständige Wege geht, aber einem klassisch-bedächtigen journalistischen Umfeld entstammt. Er konnte keine einzige meiner Gegenfragen (die nichts anderes als die Gründe für mein Tun waren) auch nur ansatzweise beantworten. Welches Medium denn für meine inhaltlich und formal breit gestreute Themenwahl geeignet wäre; in welchem Medium man denn einmischungsfrei publizieren könne, wo man der von den Chefetagen gern geforderten Zuspitzung entgeht und die komplexere Ausleuchtung mehr als nur eines Blickwinkels unternehmen könne; welche guten oder berühmten Kolumnisten die heimische Printszene denn hervorgebracht hätte; wie man es in Print mit der im Netz ganz leichten Vertiefung und indirekten Zitierung durch Verlinkung (die ich im Journal sonst weidlich nütze; heute komme ich einmal bewusst ohne aus) handhaben soll; von den ollen Längenvorgaben einmal ganz abgesehen, und vieles andere mehr.

Kolumne oder Nicht-Kolumne, das war die Frage

Das Netz hat nicht nur all diese Vorteile, es bietet auch eine deutlich weniger verlogene und verbogene Messbarkeit der Rezeption, und so musste ich dem Kollegen auch noch vorrechnen, dass ein Journal-Eintrag wahrscheinlich deutlich mehr Leser hat als eine (durch all die genannten Einschränkungen zudem recht lahme) Zeitungs-Kolumne.

Seit 2005 hat sich strukturell nicht soviel geändert: es gibt weiterhin kein funktionierendes Geschäftsmodell für den Online-Journalismus. Was aber ebenso für jeglichen Journalismus mit Anspruch gilt, egal ob öffentlich-rechtlich oder per Qualitätspresse. Und es gibt weiterhin die Seuche von den vor sich hin siechenden Holzmedien.

Das letzte Newsweek-Cover

newsweek

In den Weihnachtsfeiertagen habe ich mit traurigen Händen die #lastprintissue von Newsweek durchgeblättert. Die Financial Times Deutschland ist ihr vorausgegangen, die Frankfurter Rundschau wird ihr folgen.
Hierzulande ducken sich Presse und Wirtschaftsblatt eng aneinander, dünnt sich der Kurier aus, wirft der Standard Kolumnisten von sich. Vom gefühlten achtzehnten Sparbudget in ebensoviel Jahren im eigenen Haus gar nicht zu reden.

Trotzdem wird es in Österreich noch dann Zeitungen geben, wenn sie andernorts der Markt schon längst beerdigt hat: die hiesigen Printkennzahlen sind unverhältnismäßig gut. Das hat mit grotesken Förder-/Finanzierungssystemen, mit stark ausgeprägter Interessenspolitik von mächtigen Gruppierungen, mit der seit einigen Jahren überbordenden Macht des Boulevards auf Kosten der Ängstlichkeit der Politik, aber auch mit hohen Fixabnehmer-Zahlen (Abos etc) zu tun.

Last Print Issue Standing

Und damit, dass hierzulande eben recht flächendeckend so gedacht wird wie es mein erwähnter bekannter Kollege von 2005 tat. Die Printkrise wird Österreich später erreichen, weil man andersweitige Entwicklungen am Medien-Sektor so sehr verschlafen hat, dass man auch viele der Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu spät oder gar nicht mitgemacht hatte. Die Unflexibilität, die provinzielle Ignoranz der Medienmacher und -mächtigen ist Teil dieser vorläufigen Rettung des alten Systems.

Bis zur last print issue ist also noch Zeit. Zeit, die wohl - so wie bisher - damit verplempert wird sich weiter zu wenig oder gar nichts zu überlegen. So ist in den letzten acht Jahren keine einzige neue und interessante Print-Kolumnen-Idee festzumachen; aus den Ohrwascheln quillt maximal Schmalz, so etwas wie Meinung/Haltung oder Analyse zum Zwecke des Anstupsens für Selber- und Weiterdenker existiert im Print-Bereich weiterhin so gut wie gar nicht; im Gegensatz zum Netz - auch im Schmalhans-Küchenmeister-Webland Österreich.

Die letzte Ausgabe der Financial Times Deutschland

financial times deutschland

Der 2005er-Kollege hat am Ende unseres damaligen Gesprächs, als er die große inhaltliche und formale Schwäche von Print auch nicht mehr schönreden konnte, noch einen Versuch gemacht. Er zweifle, dass das Netz, so frei und klickstark und diskursiv, die hochgeschraubten Erwartungen, Projektionen und Visionen erreichen könnte. Ich war so frei in seinen Zweifel einzustimmen: der Journalimus im Netz ist und war kein Heilsbringer. Und natürlich wäre es in einem struktur-konservativen und langsamdenkenden Raum wie Österreich auch nicht unwichtig, wenn sich in der Zeitlupen-Welt der Printmedien der nicht zweckgebundene und nicht interessensgesteuerte Diskurs wenn schon nicht durch-, dann zumindest einmal festsetzen könnte.

Solange aber in allen medialen Bereichen, egal ob on paper, on screen oder online so unerklecklich wenig tut, ist es aber recht egal, welchen Verbreitungsweg man für sein Ding wählt. Hauptsache man riskiert, man wählt und man tut. Am besten in der Medien-Umgebung, die formal, stilistisch oder inhaltlich am besten passt. Auffällig wird man so und so werden.