Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Am Ufer des Flusses saß ich und weinte"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

30. 12. 2012 - 17:40

Am Ufer des Flusses saß ich und weinte

Der Song zum Sonntag: Cloud Boat - I Left For A Reason (It Escapes Me Now)

Nicht selten erdrückt die starke Identität eines Plattenlabels jene der dort veröffentlichenden Künstler. Freilich haben meistens zunächst Musiker und ihre Produktionen den Sound des Labels geprägt und ab einer gewissen Reputation des Unternehmens können unbekanntere Acts durch die Assoziation mit dem großen Namen zwar auch profitieren, genauso aber in einer Schublade untergehen, in die sie gar nicht hineingehören.

Das ursprünglich belgische, mittlerweile von London aus operierende Label R & S Records ist so ein Betrieb mit muskulösem Logo und zugkräftigem Markennamen. Seit der Neuerstarkung des Labels vor vier, fünf Jahren gilt R & S Records - teils sehr zurecht, teils auch verkürzt gedacht - als erste Adresse für jene Musik, die da irgendwann "Post-Dubstep" und später bloß nur mehr "Post-Step" genannt wurde. Acts wie James Blake, Blawan, Pariah oder Lone haben bei R & S schöne Beat- und Sound-Versuchsanordnungen in Plattenform veröffentlicht.

Cloud Boat

Cloud Boat

Cloud Boat

Auch das englische Duo Cloud Boat ist mit R & S verbandelt: Die Debüt-EP ihres gemeinsamen Projekts haben die Musiker Sam Ricketts und Tom Clarke ebendort releast, ihr Stück "Lions On The Beach" war auf der im Vorjahr erschienenen Label-Compilation "IOTDXI" vertreten.

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über "I Left For A Reason (It Escapes Me Now)" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Zwar waren Cloud Boat schon mit Flagschiffen des Post-Step gemeinsam auf Tournee, mit Mount Kimbie und mit, ja, James Blake, aus ihrem neuen Song, der als Vorbote zum demnächst auf einem Sublabel von R & S erscheinenden Debüt-Album fungiert, kristallisiert sich jedoch eine eigene Klangsprache heraus.

"I Left For A Reason (It Escapes Me Now)" heißt der Song - es ist ein trauriger, ein merkwürdiger Song. Ein Sechs-Minuten-Stück, das in der Mitte auseinanderbricht und so aus zwei kaum miteinander korrespondierenden Teilen besteht, die sich zu einem wunderlichen Ganzen fügen.

Es ist eine elektronisches Songwritertum, das aus Beat-Produktion aus dem Rechner, echten Gitarren und zerbrechlichem Gesang erwächst. Ein Mensch hat hier eine Welt hinter sich gelassen, er ist weggegangen und weiß nicht mehr wieso. Was bleibt ihm da anderes übrig, als im Nebel am Fluss zu hocken, über vergebene Chancen zu heulen und dieser seltsamen, wie kaum etwas zuvor tönenden Musik zu lauschen?