Erstellt am: 1. 1. 2013 - 09:40 Uhr
Vom Sandman zum Sandmännchen
Wer Comics mag, kommt eigentlich um die Sandman-Reihe von Neil Gaiman nicht herum. Sie zählt zu den wichtigsten und besten Geschichten, die mir je untergekommen sind.
Vertigo
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Hauptfigur der Sandman Comics ist Dream, der Herrscher über die Träume. Er ist einer der sogenannten Ewigen. Das sind seine Geschwister: Dream, Death, Destiny, Desire, Despair, Delirium und Destruction. Neil Gaiman führt diese Figuren nach und nach in die Sandman Comics ein und gibt jeder der allegorischen Figuren sehr viel Charakter. Somit funktionieren sie sowohl auf der Bedeutungsebene als auch als eigenständige Figuren innerhalb der Geschichte.
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Death ist die Älteste unter den Ewigen und außerdem diejenige von ihnen, die den Menschen am wohlsten gesonnen ist. Dream ist geheimnisvoll und düster. Sein Aussehen hängt davon ab, wem er begegnet, also einem Europäer oder einem Afrikaner, einem Menschen oder einer Katze. In seinem "Grundzustand" allerdings erinnert er sehr an Neil Gaiman selbst. Destiny ist blind und an sein Handgelenk ist das dicke Buch des Schicksals gekettet. Darin blätternd wandert Destiny durch seinen unüberschaubaren Irrgarten.
Desire wird von den Ewigen gerne als "Bruderschwester" bezeichnet, denn er/sie ist von keinem eindeutigen Geschlecht, und von beiden gleichzeitig. Despair ist die Zwillingsschwester von Desire (oh diese Bedeutungsschwere!). Sie ist blass und aufgedunsen und trägt nie Kleidung. Destruction hat irgendwann seine Aufgabe als einer der Ewigen niedergelegt, weil ihm die Zerstörungswut der Menschheit, die in der Atombombe kulminierte, zu viel wurde. Es gibt zwar immernoch Zerstörung, aber Destruction ist nicht mehr dafür verantwortlich. Delirium ist die Jüngste der sieben Ewigen. Sie hat ein grünes und ein blaues Auge und ist meistens sehr zerstreut.
Die Geschichten von den kleinen Ewigen
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Gainmans Sandman Comics sind intelligent und eher düster, voller Referenzen auf Mythologien, Volksmärchen und Legenden. Kain und Abel sind ebenso Teil des Ensembles wie Baba Yaga, Orpheus und Eurydike oder William Shakespeare.
Neil Gaiman schreibt die Geschichten und arbeitet dabei immer wieder mit unterschiedlichen Illustratoren zusammen. Zum Beispiel mit der Comiczeichnerin und Autorin Jill Thompson. Und in einer von ihr illustrierten Episode (nämlich The Parliament of Rooks in Sandman Vol. 6: Fables & Reflections) kommen Dream und Death in Kindergestalt vor. Die Fans waren davon so begeistert, dass Thompson auch von den übrigen Ewigen Zeichnungen als Kinder angefertigt hat. Seitdem herrschte vonseiten der Fans der beständige Wunsch nach einem ganzen Buch von den kleinen Ewigen, und dem ist Jill Thompson nun nachgekommen.
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Die Geschichten von den kleinen Ewigen kommen als Kinderbuch daher, präsentiert von Sandman. Die Bilder sind farbenfroh und im Sinne des Zielpublikums frei von expliziten Inhalten, im Gegensatz zu den originalen Sandman Comics. Die Ewigen sind noch Kinder, in ihren Grundzügen entsprechen sie allerdings bereits ihren Rollen. In der ersten Geschichte geht Delirium bei einem Spaziergang verloren und der Hund Barnabas macht sich auf die Suche nach ihr. Dabei besucht er Deliriums sechs Geschwister, um sie um Rat zu fragen. Das ist eine nette Kindergeschichte, aber als alter Sandman-Fan freut man sich vor allem darüber, wieder ein bisschen mehr über die Ewigen zu erfahren, nämlich über ihre Kindheit. Schließlich findet Barnabas die kleine Delirium. Und wie? [Vorsicht: Spoiler!] So wie Hunde eben häufig zu Delirium finden: er jagt seinem Schwanz nach und dreht sich dabei solange im Kreis bis ihm schwindlig ist.
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In der zweiten Geschichte wirft Delirium eine Überraschungsparty für ihr Schwester Despair, weil sie diese noch nie lächeln gesehen hat. Alle kleinen Ewigen kommen zusammen und bringen Despair Geschenke, jeder seiner Begabung entsprechend: Desire zum Beispiel schenkt ihr eine Kette, welche bewirkt, dass sich alle Herzen nach ihr sehnen. Doch weder die Party noch die Geschenke können Despair auch nur den Hauch eines Lächelns entlocken. Schließlich gehen ihren Geschwistern die Ideen aus und deswegen sind sie alle betrübt und niedergeschalgen. Und [Vorsicht: Spoiler!] natürlich bringen sie genau damit die kleine Despair endlich zum Lächeln.
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Die Geschicten über die kleinen Ewigen sind für Kinder gemacht, oder zumindest geeignet, aber sie funktionieren auch für Erwachsene (besonders wenn sie alte Sandman Fans sind). Und das macht gute Kindergeschichten oder -filme, -serien und -bücher aus; dass sie einem als Kind etwas vermitteln, das auch später noch von Gehalt ist, dass sie Kindern etwas zutrauen, und auch Bedeutungsinhalte miteinbeziehen, auf die Gefahr hin, dass diese von Kindern noch nicht ganz wahrgenommen werden. Es gibt alte Kinderbücher die ich heute noch gerne in meinem Regal stehen habe, weil sie mich als Kind so beeindruckt haben. Und wenn ich die heute durchblättere, finde ich sie immer noch toll. So ein Buch könnten die "Geschichten über die kleinen Ewigen" auch sein.