Erstellt am: 28. 12. 2012 - 06:00 Uhr

Touch & Play

Rewind 2012: Smartphones und Tablets sind die neuen Handhelds. So gut wie in in diesem Jahr waren mobile Videospiele noch nie.

Angefangen hat alles mit einem walisischen Musiker im gelben Regenmantel. Gruff Rhys, Kopf der Super Furry Animals, interpretiert im Herbst 2011 den hymnischen Titelsong des knallbunten Walfliegespiels "Whail Trail".

"Whail Trail" und andere exzellente Smartphone- und Tablet-Games aus 2011 wie "Wo ist mein Wasser?" oder "1000 Heroz" legen den Grundstein für eine intensivere Beschäftigung mit Mobile Games. Noch wenige Jahre zuvor habe ich diesen Begriff mit den alten "Snake"-Tagen, hakeligen Kartenspielen auf betagten Handys und gescheiterten Projekten wie dem Nokia N-Gage verbunden. Heute brauche ich für die Antwort auf die Frage, was meine Lieblingskonsole ist, keine Nachdenkzeit: das iPad hat in seiner multimedialen Vielseitigkeit nicht nur das Netbook ersetzt, sondern auch eine neue Bandbreite an digitaler Spielkultur offenbart, die beeindruckend ist und die die klassische Gaming-Landschaft auf Konsole und am Desktop-Computer oft ein wenig behäbig wirken lässt.

Im AppStore sind alle gleich

Der AppStore ist ein kreativer Wildwuchs an dilettantischen Digital-Goldgräbern, wiedergekehrten Alt-Programmierern, querdenkenden Design-Agenturen, motivierten Indie-Entwicklern und verblüfften Games-Konzernen, die nicht den Anschluss verpassen wollen. Wirklich viel verdienen lässt sich abseits einzelner Riesen-Hits à la "Tiny Wings" oder "Angry Birds" (Vögel sind offenbar das Geheimnis) mit Smartphone- und Tablet-Games nicht.

Doch mit der eigenen Videospiel-Marke nicht auf iPhone, Galaxy S3 und Co. präsent zu sein, ist aus marketingtechnischer Sicht ein großes Versäumnis. So schickte Ende September etwa Ubisoft den wirklich guten Platformer "Rayman Jungle Run" ins Rennen. Auch renommierte Triple-A-Studios, die sonst meist nur auf hochgerüsteten Windows-PCs auf sich aufmerksam machen, steuern etwas bei - etwa "Fibble" der deutschen Firma Crytek.

Wortspiele, Dreierpärchen und verknotete Finger

Berührungssensitive Oberflächen fordern nicht nur ein Umdenken ein, was das Design des jeweiligen Spiele-Interfaces betrifft. Touch-Displays bringen auch völlig neue Games-Gattungen hervor und heben totgeglaubte Genres wieder aus der Versenkung. 2012 war das vielleicht beste Jahr für Word Games, Höhepunkte sind hier etwa "Spelltower" und "Quarrel DX", und auch die etwas im Ablaufen begriffenen Match-3-Puzzles à la "Bejeweled" haben durch clevere Twists wie etwa reduzierte Spielfelder wieder an Dynamik gewonnen. Bestes Beispiel dafür ist das sogar für das originale Kindle erschienene "Triple Town". Ein eher neuer Brauch beim Spielen von Tablet-Games ist das gemeinsame Fingerverknoten bei Titeln wie "Finger Tied" oder "Fingle", die von gesellig bis frivol viele Formen der körperlichen, zwischenmenschlichen Interaktion abdecken.

Spry Fox

"Triple Town": für stabile Gebäude und wider die Bären.

Kleiner Bildschirm, große Spiele

Tablets und Smartphones eignen sich auch wunderbar, um verstaubten Spielearchiven und Backkatalogen wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. So ist etwa das Bungie-Shooter-Debüt "Marathon* für iOS erschienen, ebenso wie die Hacker-Sim "Uplink" und einige große Klassiker wie "Baldur's Gate", "Grand Theft Auto: Vice City", "Crazy Taxi", "Shadow Warrior" oder "Max Payne". Nicht überall glückt die Überführung der Tastatur- und Maus- bzw. Gamepad-Steuerung auf das Touch-Display, technisch und multimedial gibt es hingegen überhaupt keine Probleme.

Auch aktuelle technikhungrige 3D-Titel wie das schicke Fantasy-Rollenspiel "Ravensword: Shadowlands*, das fabelhafte Insel-Abenteuer mit der erfreulich unklischeehaften weiblichen Spielfigur "Lily" oder der rasante Racer "Need for Speed: Most Wanted" zeigen, was mit aktueller Tablet-Hardware alles möglich ist und wie klein der Abstand zu den "großen" Spielkisten mittlerweile ist.

BitMonster

"Lily"

Bildschirmtappen Made in Austria

Die heimische Games-Entwicklerszene lässt sich auch immer mehr auf Smartphone- und Tablets ein. Vor allem Indies wie Bobblebrook ("Coign of Vantage") und Newcomer wie Blackish Games ("NEW ORBIT") oder All Civilized Planets ("Hueshift") können hier sowohl kreative, organisatorische und wirtschaftliche Prozesse in einem noch sehr jungen Markt ergründen und wertvolle Erfahrungen für ihre kommenden Projekte sammeln. International auf sich aufmerksam machen konnte vor allem Ido Yehieli mit seinem archaischen Dungeon-Crawler "Cardinal Quest" und dem "Pac-Man"-Tower-Defense-Hybrid "Pakkuman's Defense".

Ido Yehieli

"Pakkuman's Defense"

Indiefreuden auf ganzer Linie

International ist iOS als Release-Plattform zwar nicht gleichauf mit dem freien Veröffentlichen für Windows und Linux, im Vergleich zu anderen geschlossenen Systemen wie Xbox Live, PlayStation Store oder Steam ist Apples mobiles Betriebssystem - trotz seiner zentralistischen Organisations- und Kontrollinstanz bei den Inhalten - aber eindeutig am beliebtesten. Indie-EntwicklerInnen können ihre Games verhältnismäßig rasch veröffentlichen und müssen bei der Gestaltung ihrer Spiele keine Kompromisse eingehen. Dieser erfreuliche Umstand hat uns 2012 unorthodoxe Titel wie das psychedelische Balkendrücken "Gauge", den geheimnisvollen Spielzeugkasten "Windosill", die Basketball- und Puzzle-Game-Kreuzung "Gasketball" oder das mit Retro-Popkultur-Refenzen gespickte Rollenspiel "Saturday Morning RPG" beschert. Besonders herausragend war das kluge Science-Fiction-Game "Waking Mars" vom britischen Entwickler Tiger Style Games, das es schafft, das Thema extraterrestrische Botanik sowohl in eine spannende Geschichte als auch in ein motivierendes Spielerlebnis zu gießen.

Touch & Play 2013

Der Strom an Spiele-Innovation auf Smartphones und Tablets reißt nicht ab. Vor allem iOS und alle damit zusammenhängenden Apple-Geräte sind nach wie vor die Platzhirsche und werden es zumindest auch die nächsten Monate über bleiben. Ob Google Play und seine vielen unterschiedlichen Android-Geräte sich 2013 doch noch sammeln und zum Gegenangriff blasen werden, ist zweifelhaft, vor allem, da das Problem der vielen illegalen Spielkopien weiterhin zu bestehen scheint. Microsoft macht währenddessen viel Werbungs-Wirbel für Windows 8, wofür auch schon einige Entwickler ihre Apps portiert haben. Exklusivtitel im Bereich Games fehlen hier aber noch völlig, was sich als große Verkaufsbremse herausstellen wird, sollte sich das nicht innerhalb des nächsten halben Jahres ändern.

Fest steht: FM4s Touch & Play ist nun genau ein Jahr alt und geht 2013 wieder in die Vollen. In der Woche ab 31.12. wird es jeden Tag eine neue Folge geben. Die aktuellen Apps sind installiert, frisch gespielt und warten schon auf ihren Auftritt!